Mehdorn-Abschiedsbrief:"Politische Kampagne gegen mich"

In einem Abschiedsbrief an alle Bahn-Beschäftigten spricht Harmut Mehdorn von einer Kampagne gegen ihn und attestiert sich eine gute Bilanz seines zehnjährigen Schaffens. Das Dokument im Wortlaut.

30. März 2009

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir haben heute auf unserer Bilanzpressekonferenz für das Jahr 2008 das beste Ergebnis vorgelegt, das die Bahn jemals in ihrer Geschichte erzielt hat. Darauf können wir stolz sein. Denn das haben wir alle zusammen erreicht. Der Vorstand hat deshalb beschlossen, Sie wie geplant am Erfolg für das Geschäftsjahr 2008 zu beteiligen. Wir tun das als Anerkennung für ihre Leistung, obwohl die mit den Arbeitnehmervertretern tarifvertraglich vereinbarten wirtschaftlichen Ziele aus Gründen, für die wir alle nichts können, nicht ganz erreicht wurden.

Wenn ich trotz dieser Erfolgsbilanz heute den Aufsichtsratsvorsitzenden der DB AG gebeten habe, meinen Vertrag aufzulösen, so habe ich das getan, um Schaden vom Unternehmen abzuwenden.

Sie alle wissen um die Vorgänge im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Korruption und anderen Wirtschaftsdelikten wie etwa dem gezielten und systematischen Verrat von Geschäftsgeheimnissen. Der Vorstand und ich waren von Anfang an der Meinung, dass alle Aktivitäten in diesem Zusammenhang aufgeklärt werden müssen.

Meinen Vorstandskollegen und mir war und ist natürlich klar, dass ein Vorstand immer die Gesamtverantwortung dafür trägt, was in einem Unternehmen passiert - ganz gleich, ob er davon gewusst hat oder nicht. Dieser Verantwortung wollte ich mich auch nie entziehen.

Bisher ist bei den Untersuchungen noch keinerlei strafrechtliches Fehlverhalten von Mitarbeitern der DB AG festgestellt worden. Dass bei unserem berechtigten Kampf gegen Wirtschaftskriminalität, die dem Unternehmen in der Vergangenheit großen wirtschaftlichen Schaden zugefügt und auch den Ruf des Konzerns schwer geschädigt hat, die Verhältnismäßigkeit nicht immer gewahrt wurde, haben wir bereits gesagt. Dafür haben wir uns als Vorstand bei Ihnen entschuldigt. Wir haben davon nichts gewusst und sind auch gerade deshalb selber an lückenloser Aufklärung interessiert - viel mehr jedenfalls als manche, die das jetzt öffentlich nahezu im Tagesrhythmus von sich behaupten.

Denn darum, das Untersuchungsergebnis der eingesetzten unabhängigen Ermittler abzuwarten, sich dann ein Urteil zu bilden und daraus dann sowohl inhaltlich als auch personell gegebenenfalls die Konsequenzen zu ziehen, geht es offensichtlich gar nicht mehr. Es geht vielmehr um eine bei manchem auch durchaus persönlich motivierte politische und ideologische Kampagne vor allem gegen mich.

Dabei hat die öffentliche Vorverurteilung eine Dimension erreicht, in der man sich die Frage stellen muss, ob nicht die Grenze des Erträglichen überschritten ist und ob man sich selber und seinem Umfeld das noch länger zumuten will. Vor allem aber muss sich jemand, der Verantwortung für ein Unternehmen mit 230.000 Beschäftigten trägt, die Frage stellen, ob man das dem Unternehmen noch länger zumuten darf.

Wir stehen am Beginn einer sehr schweren Wirtschaftskrise, deren Auswirkungen dieses Land und auch unser Unternehmen noch gar nicht richtig erreicht haben. Ausgerechnet in einer solchen Zeit an der Spitze zu wechseln, ist nicht ganz unproblematisch, dessen bin ich mir durchaus bewusst. Und jeder, der mich kennt, weiß, dass ich jetzt gerne das so erfolgreich neu ausgerichtete Unternehmen und damit auch Ihre Arbeitsplätze sicher durch die Krise steuern würde.

Jeder, der mich kennt, weiß auch, dass ich immer ein Kämpfer für dieses Unternehmen und seine Beschäftigten war. Das bin ich auch heute noch. Aber ich musste für das Unternehmen und mich selber entscheiden, ob gerade in einer solchen Wirtschaftskrise eine wochen- oder monatelange Kampagne gegen mich dem Unternehmen nicht zusätzlich großen Schaden zufügt. Dies will ich uns allen mit meinem Schritt ersparen.

Mir ist um das Unternehmen auch nicht bange. Wir haben es zukunftsfähig gemacht und stehen mit unserem Mobilitäts- und Logistikkonzern national und international so gut da wie kaum ein anderer. Und nach all dem, was wir in den vergangenen zehn Jahren gemeinsam geleistet haben, ist mir schon gar nicht bange. Die unternehmerische Erfolgsgeschichte der aus der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Bundesbahn fusionierten DB AG nach der Wiedervereinigung ist beispiellos in diesem Land. Das hat uns kaum einer zugetraut.

Wenn es in diesem Geist weitergeht, kann der Konzern auch aus dieser Wirtschaftskrise gestärkt hervorgehen, denn die Weichen sind richtig gestellt. Was ich dazu tun kann, auch über eine geordnete Übergabe meines Amtes an einen Nachfolger hinaus, werde ich tun. Denn ich weiß heute, wie viel Wahrheit in einem Spruch steckt, der mir vor allem zu Beginn meiner Amtszeit in den ersten Gesprächen mit manchen von Ihnen so oft begegnet ist: Einmal Eisenbahner, immer Eisenbahner.

Herzlichst

Ihr

Hartmut Mehdorn

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