Mehrwertsteuerreform vertagt:Immer mit der Ruhe

Eine Reform der Mehrwertsteuer könnte Finanzminister Wolfgang Schäuble zusätzliche Einnahmen bringen. Doch mit einer Prüfung will er sich Zeit lassen - bis 2013.

Guido Bohsem, Berlin

Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform der Mehrwertsteuer wird nach Aussagen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erst gegen Ende der Legislaturperiode kommen. "Die generelle Prüfung der ermäßigten Mehrwertsteuersätze wird bis 2013 dauern", sagte der Minister am Freitag in einem Interview der Bild-Zeitung.

Bundestag Schäuble

Immer mit der Ruhe: Innenminister Schäuble sagt in einem Interview, eine Prüfung der ermäßigten Mehrwertsteuersätz werde bis 2013 dauern.

(Foto: dpa)

Schäuble stellt damit den bislang vereinbarten Fahrplan für eine Steuerreform in Frage, wie sie die FDP und auch einige Politiker der Unionsparteien wollen. Denn mit der Reform der Mehrwertsteuer waren große Hoffnungen auf zusätzliche Einnahmen für den Staat verbunden. Sollte das geltende System der Mehrwertsteuer jedoch erst 2013, also im letzten Jahr der Legislaturperiode überprüft werden, dürfte es mit der Steuerreform nichts mehr werden.

Bislang gilt die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die nach der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, eine Reform der Einkommensteuer um zwei Jahre verschoben hatte. Schäuble wollte sich in dem Interview hingegen nicht festlegen, ob es bis 2013 zu einer Steuerreform kommen könnte. "Heute schließe ich vor allem aus, darüber jetzt schon zu diskutieren", sagte er.

Kulturgut "Seilbahnfahrt"

Warum die Prüfung der Mehrwertsteuer so lange dauern soll, blieb unklar. Schäubles Sprecher sagte, das Ministerium erwarte bereits ein Gutachten der Universität Saarbrücken zum Thema. Die Regierung hatte ursprünglich vor, zügig eine Kommission für das Thema einzusetzen.

Die Mehrwertsteuer versammelt die wohl absurdesten Regelungen des deutschen Steuerrechts, weshalb sich die Koalition darauf verständigt hatte, das System grundlegend zu überarbeiten. Allgemein gilt der Satz von 19 Prozent. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent wird in der Regel für Produkte erhoben, die auch armen Menschen zur Verfügung stehen sollen, Nahrungsmittel und Kulturgüter.

Jedoch ist die Zahl der Ausnahmen über die Jahre immer weiter angestiegen. So zählen mittlerweile auch Schnittblumen, Seilbahnfahrten und Rennpferde zu den Ausnahmen mit niedrigem Steuersatz. Anfang des Jahres hatte die schwarz-gelbe Koalition die Mehrwertsteuer für Hoteliers gesenkt und damit eine weitere Ausnahme geschaffen.

23 Milliarden ohne Ausnahmen

Mit einer Reform des Systems verbinden sich in der Koalition Hoffnungen auf zusätzliche Einnahmen. Nach Berechnungen des Finanzministeriums flößen rund 23 Milliarden Euro zusätzlich in die Kassen, wenn für alle Produkte und Dienstleistungen ohne Ausnahme der allgemeine Mehrwertsteuersatz gelten würde. Auch wenn man diesen gleichzeitig auf 17 Prozent absenkte, blieben Bund, Ländern und Gemeinden noch ein Plus von etwa einer Milliarde Euro.

Zuletzt hatte der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Leo Dautzenberg (CDU), eine Senkung der Einkommensteuer mit einer Reform des Mehrwertsteuersystems in Verbindung gebracht. 2012 soll nach seinen Vorstellungen eine dreiteilige Steuerreform einsetzen, die Entlastungen von fünf Milliarden Euro vorsieht, in dem sie die kalte Progression mildert.

Zur Gegenfinanzierung sieht Dautzenberg unter anderem Einnahmen von 3,5 Milliarden Euro vor, die er durch das Abschaffen von Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer erwirtschaften möchte. In der FDP gibt es ähnliche, wenn auch deutlich ehrgeizigere Pläne.

Brief an die Kollegen

Noch in der vergangenen Woche hatte die Koalition darüber beraten, ob die Mehrwertsteuer-Reform nicht vorgezogen werden könne, um das Sparpaket weniger drastisch ausfallen zu lassen. Die Koalition will bis zum Jahr 2014 rund 80 Milliarden Euro einsparen und damit die Vorgaben der Schuldenbremse des Grundgesetzes erfüllen. Ein großer Anteil der Einsparungen soll im Etat von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen vorgenommen werden.

Schäuble und von der Leyen wandten sich mit einem Brief an die Mitglieder der Fraktionen von Union und FDP und warben um Unterstützung für das Vorhaben der Regierung. Es gehe nicht darum, um jeden Preis zu sparen, heißt es in dem Schreiben, sondern darum, im Detail zu schauen, wo Einsparungen möglich seien, die das Wachstum nicht gefährdeten.

Von der Leyen und Schäuble bemühten sich, der öffentlichen Kritik entgegen zu treten, das Sparpaket sei sozial unausgewogen. "Die Maßnahmen im Sozialbereich erhöhen die Arbeitsanreize und machen unsere Sozialsysteme effizienter, heißt es in dem Brief. Mit dem Sparpaket sei der Regierung eine faire Verteilung der Lasten auf Wirtschaft, Verwaltung und Bürgern gelungen, so die Minister.

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