Meinung:360 Euro sind zu wenig

Die große Koalition hat sich auf ein Konzept zur Mitarbeiter-Beteiligung geeinigt. Entsprechend stolz sind CDU/CSU und SPD. Doch die Pläne sind nicht ausgereift.

Nina Bovensiepen

Im Jahr 1951 stellte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Karl Arnold (CDU) seinen "Zwei-Pfennig-Plan" vor. Seine Idee: Bei jeder Lohnerhöhung, etwa um zwei Pfennig pro Stunde, sollten Arbeitnehmer einen bestimmten Betrag in ihre Firma investieren. Arnolds Konzept war eines der ersten für einen sogenannten Investivlohn - eine Kapitalbeteiligung der Beschäftigten an ihrem Betrieb. Kritiker hielten die Idee für romantisch und wirklichkeitsfremd, und sie wurde auch nie umgesetzt.

Meinung: CDU/CSU und SPD sind stolz auf ihr neues Konzept zur Mitarbeiter-Beteiligung.

CDU/CSU und SPD sind stolz auf ihr neues Konzept zur Mitarbeiter-Beteiligung.

(Foto: Foto: dpa)

Wie dem Zwei-Pfennig-Plan erging es seit Jahrzehnten diversen Modellen für eine stärkere Mitarbeiterbeteiligung: Es gab eine gut klingende Idee und prominente Fürsprecher - und trotzdem wurde nichts aus der "Gesellschaft von Teilhabern", die schon Ludwig Erhard wünschte.

Umso stolzer geben sich nun CDU, CSU und SPD, die sich jetzt auf ein Modell zur stärkeren Mitarbeiterbeteiligung geeinigt haben. Seht her, lautet die Botschaft, die große Koalition kann doch Großes leisten. Was Jahrzehnte lang über einen mageren Anfang nicht hinauskam, wir schieben es tüchtig an.

Das stimmt aber nicht. Das Ergebnis der Verhandlungen von SPD-Arbeitsminister Olaf Scholz, seinem nordrhein-westfälischen Kollegen Karl-Josef Laumann (CDU) und CSU-Chef Erwin Huber ist mager ausgefallen. Das zeigt ein Blick auf die Einzelbestandteile.

Bürokratisches Monster

So wollen Union und SPD vor allem die steuerliche Förderung von Vermögensbeteiligungen ausbauen. Statt wie bisher 135 Euro im Jahr sollen Arbeitnehmer künftig 360 Euro im Jahr steuer- und abgabenfrei in Aktien und andere Firmenbeteiligungen stecken können. Das verwundert insofern, als SPD und Union damit eine Steuer-Subvention ausbauen - obwohl sie ständig Subventionsabbau predigen.

Zugleich bleibt dieser Schritt aber halbherzig: In jenen Ländern, die als Vorbilder bei der Mitarbeiterbeteiligung gelten, beträgt der Steuervorteil nämlich nicht nur ein paar hundert, sondern ein paar tausend Euro. Wer die Teilhabe richtig ankurbeln will, müsste also großzügiger sein. Wer indes den Haushalt sanieren und Steuersubventionen abbauen will, kann solche Trippelschritte bei der Mitarbeiterbeteiligung auch lassen.

Außerdem sieht das Konzept die Förderung von Beteiligungen in Branchenfonds vor. In diese Kapitalsammelstellen soll Geld der Beschäftigten fließen. Die Fonds wiederum sollen deren Firmen den Großteil der Mittel zur Verfügung stellen. Das dürfte bürokratisch-kompliziert werden.

Zudem stellt sich die Frage nach dem Nutzen der Fonds. Die Idee widerspricht dem Anlageprinzip, wonach man nicht alles auf ein Pferd setzen sollte. Angenommen eine Branche rutscht vom Boom in die Krise, so wie einst viele Firmen am Neuen Markt, dann verlieren die Beschäftigten vielleicht ihren Job, während gleichzeitig auch ihr Branchenfonds abstürzt. Abgesehen davon gibt es heute schon Tausende Fonds, in die man Geld stecken kann.

Mitarbeiter auch am Misserfolg beteiligen?

Sowohl die Fonds-Idee wie auch die zusätzlichen Steuervorteile dürften daher kaum einen Boom der Mitarbeiterbeteiligung auslösen. Insofern ist das Paket der Koalition Mogelei. Das mag schlecht für den Glauben an große politische Lösungen sein, in der Sache ist es aber gut.

Wenn Betriebe ihre Mitarbeiter beteiligen wollen, entscheiden sie am besten selbst darüber und geben ihnen vom Gewinn etwas ab oder bieten ihnen den Kauf von Anteilen an. Schließlich sind es auch die Firmen, die von der möglicherweise höheren Motivation ihrer Beschäftigten profitieren.

Sobald der Staat sich einmischt, wirft das Fragen und Probleme auf. Etwa jene, warum Mitarbeiterbeteiligung stärker subventioniert werden sollte als andere Anlageformen. Oder ob Mitarbeiter neben dem Erfolg auch am Misserfolg beteiligt werden müssen. Und wie verhält sich dann die Politik? Was passiert etwa, wenn einer der Branchenfonds pleitegeht? Sehen Kurt Beck und Angela Merkel tatenlos zu? Oder eilen sie zu Hilfe?

Auf all dies müssen Politiker antworten, wenn sie die Mitarbeiterbeteiligung wirklich in Schwung bringen wollen. Das ist schwierig - und der Grund, warum aus Konzepten wie dem Zwei-Pfennig-Plan nie etwas wurde.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: