Mehr Lederhose als Laptop:Rauer Wind im Isar-Valley

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Die Realitäten der Weltwirtschaft holen Bayern ein. Jetzt rächt sich, dass Landesvater Stoiber in den vergangenen Jahren vor allem die Informationstechnologie und die Medienbranche päppelte.

Von Manfred Hummel

(SZ vom 19.03.03) - Wer sich die Wahlwerbung der bayerischen Staatsregierung ansieht, der gewinnt den Eindruck, dass Bayern vor wirtschaftlicher Kraft kaum laufen kann. Selbstbewusst präsentiert sich der Freistaat als wachstumsstarke, innovative und zukunftsfähige Alternative zum rot-grünen Durcheinander in Berlin.

Schön ist es in Bayern. Die Wachstumsdynamik lässt allerdings nach. (Foto: Foto: dpa)

Die CSU kleidet ihren permanenten Spagat zwischen Tradition und Fortschritt in die Formel "Laptop und Lederhose". Ob bei Konjunkturdaten, Export, Arbeitslosigkeit, Patentanmeldungen oder Staatsfinanzen, nahezu überall marschiert Bayern im Ländervergleich an der Spitze. Und schön ist es obendrein auch noch zwischen Berchtesgaden und Schloss Neuschwanstein.

Untermauert werden die Erfolge weißblauer Wirtschaftspolitik mit Zahlenkolonnen und kühnen Wachstumskurven aus vergangenen fetten Jahren. Das passt besser in die Wahlwerbung als die Begleiterscheinungen einer stagnierenden Weltwirtschaft, die das Land jetzt plagen.

Sonderprogramme

Aber auch wenn sich Wirtschaftsminister Otto Wiesheu, Edmund Stoibers Aktivposten im Kabinett, mit Sonderprogrammen gegen den Abwärtstrend stemmt, die Realität lässt das Musterland nicht ungeschoren.

Die Arbeitslosigkeit ist um 17 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr überproportional gestiegen; im Bund waren es nur 7,7 Punkte. Allerdings hat Bayern mit einer Quote von 6,4 Prozent (Juni) immer noch die zweitbeste Arbeitsmarktbilanz in Deutschland.

Doch bei der Wirtschaftsdynamik landet der Freistaat in der Rangliste der 16 Bundesländer nur noch auf Platz acht.

Jetzt rächt sich, dass die Regierung Stoiber mit viel Geld besonders die Informationstechnologie und die Medienbranche päppelte. Über vier Milliarden Euro aus dem Verkauf staatseigener Unternehmen und Beteiligungen wurden in Hightech- und Zukunftsoffensiven gesteckt.

Zusammenbruch der New Economy

Dort ist keine neue Nachfrage zu erwarten, der Zusammenbruch der New Economy trifft Bayern besonders hart. Seit der Pleite des Medienunternehmers Leo Kirch und dem Abbau tausender von Arbeitsplätzen bei Mobilfunkfirmen weht ein rauer Wind durchs "Isar Valley", wie die Bayern den Großraum München in Anlehnung an das Silicon Valley oft nannten.

Ein Mann aus den eigenen Reihen, der frühere Parteivorsitzende Theo Waigel, warnt, dass nicht mehr viel Tafelsilber übrig geblieben ist. Weil es sich bei den Offensiven nur um Anschubfinanzierungen handelt, müssen demnächst Gehälter für Wissenschaftler aus dem Haushalt finanziert werden.

Aber die Kassen sind leer. Auch die Lage der Luft- und Raumfahrt ist nicht einfach. Schon Franz Josef Strauß hatte als Ministerpräsident und CSU-Chef auf den Airbus und die Militärtechnik gesetzt. Nicht von ungefähr versucht Wiesheu deshalb, das europäische Satelliten-Navigationssystem Galileo an Land zu ziehen. Dessen Hauptsitz soll nach Ottobrunn bei München kommen - und nicht etwa nach Hof.

Sterbende Altindustrien im Norden und Osten

Während der attraktive Süden die sauberen Industrien anzieht, bleiben der Norden und Osten Bayerns auf den sterbenden Altindustrien sitzen. Ersatz ist schwer zu finden, denn Firmen wie BMW gehen lieber in die neuen Bundesländer, wo Fördergelder locken.

Die Unternehmensberatung McKinsey attestiert Bayern deshalb ein krasses Wirtschaftsgefälle. Als ob das noch nicht genug wäre, steht nun weiteres Ungemach ins Haus. Wegen Zuschauermangels droht das Füssener König-Ludwig-Musical wirtschaftlich zu scheitern.

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