Süddeutsche Zeitung

Medienkonzentration in Deutschland:Das große Rennen

Die digitale Revolution und liberalisierte Gesetze treiben die Konzentration in dem Wirtschaftszweig an.

Hans-Jürgen Jakobs

Jeden Sommer treffen sich die Großen der Medienwelt in den Bergen von Idaho in den Vereinigten Staaten. Hier, in Sun Valley, reden sie seit den achtziger Jahren über ihre Firmen, die Märkte, die Zukunft. Der New Yorker Investmentbanker Herbert Allen organisiert die Zusammenkunft, und zu seinen Grundüberzeugungen gehört, dass in dem edlen Camp der Gewaltigen mindestens ein Deal entstehen muss.

In diesem Jahr freilich stand eher im Mittelpunkt, dass sich Eric Schmidt, Chef der Internet-Vorzeigefirma Google, in einer Pressekonferenz vehement gegen den Medienkonzern Viacom wehrte, dem die Sender MTV und Nickelodeon sowie die Filmfirma Paramount gehören. Google achte die Gesetze, sagte Schmidt und verwies darauf, dass der Erfolg von Viacom auf gewonnenen Prozessen beruhe: ,,Schauen Sie sich die Geschichte an!''

Das wiederum dementierte Viacom-Eigentümer Sumner Redstone prompt in Sun Valley: ,,Ich genieße keine Schlacht.'' Redstone hat den Konzern Google auf Schadensersatz in Höhe von einer Milliarde Dollar verklagt, weil dessen Tochter YouTube auf ihrem Videoportal ständig Filme ohne urheberrechtliche Genehmigung zeige.

Der Zwist zwischen dem Internet-Champion und dem klassischen Medienmulti zeigt die Schärfe im Kampf um die Macht in diesem wichtigen Markt. Wer hat in der digitalen Welt die Nase vorn? Sind es technologiegetriebene Firmen wie Google, deren ökonomische Zauberkraft dem komplizierten Algorithmus einer leistungsstarken Suchmaschine entweicht? Oder halten sich die Anbieter von Presseprodukten, Büchern, Fernsehsendungen, Musikalben und Spielfilmen ganz oben, also Firmen, die inzwischen als ,,Content-Häuser'' bezeichnet werden, weil sie die Inhalte besitzen? Oder siegen vielmehr jene Mitspieler, die die Medieninhalte in die Haushalte bringen, also Kabel- und Satellitenunternehmen?

Fast jeden Monat dringen neue Gerüchte aus Hotelkonferenzräumen, Anwaltskanzleien und Firmenbüros an die Öffentlichkeit. Mal verbindet sich Thomson Financial mit Reuters, dann wieder redet Microsoft mit Yahoo. Wie im Kaufrausch suchen die Kombattanten ihren Vorteil. Einmal klassifizierte das Wirtschaftsblatt Economist ein solches Gefecht als ,,königliche Schlacht''. Und Google, der Neuling aus dem Silicon Valley, ist mit seinen jährlichen Milliardengewinnen prominent beteiligt.

Sicher ist, dass die Medienbranche seit Ende der achtziger Jahre eine beispiellose Konzentration erlebt. Damals war für kurze Zeit sogar ein deutsches Unternehmen Weltmarktführer, die Bertelsmann AG aus Gütersloh. Sie hatte für viel Geld Buch- und Musikfirmen in den USA gekauft. Nur solche Geschäfte sichern die Pole-Position. In der Folgezeit aber schlossen US-Konzerne große Deals ab, allen voran die Unternehmen Time und Warner, die 1989 zur Nummer eins verschmolzen. Mitte der neunziger Jahre liberalisierte die US-Regierung ihre bis dahin strikten Mediengesetze - bis auf das Verbot für Ausländer, TV-Sender zu kaufen. Das löste etliche Übernahmen und Fusionen aus, zumal die Investmentbanken das Feld der Medien entdeckt hatten. Die digitale Revolution tat ihr Übriges.

2001 schien der Riese Time Warner uneinholbar enteilt, nachdem er sich mit der Online-Firma AOL verband. Das schien das richtige Konzept zu sein und die viel beschworene ,,vertikale Integration'' erst perfekt zu machen. Doch der umjubelte Anbieter AOL war an der Börse überbewertet; erst in diesem Jahr trug AOL nennenswert zum Konzernergebnis bei. Diese Krise dient vielen als Zeichen, vor jener digitalen Euphorie zu warnen, die auch derzeit zu beobachten ist.

Symbole aus Hollywood

Gleichwohl: Time Warner hielt sich auf Rang eins, gefolgt von Bertelsmann und US-Giganten wie Disney, Viacom/CBS und der News Corp des Tycoons Rupert Murdoch, der wie kein anderer mit seinen Angriffen die Medienlandschaft umgepflügt hat. Der Verlegersohn aus Australien eroberte erst den britischen Markt, dann die USA und plant nun weitere Vorstöße in Asien sowie im Internet. Murdoch ist das Gesicht einer skrupellosen Medienglobalisierung, die auch politische Macht einsetzt. Sein südeuropäischer Bruder im Geiste heißt Silvio Berlusconi, der Besitzer des italienischen Privat-TV-Monopolisten, der zum Ministerpräsidenten wurde.

Lingua franca der Medienkonzentration ist Englisch. Viele ihrer Symbole stammen aus Hollywood. Alle wichtigen Filmstudios dort gehören zu großen Konzernen, die die melodramatischen Stoffe gerne in einer großen ,,Wertschöpfungskette'' - noch ein beliebtes Beraterwort - ausbeuten. So griff sich Viacom auch das unabhängige Studio Dreamworks, das Steven Spielberg aufgebaut hatte.

Die Deutschen sind in diesem Rennen nur Nachläufer. Die Gütersloher Bertelsmann-Mannschaft liegt heute gemäß Berechnungen des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik in der Hitparade der großen Medienbetriebe auf Rang sechs. Längst vergessen sind die Pläne des ehemaligen Vorstandschefs Thomas Middelhoff, New York zum Quasi-Hauptsitz zu machen und den US-Markt aufzumischen. Immerhin sind die Ostwestfalen noch die Größten in Europa, nachdem der Pariser Konkurrent Vivendi sich zu viele Akquisitionen zugemutet hatte und sanieren musste.

Was die Medienkonzentration für die Meinungsvielfalt bedeutet, darüber streiten die Experten. Vieles spricht dafür, dass Themen in einigen Zentralen vorgedacht, vorformuliert werden. Optimistischer ist dagegen der Münchner Verleger Hubert Burda (Bunte, Focus), der auf die vielen Autoren im Internet setzt: ,,Tausende oftmals hervorragende Blogger bringen völlig neue Sichtweisen auf die Themen. Auch auf Wahlen nimmt diese neue Netzöffentlichkeit Einfluss.''

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Quelle:
SZ vom 1.8.2007
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