Media Markt startet Online-Geschäft:Die Aufholjagd beginnt
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Viel zu spät hat die Media-Saturn-Gruppe erkannt, dass sich im Internet gutes Geld verdienen lässt. Am Montag steigt Media Markt ins Online-Geschäft ein. Das könnte den Elektronik-Handel kräftig durcheinanderwirbeln.
Stefan Weber
Den 15. Dezember 2011 werden die Mitarbeiter bei Redcoon in Aschaffenburg nicht so schnell vergessen. Nie zuvor in der Geschichte des Online-Anbieters von Elektronikartikeln hatten sie so viel Ware verpacken und versenden müssen, wie an diesem Donnerstag vor dem dritten Advent. Am Abend freute sich Geschäftsführer Reiner Heckel über einen Tagesumsatz von drei Millionen Euro. Solche Zahlen lassen auch die Augen der Manager von Media Saturn leuchten. Denn der größte europäische Elektronikhändler ist seit Frühjahr vergangenen Jahres mit 90 Prozent an der Redcoon-Gruppe beteiligt. Die gute Entwicklung bei den Aschaffenburgern, die nur über das Netz verkaufen, macht den Media-Saturn-Strategen Mut für die eigenen Aktivitäten im Internethandel.
Hohe Erwartungen
An diesem Montag startet Media Markt nun seinen eigenen Onlineverkauf - zunächst mit einem Basissortiment von etwa 2500 Artikeln. Die Schwestermarke Saturn verkauft seit Oktober 2011 über das Web, Umsatzzahlen sind noch nicht bekannt. Internet-Besteller haben die Wahl: Sie können die Ware in den Saturn- oder Media-Markt-Läden abholen oder sich zuschicken lassen. Zusammen mit Redcoon und weiteren reinen Internetverkäufern, mit denen sich Media Saturn möglicherweise verstärken wird, hat der Elektronikhändler im E-Commerce große Pläne. In vier Jahren will er bis zu fünf Milliarden Euro über Online-Verkäufe erlösen.
Dass die Manager in der Ingolstädter Zentrale so aufs Tempo drücken, hat seinen Grund. Der Marktführer ist spät dran im Internetgeschäft. Zu lange hatte Media Saturn darauf vertraut, dass die Kunden in den Geschäften kaufen - und dabei unterschätzt, welchen Umsatz Online-Shops den Läden wegnehmen.
Erst als die Erlösprobleme nicht mehr kleinzureden waren und der Metro-Konzern als Haupteigentümer verstärkt Druck machte, forcierte Media Saturn seine Online-Pläne. Das größte Problem, das die Strategen in der Zentrale dabei zu lösen hatten, war die Einbindung der stationären Händler. Denn die Geschäftsführer vor Ort sind an ihren Märkten beteiligt und wollten nicht zusehen, wie ein Webshop ihnen Geschäft wegschnappt.
Auch fürchteten sie, dass sie ihre Preise künftig nicht mehr individuell am lokalen Wettbewerb ausrichten können, wenn ein Internet-Anbieter bundesweit gültige Konditionen aufrufen würde. Inzwischen ist eine Lösung gefunden: Die Läden vor Ort werden nach einem Schlüssel an Online-Erlösen beteiligt.
Mit dem Eintritt der Nummer eins im stationären Geschäft in den Online-Verkauf werden sich die Gewichte im Handel mit Fernsehern, Kameras und Computertechnik gewaltig verschieben. Zwar sorgen eine noch gute Konsumstimmung und neue Produkte wie Tablet-PC dafür, dass der Markt voraussichtlich weiter wächst. Aber davon werden nicht alle Anbieter profitieren.
"Online-Tsunami für den stationären Handel kommt erst noch"
Die Entwicklung in den USA und in Großbritannien zeigt, dass die Online-Verkäufe deutlich zunehmen, wenn ein entsprechendes Angebot im Netz verfügbar ist. Und das ist spätestens jetzt mit dem Markteintritt des Branchenführers auch in Deutschland der Fall. Das wird die Märkte vor Ort in Schwierigkeiten bringen. "Der Online-Tsunami für den stationären Handel kommt erst noch", prognostiziert Just Schürmann, Partner der Boston Consulting Group. Wie rasch sich die Nachfrage verschieben kann, haben die Händler bei Tonträgern gesehen: Seit es Musik im Internet zu kaufen gibt, haben CDs als Lockvögel und Kassenschlager in den Märkten stark an Bedeutung verloren.
Alle Ladenbetreiber, auch Media Saturn mit vielen hundert Geschäften, stehen nach Überzeugung von Marktkennern vor einem Umbruch. Dabei werde es wohl auch zu Schließungen kommen. Die zunehmende Lust der Kunden, im Internet einzukaufen, zwingt die Händler dazu, ihre Sortimente neu zusammenzustellen. Media Markt und Saturn müssen Servicepunkte für Online-Besteller einrichten, die Ware abholen oder reparieren lassen wollen.
Und: Alle Märkte benötigen in Zukunft weniger Verkaufsfläche. "Von einem großen Warenangebot lassen sich die Kunden künftig seltener begeistern, denn im Internet haben sie immer noch mehr Auswahl", meint Schürmann. Auch der Preiswettbewerb werde durch das größere Angebot im Netz weiter angeheizt. "Ein Online-Anbieter kann mit einer Marge von weniger als 15 Prozent zurechtkommen. Der stationäre Handel benötigt dagegen bis zu 50 Prozent."