Medien:Bertelsmann lässt sich mit Heuschrecke ein

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Bertelsmann verkauft die Mehrheit an seiner letzten Musikfirma, die auch Rechte an Gruppen wie A-ha besitzt. Finanzhai KKR steigt ein.

Martin Hesse und Hans-Jürgen Jakobs

Gerade einmal neun Monate ist es her, da verkaufte der Bertelsmann-Konzern seine Bertelsmann Music Group (BMG) ganz an den langjährigen Partner Sony. Musikkonzerne, so lautete das Credo damals, hätten im Zeitalter von Internet-Downloads und kostenlosen Plattformen ausgedient.

BMG Rights Management drängt auf den Markt mit dem Handel von Musikrechten. Titel der Gruppe A-ha, hier Sänger Morten Harket, gehören bereits zum Bestand. (Foto: Foto: dpa)

Zuvor schon hatten die Gütersloher den eigenen Musikverlag BMG Music Publishing mit den Rechten an Songs dem Unternehmen Vivendi/Universal verkauft - sie brauchten Geld. Nach einem teuren Rückkauf der eigenen Aktien drücken mehr als sechs Milliarden Euro Schulden auf die Bilanz. Es gibt Bertelsmann-Kenner, die davor warnen, dass die Eigentümerin Liz Mohn den Weg von Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz nehmen könnte.

Tanz mit der Heuschrecke

Jetzt wagt das Gütersloher Medienunternehmen die Rückkehr ins Musikgeschäft - durch einen Deal mit einer bekannten Finanzfirma, die als "Heuschrecke" gilt.

Bei der Trennung von Sony BMG hatte sich der Medienkonzern immerhin einen umfangreichen Bestand an Musikrechten gesichert. Dazu gehörten mehrere tausend Songtitel, die in mehr als 200 Katalogen zusammengefasst waren.

BMG Rights Management, so der Name der Bertelsmann-Tochter, wurde seitdem heimlich aufgehübscht. Das Unternehmen hat Verträge mit prominenten Musikern abgeschlossen, darunter mit Nena, Sasha, dem Berliner Kultsänger Peter Fox und auch internationalen Pop-Größen wie die norwegische Band A-ha.

Die Lust auf Musik ist Bertelsmann also nicht vergangen. Nun will der Bertelsmann-Konzern diese Sparte, von der er sich einst aus finanziellen Gründen losgesagt hat, deutlich stärken - auch wenn kein eigenes Geld vorhanden ist. Zusammen mit dem US-Finanzinvestor KKR - der seinen Ruf als "Heuschrecke" bei Pro Sieben Sat 1 redlich begründet hat - gründeten die Gütersloher ein Joint Venture für Musikrechte-Management.

49 Prozent daran wird Bertelsmann selbst halten, verliert also die Mehrheit. Auch wenn der Konzern mit Hartwig Masuch weiterhin den Chef stellt - die Gütersloher sind nur noch Juniorpartner, weil ihnen für Investitionen das Geld fehlt.

Das soll von KKR kommen. Die Finanzfirma - ausgeschrieben: Kohlberg Kravis Roberts - wird 51 Prozent halten und steckt dafür zunächst 250 Millionen Euro in das Projekt. Doch das dürfte nicht alles bleiben. Für Übernahmen könnte der Investor bis zu 500 Millionen Euro zusätzlich an Fremdkapital aufbringen.

Deutlich gefallene Preise

Zukaufen wollen die beiden Teilhaber auch. "Die Partner planen, mittels organischen Wachstums und Akquisitionen mittelfristig einen führenden Musikrechtevermarkter aufzubauen", heißt es in einer Erklärung von Bertelsmann. Auch in Finanzkreisen ist zu hören, BMG wolle organisch wachsen, also Rechtebibliotheken kaufen, aber auch eine größere Übernahme sei denkbar.

Helfen dürften dem neuen Unternehmen, dass die Preise für Musikrechte in den vergangenen Jahren deutlich gefallen sind. Bertelsmann selbst und auch die beiden größten Wettbewerber Vivendi und Sony sind knapp bei Kasse. Das Joint-Venture mit KKR spielt neues Geld in die Kassen - doch maßgeblich ist nicht Bertelsmann, sondern ein Finanzinvestor. Das ist insofern pikant, weil Liz Mohn ja 4,5 Milliarden Euro ausgab, damit der einstige Teilhaber Albert Frère seine Aktien nicht an der Börse platzieren konnte. Solches Finanzkapital wollte der Familienbetrieb nicht haben.

Nun wird in Medienberichten, sicherlich aus gutem Grund, spekuliert, die kleine Bertelsmann-Musikeinheit erwäge den Kauf des Archivs des Musikkonzerns EMI. Auch um den Rechtekatalog an den Titeln des verstorbenen Popsängers Michael Jackson könnte BMG bieten. Jacksons Firma Mijack Music ist allerdings nur 50-Prozent-Partner bei Sony ATV - und die Japaner haben ein Vorkaufsrecht.

Womöglich gibt es in Gütersloh in dieser Frage mehr Wunschdenken als Realitätssinn.

Erstaunlich ist die Volte im Musikgeschäft schon. Immerhin war damals, als sich Bertelsmann komplett vom Rechtegeschäft trennte, auch KKR unter den Bietern. Nun gilt der Vivendi-Konzern selbst als angeschlagen. Das BMG-Rechtegeschäft der Deutschen, für das der Konzern aus Paris einst 1,64 Milliarden Euro ausgab, dürfte heute nur noch die Hälfte wert sein.

Allerdings könnte Vivendi leicht das machen, was die Deutschen vorexerzieren: die Mehrheit an einen Investor verkaufen. Dann könnte Vivendi selbst auf Beutejagd gehen.

Den deutschen Deal hat für KKR der Manager Philip Freise eingefädelt. Er war früher selbst bei Bertelsmann, jetzt steuert er für KKR die Medienbeteiligungen. Freise sitzt unter anderem im Aufsichtsrat von Pro Sieben Sat 1. Die Sendergruppe, die KKR gemeinsam mit Permira übernommen hat, steckt in einer Dauerkrise. In Finanzkreisen wird spekuliert, die Gläubiger des hochverschuldeten Medienkonzerns könnten KKR und Permira aus der Eigentümerrolle drängen.

Das Joint Venture von KKR mit Juniorpartner Bertelsmann - faktisch also die Übernahme einer Musikrechtefirma - ist ein Beispiel dafür, wie Finanzinvestoren versuchen, ihre eigene Krise zu bewältigen. Da die Firmenkäufer für große Übernahmen kaum noch Kredite von den Banken bekommen, funktioniert ihr altes Geschäftsmodell derzeit nicht. Über Partnerschaften mit noch gut beleumundeten Firmen wie Bertelsmann könnte es dagegen eher gelingen, für Übernahmen Geld lockerzumachen.

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