Medizinische Versorgung:Kleine, aber feine Klientel

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Landärzte profitieren von Privatpatienten, sagen die Versicherer. Sie wollen das jetzt mit einer Reihe von regionalen Untersuchungen belegen.

Von Ilse Schlingensiepen, Köln

Wer im bayerischen Landkreis Schweinfurt einen niedergelassenen Arzt sucht, hat eine deutlich geringere Auswahl als im Landkreis Starnberg oder in München. Denn die Ärzte sind regional sehr unterschiedlich verteilt. Das gilt auch für Privatpatienten. In Schweinfurt sind 7,9 Prozent der Bevölkerung privat krankenversichert, im Kreis Starnberg sind es 24,6 Prozent, in der Stadt München 17,3 Prozent.

Manche Wissenschaftler und Politiker sehen darin einen direkten Zusammenhang. Sie vermuten, dass sich die Ärzte vor allem dort ansiedeln, wo sie mit einer hohen Zahl von Privatpatienten rechnen können, die ihnen höhere Einnahmen bescheren. Die privaten Krankenversicherer (PKV) tragen nach Ansicht ihrer Kritiker dazu bei, dass die Bewohner in ländlichen Regionen bei der gesundheitlichen Versorgung häufig das Nachsehen haben.

Die PKV-Unternehmen halten diesen Vorwurf für falsch und wollen das jetzt mit einer Reihe von regionalen Untersuchungen belegen. Den Auftakt macht ein Regionalatlas für Bayern. Er stützt sich dabei nicht auf die traditionelle Einteilung in Städte und Kreise. Weil in der Gesundheitsversorgung und in anderen Bereichen die Städte ihr Umland mit versorgen, nimmt der Atlas sie zusammen in den Blick. Dadurch verringert sich die Spanne bei der Verteilung der Privatpatienten deutlich - statt 7,9 Prozent bis 24,6 Prozent sind es dann 9,2 Prozent (Region Main-Rhön) bis 17,6 Prozent (Region München).

Noch wichtiger aus Sicht der PKV ist, dass die Ärzte auf dem Land mit der geringeren Zahl von Privatpatienten höhere Gewinne erzielen als ihre Kollegen in den Städten. Der Grund: Die Privatversicherten, die auf dem Land wohnen, sind im Schnitt älter und gehen häufiger zum Arzt. Außerdem haben die Ärzte in den städtischen Ballungszentren höhere Kosten, etwa bei Mieten oder Gehältern.

Der Verband wehrt sich gegen Pläne zur Vereinheitlichung der Vergütungssysteme

Nach den alters- und kostenadjustierten Berechnungen im Regionalatlas kommen bayerische Landärzte auf einen Mehrumsatz durch Privatpatienten von durchschnittlich 65 000 Euro im Jahr, bei den Ärzten in den großen Städten sind es 53 000 Euro. Als Mehrumsatz bezeichnet die PKV den Betrag, den Leistungserbringer zusätzlich erzielen, weil die Privaten höhere Vergütungen zahlen als die gesetzliche Krankenversicherung (GKV).

"Die Privatversicherten tragen damit gerade auch in ländlichen Regionen überproportional zum Fortbestand der Arztpraxen bei", sagt PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther. Der Atlas widerlegt seiner Ansicht nach die These, dass die geringe Zahl von Privatpatienten ein Grund dafür ist, dass sich Ärzte seltener in ländlichen Regionen niederlassen als in Städten.

Reuther sieht in der Untersuchung auch ein Argument gegen Pläne zur Vereinheitlichung der Vergütungssysteme von GKV und PKV, wie sie etwa die SPD verfolgt. Ein solcher Schritt würde - anders als von den Protagonisten erhofft - nicht zu einer besseren Verteilung von Ärzten führen, betont er. "Wer die Mehrumsätze der Privatpatienten streicht, gefährdet die medizinische Versorgung durch niedergelassene Ärzte auf dem Land stärker als in den Städten."

© SZ vom 24.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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