Media Markt und Saturn:Ich bin doch nicht blöd - oder?

Media-Saturn war ein Erfolgskonzern, berühmt wegen seiner aggressiven Reklamesprüche - doch jetzt gerät das Geschäftsmodell ins Wanken. Die starke Online-Konkurrenz wurde viel zu lange ignoriert, nun brechen Machtkämpfe aus.

Uwe Ritzer und Stefan Weber

"Keiner schlägt die Nummer eins." Bei Media Markt mögen sie Superlative, größer, besser, billiger - oder anspruchslose Werbesprüche wie "Ich bin doch nicht blöd".

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Media-Markt-Filiale in München: Wie fit ist das Unternehmen?

(Foto: dpa)

Blöd nur, dass die Realität heute anders aussieht, ganz anders. Eine rasante Erfolgsgeschichte ist abgebrochen, der Sturz vom Sockel ist spektakulär. Wenn Metro, der drittgrößte Handelskonzern der Welt, an diesem Dienstag über seine Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr berichtet und die Umsatzprognose korrigieren muss, ist ausgerechnet Media-Saturn das Aschenputtel. Keine Tochter der Düsseldorfer hat mehr Umsatz und Ergebnis eingebüßt als die Elektronikkette. Kaufhof nicht. Der Supermarktbetreiber Real nicht. Und auch die Großhandelsmärkte nicht.

Das lässt sich schon jetzt sicher sagen, weil Media-Saturn bereits in der vergangenen Woche wichtige Eckdaten veröffentlicht hat. Was besonders bitter ist für den Zahlenfreak und Metro-Chef Eckhard Cordes, 60: Media-Saturn hat im zweiten Quartal sogar einen Betriebsverlust von 44 Millionen Euro erwirtschaftet - das gab es noch nie.

Lange wärmte die Erfolgsstory von Media-Saturn die Metro-Bilanz, waren die Computer- und Fernsehgeräte-Verkäufer aus Ingolstadt der Wachstumstreiber im Cordes-Reich. In halb Europa dominierten die roten und orangenen Märkte. Der Umsatz wuchs auf inzwischen 20 Milliarden Euro - mehr als mancher Dax-Konzern auf die Waage bringt. Und jetzt: Minuszeichen überall.

Mancher Beobachter mutmaßt allerdings, dass die schlechten Zahlen dem Metro-Management nicht ganz ungelegen kommen. Liefern sie doch aus Sicht des Großaktionärs den Beweis, dass vieles im Argen liegt bei Media-Saturn. Cordes und sein Team beteuern, dass sie oft genug Veränderungen angemahnt hätten. Aber die Gründer und Altgesellschafter, allen voran Erich Kellerhals, der mit etwa 22 Prozent beteiligt ist, hätten alles gebremst, wenig geändert, überhaupt nicht auf die so erfolgreiche Konkurrenz des Onlinehändlers Amazon reagiert.

In anderen Unternehmen wäre dies ohne Belang. Wenn ein Aktionär wie Metro 75 Prozent der Anteile hält, bestimmt er den Kurs. Nicht so bei Media-Saturn. Da haben sich die Altgesellschafter vor vielen Jahren ein weitgehendes Vetorecht zusichern lassen. Die Frage, ob diese Sperrminorität noch immer gilt, beschäftigt derzeit das Landgericht Ingolstadt. Das Einfachste wäre, die beiden Kontrahenten würden sich an einen Tisch setzen und miteinander reden. "Wir sind gesprächsbereit", behauptet jeder der Kontrahenten.

Nur ist es so, dass niemand auf den anderen zugeht. Es herrscht Funkstille. Seit Monaten.

Für ein Gespräch auf Augenhöhe sind die Trümpfe allerdings auch zu einseitig verteilt. Sie liegen klar auf der Seite von Erich Kellerhals. So, wie die Dinge stehen, wird das Landgericht Ingolstadt sein Vetorecht vermutlich bestätigen. Das würde die Macht des 71-Jährigen festigen. Cordes bliebe dann nur die vage Hoffnung auf die folgenden Gerichtsinstanzen. Eine außergerichtliche Lösung wäre zwar sinnvoll für das Unternehmen, doch ein Anruf von Cordes sicher zwecklos. Denn Kellerhals ist nicht nur beleidigt. Er weiß auch, dass er juristisch Oberwasser hat. Warum also nachgeben und verhandeln?

