Süddeutsche Zeitung

Medienkonzern:Pro Sieben Sat 1 erwägt Verivox-Übernahme

  • Der Medienkonzern Pro Sieben Sat 1 dürfte demnächst sehr gute Zahlen vorlegen und könnte in den Dax aufsteigen.
  • Der Konzern überlegt, neben Unister auch das Vergleichsportal Verivox zu kaufen.
  • Beobachter sind davon aber nur mäßig überrascht, es dürfte viele Synergien geben.

Von Heinz-Roger Dohms, Hamburg

Wenn der Medienkonzern Pro Sieben Sat 1 in der nächsten Woche Einblick in seine Bilanz gewährt, dann wird Vorstandschef Thomas Ebeling einiges zu verkünden haben. Der Umsatz dürfte deutlich gestiegen sein, der Gewinn ebenfalls. Und der anvisierte Aufstieg in den Dax könnte unmittelbar bevorstehen. Denn an der Börse wird die Fernsehkette nach einer jahrelangen Kursrallye inzwischen mit etwa neun Milliarden Euro bewertet. Bei einem Stichwort allerdings wird Ebeling schmallippig sein - zu möglichen Übernahmen.

Wie zuletzt bereits durchsickerte, interessiert sich Pro Sieben Sat 1 für den Leipziger Internetkonzern Unister, der mit Webportalen wie fluege.de und ab-in-den-urlaub.de zu den Schwergewichten der deutschen Reisebranche zählt. Doch das ist nicht alles. Denn nach Informationen der Süddeutschen Zeitung verhandeln die Münchner parallel über einen Einstieg beim Heidelberger Vergleichsportal Veri-vox. Ob die beiden Übernahmepläne am Ende aufgehen, ist zwar offen. Doch an der Stoßrichtung gibt es keine Zweifel: Pro Sieben will zu einem Schwergewicht im deutschen Internethandel aufsteigen - und lässt sich dies einiges kosten.

Strategisch erscheinen die Pläne schlüssig. Zwar ist Pro Sieben Sat 1 im TV-Geschäft beheimatet. Daneben drängt die Senderkette aber seit Jahren immer wieder ins Internetgeschäft vor. Unter Ebelings Führung hat sich Pro Sieben ein erlesenes Portfolio an kleinen Webportalen zusammengekauft. Dazu gehören die Urlaubsportale weg.de und ferien.de ebenso wie der Leihwagenvergleich billiger-mietwagen.de und Spezialportale wie moebel.de oder wetter.com. Inzwischen dürfte das Digitalgeschäft bereits 20 Prozent am Gesamtumsatz von fast drei Milliarden Euro ausmachen.

Die Synergien zwischen Internet und Fernsehen sind dabei offensichtlich: TV-Sender schaffen es nur selten, ihre Werbeblöcke komplett zu verkaufen. Also lässt Pro Sieben Sat 1, vereinfacht gesagt, in der restlichen Zeit einfach die Reklame der eigenen Internettöchter laufen - was denen einen wichtigen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenzportalen verschafft. So gelangen sie ins Bewusstsein von vielen Menschen. Dieses Spielchen geht so weit, dass Pro Sieben Sat 1 den Einstieg bei manchen Webanbietern nicht in bar bezahlt, sondern in Werbung. "Media for Equity" wird das im Konzern genannt, TV-Zeiten im Gegenzug für Anteile.

Das Interesse an Unister und Verivox ist also nicht so überraschend wie der Preis, den die Münchner dabei zu zahlen bereit sind. Bislang bewegten sich die Internetakquisitionen des Konzerns ausschließlich im ein- bis zweistelligen Millionenbereich. Kleine Portale übernehmen und die dann groß machen - das war die Devise. Unister und Verivox hingegen sind etablierte Unternehmen. "Das hätte für Pro Sieben eine ganze neue Dimension", sagt Stefan Wimmer, Medienanalyst bei der Privatbank Metzler.

Den Internettöchtern verschafft die Senderkette einen Vorteil - mit Werbung im Fernsehen

Für den zum Verkauf stehenden Reisebereich von Unister kursierten zuletzt Bewertungen von 700 bis 900 Millionen Euro. Auch wenn diese Summen übertrieben anmuten, zum Schnäppchenpreis dürfte Pro Sieben den Urlaubsvermittler nicht bekommen. Das gilt umso mehr für Verivox. Das Heidelberger Unternehmen, bekannt für seine Strompreisvergleiche, inszeniert sich öffentlich zwar gern als Verbraucherportal, aber wie jedes Vergleichsportal kassiert auch Verivox satte Provisionen, wenn ein Kunde über das Portal seinen Anbieter wechselt. Angesichts von mehreren Hunderttausend vermittelten Stromverträgen jährlich ein einträgliches Geschäft.

Hinter Verivox steht der britische Finanzinvestor Oakley, unter dessen Führung das einstige Start-up in den vergangenen beiden Jahren zu einem regelrechten Vergleichskonzern herangewachsen ist. So kaufte Verivox zum einen die Holtzbrinck-Tochter toptarif.de und zum anderen von der HUK Coburg das Versicherungsportal transparo.de. Von Strom über Tagesgeld und Hauskredite bis hin zu Kfz-Policen vermittelt Verivox inzwischen fast alles. Der jüngste ausgewiesene Umsatz der Verivox GmbH stammt von 2012. Damals lagen die Erlöse bei knapp 40 Millionen Euro. Inzwischen sollen es etwa 60 Millionen Euro sein, heißt es in Finanzkreisen. Laut Branchenkennern wäre für Verivox ein Kaufpreis von bis zu 300 Millionen Euro fällig.

Will Pro Sieben tatsächlich beide, also Unister und Verivox? Oder will der Medienkonzern die beiden Kandidaten gegeneinander ausspielen, um den Preis zu drücken? Aus München gibt es dazu keinen Kommentar. Auch Unister und Verivox äußern sich nicht. Branchenbeobachter Wimmer verweist bei der Frage auf die ehrgeizigen Wachstumspläne, die sich Pro Sieben im Digitalgeschäft gesetzt hat. So soll der Umsatz bis 2018, verglichen mit den Zahlen von 2012, um 600 Millionen Euro zulegen. "Ohne größere Zukäufe ist das kaum zu schaffen", sagt Wimmer.

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SZ vom 19.02.2015
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