Süddeutsche Zeitung

Online-Händler Amazon: 51 Prozent Umsatzplus:Das vergoldete E-Book

Lesezeit: 2 min

Der Versandhändler Amazon wächst rasant. Bücher machen zwar nur noch einen Teil des Umsatzes aus. Doch der Onlinekonzern profitiert stark von den tektonischen Verschiebungen auf dem Buchmarkt, die er selbst mitverursacht hat. Und ein neues Angriffsziel hat sich Konzernchef Bezos schon ausgesucht.

Jannis Brühl

Das prominenteste Opfer heißt Borders. Nach 40 Jahren hat die amerikaweite Kette von Buchläden vor einer Woche dichtgemacht. Borders zahlt den Preis dafür, jahrelang verschlafen zu haben, dass die Zukunft des Buchhandels im Internet liegt. Und den Preis für den Erfolg des Online-Buchhändlers Amazon. Der legte am Dienstag beeindruckende Quartalszahlen vor - zumindest, was den Umsatz angeht.

Der stieg im zweiten Quartal 2011 um 51 Prozent auf 9,9 Milliarden Dollar (6,8 Milliarden Euro). "Niedrige Preise, eine breitere Auswahl, schnelle Lieferung und Innovationen haben für das rasanteste Wachstum seit mehr als einem Jahrzehnt gesorgt", sagte Konzernchef Jim Bezos, der das Unternehmen 1995 in Seattle gründete. Dass Amazons Gewinn im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um acht Prozent auf 191 Millionen Dollar fiel, macht niemanden nervös. Im Gegenteil: Der Umsatz übertraf die Erwartungen der Analysten, der Aktienkurs stieg nachbörslich um mehr als sechs Prozent.

Amazon ist längst mehr kein Bücherversender mehr, sondern ein Gemischtwarenladen. Mit fast sechs Milliarden Dollar macht das Unternehmen mehr als die Hälfte seines Umsatzes mit Elektronik und anderen Artikeln. Unter seinen zehn erfolgreichsten Produkten des Jahres 2010 in Deutschland finden sich ein Handy, DVDs mit Blockbustern wie Avatar und Twilight - und nur ein einziges Buch: Thilo Sarrazins Aufreger Deutschland schafft sich ab.

Dass Amazons Gewinn zum zweiten Mal in Folge gesunken ist, geht auf hohe Investitionen zurück: Amazon-Chef Jeff Bezos steckt laut New York Times viel Geld in bis zu zehn Hektar große Lagerhäuser in Indiana und Arizona. Hier sollen nicht nur die Artikel des Versandhändlers gelagert werden, sondern auch Computerserver für mehr Speicherplatz stehen. Den braucht Amazon auch für sein neuestes Geschäftsfeld: Cloud-Computing. Der Onlinehändler vermietet Speicherkapazitäten, auf dem Nutzer ihre Daten im Internet ablegen können. So können Kunden etwa auf verschiedenen Mobilgeräten Musik hören, die auf Amazon-Servern gespeichert ist. Härtester Konkurrent in der "Wolke" ist derzeit Apple mit seiner iCloud.

Bezos' Unternehmen ist gleichermaßen Urheber wie Profiteur der tektonischen Verschiebungen auf dem Buchmarkt. Immer mehr Leser bestellen ihren Stoff frei Haus, statt in den Buchladen zu gehen. Amazon dominiert den Versandhandel und das Geschäft mit E-Books. Vor allem in den USA laufen elektronische Bücher den gedruckten langsam den Rang ab.

Nächstes Angriffsziel: Apple

Im April verschickte Amazon erstmals mehr E-Books für das Lesegerät Kindle als gedruckte Bücher. Allein in den ersten fünf Monaten 2011 wurden E-Books für fast 40 Millionen Dollar verkauft - ein Plus von 160 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Mindestens jedes zweite von ihnen kommt von Amazon. Der Kindle ist mittlerweile schon für 114 Dollar zu haben. Er ist der erfolgreichste E-Reader, seine hohen Verkaufszahlen ermöglichen erst die weite Verbreitung von E-Books. Mittlerweile vertreiben auch die Rivalen Apple und Google E-Books in virtuellen Buchläden.

Der Traditions-Buchhändler Borders hingegen hatte erst 2010 einen Online-Buchladen eröffnet - viel zu spät, um noch eine Chance gegen die etablierten Internetverkäufer zu haben. Am Ende fehlte dem Buchhändler das Geld, ein eigenes Gerät zu entwickeln, das dem Kindle Paroli bieten könnte. Das hat Amazons verbliebener großer Konkurrent in der Welt der physischen Bücher getan: Die US-Kette Barnes & Noble hält sich unter anderem dank ihres Readers Nook - und dürfte von der Borders-Pleite mindestens so sehr profitieren wie Amazon: Barnes & Noble wird einen Teil der nun heimatlosen Borders-Kunden aufnehmen. Die Kette hat dieses Jahr keine Dividende ausgezahlt - sie braucht das Geld, um weiter ins E-Book-Geschäft zu investieren.

Doch auch die landesweit größte Buchhandelskette ist für Amazon mittlerweile wohl eine Nummer zu klein. Der Ausbau von Logistik und digitalem Geschäft, der im vergangenen Quartal den Gewinn drückte, und die Ankündigung, im Herbst einen eigenen Tablet-PC herauszubringen, lassen eines vermuten: Amazon will Apple und dessen iPad angreifen. Denn so viele E-Books Amazon auch verkauft: Bei der Präsentation von Filmen und Musik auf mobilen Geräten heißt der Innovator nicht Jeff Bezos, sondern Steve Jobs.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1125119
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.