"Billiger geht so" stimmt nicht immer

Wer den Kampf um die Macht bei Media-Saturn verstehen will, muss genau hinschauen und zuhören. Vergangene Woche etwa, als die Elektronik-Kette in einer schlichten Lagerhalle in Aschaffenburg eine neue Online-Strategie verkündete. Der Schauplatz hatte Symbolcharakter: Geografisch fast genau zwischen den beiden Firmensitzen Düsseldorf und Ingolstadt gelegen. Und dann auch noch in der zentralen Versandhalle von Redcoon, dem Internethändler, den Media-Saturn gerade gekauft hat und der das Unternehmen endlich ins Online-Zeitalter katapultieren soll. Spät, aber gerade noch rechtzeitig, wenn alles gutgeht.

Was sich auf dem eigens aufgebauten Podium zwischen Paletten voller versandfertiger Fernseher abspielte, sollte die Kräfteverhältnisse bei dem Elektronikhändler klarmachen: Durch das Programm führte der Metro-Kommunikationschef, nicht sein Pendant von Media-Saturn. Zur Einführung sprach Metro-Finanzvorstand Olaf Koch. Anschließend ergriff nicht etwa Media-Saturn-Chef Horst Norberg das Wort, um die künftige Strategie im Detail zu erläutern, sondern es redete dessen Vize Rolf Hagemann, der auch Finanzchef ist. Er gilt nicht nur in Ingolstadt als Abgesandter von Metro aus Düsseldorf.

Erich Kellerhals sei über die Metro-Show auf der Media-Saturn-Bühne erbost gewesen, heißt es aus seinem Umfeld. Geärgert habe ihn vor allem, dass in Aschaffenburg ständig von Fehlern und jahrelangen Versäumnissen bei Media-Saturn die Rede gewesen sei. Genüsslich hatten die Akteure auf dem Podium bei Redcoon vorgerechnet, dass das Betriebsergebnis bei Media-Saturn seit etwa fünf Jahren bei rund 600 Millionen Euro stagniert, während die Umsätze gleichzeitig stark gestiegen sind. Diese vermeintliche Selbstkritik sei in Wirklichkeit ein Affront gegen ihn, soll Kellerhals getobt haben.

Aber es hilft ja nichts: Das Geschäftsmodell, das Media-Saturn groß gemacht hat, funktioniert nicht mehr. Es setzt auf Eigenverantwortung der jeweiligen Marktgeschäftsführer. Sie sind nicht nur mit zehn Prozent an ihren Läden beteiligt. Sie reden auch mit bei der Einkaufs-, Preis- und Markenpolitik. Inzwischen wissen aber viele Verbraucher, dass es nicht immer richtig ist, wenn der Marktführer behauptet: "Billiger geht so." Die durchschnittlichen Preise in den Märkten liegen deutlich über denen von Onlinehändlern. Manchmal sind sogar andere Ladenbetreiber billiger.

Media-Saturn musste reagieren und verkauft seit einigen Wochen viele Produkte billiger - zu Lasten des Gewinns. Um das auf Dauer zu finanzieren, muss nun gespart werden, Stellenstreichungen inklusive. In diesem Jahr sollen 3000 der insgesamt 70.000 Arbeitsplätze wegfallen. Media-Saturn ist angezählt.

Die Oberchefs von Metro wissen, dass der Zeitpunkt noch nie so günstig war, um bei der Tochter mehr Einfluss zu gewinnen. Nur zu gern würde der Großaktionär auch beim Aufbau des Internetgeschäfts noch mehr aufs Tempo drücken. Etwa durch den Kauf von weiteren Online-Händlern. Doch Kellerhals sieht keine Eile. Nach SZ-Informationen hat er bei zwei Akquisitionen, über die in weiten Teilen schon Einvernehmen bestand, sein Veto eingelegt. Erst einmal solle man mit den bestehenden Einheiten weiterarbeiten, als neue hinzuzukaufen, soll Kellerhals erklärt haben. Cordes hingegen fühlt sich einmal mehr blockiert.

Wenn es aber schon bei diesen Themen keine Einigkeit gibt, wie soll dann das Fernziel von Metro jemals Zustimmung im Eigentümerkreis finden - Media-Saturn an die Börse zu bringen?

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