Medien:Dominik Graf über den Kini und Themen-Fernsehen

München (dpa) - Orte sind für den Regisseur Dominik Graf mehr als nur Schauplätze eines Films. Sie spielen eine wichtige Rolle, so auch im Krimi "Die reichen Leichen", zu sehen am Samstag (18. Oktober/20.15) um 20.15 Uhr im Bayerischen Fernsehen.

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München (dpa) - Orte sind für den Regisseur Dominik Graf mehr als nur Schauplätze eines Films. Sie spielen eine wichtige Rolle, so auch im Krimi "Die reichen Leichen", zu sehen am Samstag (18. Oktober/20.15) um 20.15 Uhr im Bayerischen Fernsehen.

Im Mittelpunkt: Millionäre, König Ludwig II. und der Starnberger See. Gerne hätten Graf und sein Drehbuchautor Sathyan Ramesh noch mehr Verbrechergeschichten aus dieser Region erzählt, doch im Bayerischen Fernsehen läuft die Heimatkrimireihe mit ihrem Film aus. "Ich fand das so, als hätte einer bei voller Fahrt die Handbremse gezogen", sagte Graf im Interview der Nachrichtenagentur dpa in München. Und Ramesh pflichtet bei: "Wir hätten schon einige Kapitalfälle auf Lager gehabt."

Frage: Wie kamen Sie auf die Idee, einen Krimi rund um den Tod von König Ludwig II. zu schreiben?

Sathyan Ramesh: "Der Kini treibt im See", das war tatsächlich der erste Satz, der im Entwurf einer ersten Idee sofort da stand. Das ist aber der Tatsache geschuldet, dass ich Starnberg mit Klischees verbunden habe. Als ich diesen Satz schrieb, war ich noch nie in Starnberg gewesen. Ich habe das dann alles nachgeholt. Im Zuge meiner Recherchen haben mich dann die Ludwig-Experten sehr interessiert. Diese Hingabe zu einem seit über 100 Jahren Verstorbenen, diese Liebe, das hat mich sehr angerührt.

Dominik Graf: Als wir bei der Motivbesichtigung rund um das Ludwig-Denkmal am Starnberger See waren, hat uns ein Ortskundiger angesprochen, der auf dem Weg zu seinem Fischersteg war. Wir haben gesagt, wir drehen einen Film über das Kriminalkommissariat Starnberg, und da kommt auch der Ludwig vor. Da fing der Mann an, uns aus dem Stegreif 20 Minuten lang seine Theorie des Mordes an Ludwig zu erklären. Das ist mir auch als Münchner in 60 Jahren nicht passiert. Da merkte ich, dass die Ludwig-Liebhaber und die Ludwig-Forscher, die zum Großteil Amateure sind, mit einer unglaublichen Leidenschaft aktiv sind, wie es mir noch gar nicht bewusst war.

Frage: Im Film machen sie sich über diese Leidenschaft nicht lustig, sondern respektieren sie.

Graf: Weil uns das so beeindruckt. Es rührt uns, diese Hingabe.

Frage: Hätte es Sie denn nicht auch gereizt, aus diesen vielen Geschichten ein historisches Stück über den Märchenkönig zu drehen?

Graf: Ob ich mich nach all den Ludwig-Filmen noch mal an das Thema insgesamt wagen würde, weiß ich nicht. Als Seitengeschichte in einem Film, der sich topographisch mit Starnberg beschäftigt, fand ich das sehr ergiebig und spannend. Ich glaube überhaupt, dass man diese historischen und zeitgeschichtlichen Themen, an denen sich deutsches TV abarbeitet, im Nebenast einer Genregeschichte fast radikaler, schneller und direkter abhandeln kann, als wenn man gleich einen Themenfilm drumherum machen würde.

Frage: Warum nicht?

Graf: Man muss auf tausende Leute Rücksicht nehmen, man muss politisch korrekt sein und hinterher gibt es eine Talkrunde mit Anne Will. Das ist nicht meine Welt. Film ist was anderes. Das Oktoberfest-Attentat als "Tatort", mit dunklen Linien bis in die Jetzt-Zeit - das wär's.

Ramesh: Es gibt ein Genre, das nenne ich Krankheit der Woche. Wenn Fernsehfilme versuchen, sich gesellschaftlich relevanten Themen zu nähern, hat man immer das Gefühl, jetzt wird ein Thema geschildert, aber nicht eine Geschichte erzählt.

Graf: Wenn einer dieser Filme gut wird, wird er nicht wegen des zweifellos relevanten Themas gut, sondern trotzdem. Das Übliche ist, dass solche Filme in gewisser Weise ok sind, aber filmisch k.o. gehen.

Frage: Ihr Film bildet den Abschluss der Heimatkrimi-Reihe im Bayerischen Fernsehen. Wie finden Sie diesen Entschluss, die Reihe in dieser Form nicht mehr fortzuführen?

Graf: Das hat uns auch überrascht. Ich fand das so, als hätte einer bei voller Fahrt die Handbremse gezogen.

Ramesh: Wir haben uns die drei Polizisten, die da ermitteln, schon in den nächsten Fällen und auch mit privaten Entwicklungen vorgestellt. Wir haben es so geschrieben und besetzt, dass man noch viel mit ihnen erzählen kann.

Frage: Was für Ideen waren das?

Graf: Zum Beispiel die Aufdeckung, wer bei der Polizei der Ludist ist. Wir hatten ein sehr eindrucksvolles, langes Gespräch mit dem damaligen Chef der Starnberger Polizei, was da noch alles möglich wäre in diesem Klein-München am Nordufer des Sees. Wir hätten schon einige Kapitalfälle auf Lager gehabt.

Ramesh: Menschen wie du und ich treffen da auf Millionäre, die aber eben auch eine Sehnsucht haben, eine Eleganz, eine Schlagfertigkeit. Was da an Atmosphären und Milieus aufeinander prallt in Starnberg, das ist schon sehr beeindruckend, gerade für jemanden, der völlig fremd dorthin kommt.

ZUR PERSON: Dominik Graf zählt zu den profiliertesten deutschen Regisseuren und bekam schon viele Preise. Zu seinen Werken zählen "Tatorte" wie "Der rote Kakadu" und "Frau Bu lacht" oder der Mafia-Zehnteiler "Im Angesicht des Verbrechens". Sein Historienfilm "Die geliebten Schwestern" ist deutscher Beitrag für die Oscars 2015. Mit der Oscar-Preisträgerin Caroline Link lebt Graf in München.

Der Autor und Regisseur Sathyan Ramesh lebt in Köln und wurde schon mehrfach für den Grimme-Preis nominiert. Er schrieb Drehbücher für Filme wie "Mr. & Mrs. Right" oder "Göttliche Funken" und für Episoden von "Türkisch für Anfänger". 2007 führte das Hamburger Thalia Theater sein Schauspiel "Die ganzen Wahrheiten" auf. Außerdem inszenierte er die Filme "Schöne Frauen" und "Letzter Moment".

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