Mehr Transparenz:EZB will Sitzungsprotokolle schnell öffentlich machen

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Komplett, in Auszügen oder anonymisiert? Bis Herbst will die Europäischen Zentralbank erarbeiten, wie künftig die Protokolle der Direktoriums-Sitzung veröffentlicht werden. Die Entscheidung ist brisant, denn mit der Transparenz nimmt auch die Möglichkeit zur Einflussnahme von außen zu.

Die Europäische Zentralbank (EZB) will den Märkten mehr Einblick in ihre Entscheidungen geben und die Protokolle der Ratssitzungen veröffentlichen: Bis zum Herbst werde das sechsköpfige Direktorium Vorschläge erarbeiten, in welcher Form dies geschehen könnten. Das kündigte EZB-Präsident Mario Draghi in Frankfurt an.

Ob die Gesprächsprotokolle aus den Sitzungen des EZB-Rats komplett, in Auszügen, anonymisiert und mit welcher Zeitverzögerung herausgegeben werden, das wollte Draghi nicht sagen. "Wir stehen am Anfang einer schwierigen Entscheidung, denn wir sind nicht die USA. Die Euro-Zone besteht aus 17 Staaten, und die Unabhängigkeit der einzelnen Notenbankchefs darf durch die Offenlegung der Protokolle nicht gefährdet werden."

Der Rat sei sich einig, dass es bessere Informationen darüber geben sollte, wie Entscheidungen zustande kommen. Draghi betonte allerdings, dass auch im Falle der Veröffentlichung der Protokolle die Unabhängigkeit der Notenbank-Präsidenten der 17 Euro-Staaten gewahrt bleiben müsse. Diese träfen Entscheidungen "im Interesse des Euro und des Euro-Raumes" und seien keine Repräsentanten, die im Auftrag ihrer Staaten handelten.

Bislang liegen die Protokolle 30 Jahre lang unter Verschluss. Draghi hatte sich in dieser Woche bereits für eine Veröffentlichung der Ratsprotokolle ausgesprochen und folgte damit einem Vorstoß anderer Zentralbanker. Die EZB ist die letzte große Zentralbank der Welt, die bislang keine Protokolle zu ihren geldpolitischen Sitzungen veröffentlicht. Andere wichtige Notenbanken wie die Federal Reserve in den USA, die Bank of England und die japanische Zentralbank veröffentlichen Protokolle wenige Tage oder Wochen nach den Sitzungen ihrer Beschlussgremien.

Ein möglicher Nachteil öffentlicher Protokolle ist es, dass Lobbyisten etwa aus der Bankenbranche versuchen könnten, gezielt Einfluss auf die EZB-Entscheidungen zu nehmen. Zudem könnte der öffentliche Druck auf die Ratsmitglieder aus ihren jeweiligen Mitgliedstaaten zunehmen.

Linktipp: Die Protokolle der EZB-Sitzungen zu veröffentlichen, hält der Herdentrieb-Blog für eine gefährliche Idee: "Man wird in den Sitzungen nur noch Fensterreden halten und alles Wichtige in kleinen Runden ausmachen. Das kann sogar zu weniger Transparenz führen. Zudem bräuchte sich jeder nationale Gouverneur, der nicht eine Haltung vertritt, die den Interessen seines Landes entspricht, in der Heimat nicht mehr sehen lassen."

Politik des lockeren Geldes mindestens bis 2014

Draghi deutete nach der EZB-Sitzung auch an, dass sich am derzeit historisch niedrigen Leitzins von 0,5 Prozent bis 2014 nichts ändern wird. Er werde "für einen längeren Zeitraum auf dem aktuellen Niveau oder darunter liegen", sagte Draghi.

Das werde die schrittweise Erholung der Konjunktur im Rest des Jahres und 2014 stützen, erklärte Draghi. Die Wirtschaft habe sich zuletzt zwar stabilisiert, "allerdings auf niedrigem Niveau". Zudem sei die Inflationsgefahr auch auf mittlere Sicht gering.

Draghi hatte die Märkte Anfang Juli mit einem Bekenntnis zu langfristig niedrigen Zinsen überrascht. Mit dem im Fachjargon "Forward Guidance" genannten Zinsausblick brach er mit der Praxis der EZB, sich nicht vorab geldpolitisch festzulegen. Durch das Bekenntnis will die EZB klarmachen, dass ein Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes anders als in den USA noch in weiter Ferne liegt. Zuletzt war Verwirrung aufgekommen, wie lange sich die EZB wirklich an ein Zinsniveau von 0,5 Prozent oder niedriger binden will.

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