McDonald's: Ärger mit Pächtern:Zoff im Hamburger-Land

Hinter den Kulissen von McDonald's kracht es gewaltig. Pächter werfen dem Fastfoodkonzern vor, sie mit unfairen Methoden aus dem Geschäft zu drängen.

Silvia Liebrich

Beinahe jeder tut es: Ein nettes Schwätzchen halten unter Kollegen, über das Wetter oder den nächsten Urlaub. Das hebt nicht nur die Stimmung, sondern treibt auch zu mehr Leistung an. Da sind sich die Forscher einig. Der Betreiber von 14 McDonald's Filialen im Raum Köln-Bonn sah das allerdings nicht so.

Der griff Anfang September hart durch und verbot kurzerhand Privatgespräche am Arbeitsplatz. Wer beim Quatschen außerhalb der Pausen erwischt wurde, dem drohte eine Abmahnung nebst einer Geldstrafe, beim dritten Mal dann die fristlose Kündigung. Gemeinsam schwärmen für Top-Model Heidi Klum - wie es zwei McDonald's-Mitarbeiter hinter der Theke in einem Werbespot vormachen - verboten!

Der Maulkorb sorgte für Aufruhr in der Belegschaft, bei Gewerkschaftsvertretern und in der Presse - vor allem aber in der Zentrale der deutschen Tochter des Burgerbraters in München. Schlechte Publicity ist das letzte, was man dort gebrauchen kann. Wallraff lässt grüßen. Als der Journalist Mitte der 80 Jahre miserable Hygiene- und Arbeitsbedingungen in einem McDonald's-Restaurant enthüllte, war das Image schwer ramponiert und musste mühsam wieder aufpoliert werden.

Seitdem hat sich viel zum Besseren verändert. McDonald's verschärfte die internen Kontrollen und Hygienevorschriften und sorgte für bessere Arbeitsbedingungen. Die Qualitätsanforderungen für Lebensmittel sind hoch. Auch die Lieferanten müssen sich einem strengen Diktat unterwerfen. McDonald's, das ist der Inbegriff von Fastfood schlechthin und die Mutter aller Franchise-Systeme. 32.000 Filialen in 120 Ländern, 400.000 Beschäftigte und ein Jahresumsatz von 24 Milliarden Dollar. Ein Weltkonzern und eine der wertvollsten Marken überhaupt.

Kampf mit harten Bandagen

Der forsche Restaurantbetreiber aus dem Kölner Raum wurde umgehend zurückgepfiffen. Ein Firmensprecher versucht, den Schaden zu begrenzen: Die Vorgehensweise entspreche auf keinen Fall der Unternehmenspolitik, betont er. Der Gescholtene gab sich reumütig und entschuldigte sich in einem Schreiben bei seinen Mitarbeitern. "Ich weiß, dass der Aushang, inbesondere was die Androhung von Strafzahlungen betrifft, überzogen und übermäßig war", heißt es darin. Fall erledigt.

Doch längst nicht alle Auseinandersetzungen zwischen dem Konzern und seinen selbständigen Subunternehmern werden so friedlich beigelegt. Hinter den Kulissen rumort es. Es tobt ein Kampf, der teilweise mit harten Bandagen ausgetragen wird. Vor deutschen Gerichten sind derzeit mehrere Prozesse anhängig, in denen Franchise-Nehmer gegen den Konzern klagen oder umgekehrt. Einige von ihnen glauben gar, dass der Konzern sie mit unfairen Methoden aus dem Geschäft drängen will.

Ein Vorwurf, dem das Unternehmen vehement widerspricht. "Wir legen großen Wert auf ein vertrauensvolles Verhältnis zu unseren Franchise-Nehmern", sagt Holger Beeck, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von McDonald's Deutschland und die Nummer Zwei hinter Deutschland-Chef Bane Knezevic. Beeck, 50 Jahre alt, ein hemdsärmliger Typ mit Halbglatze, hat seine Karriere wie viele andere in dem Unternehmen auch in der Küche eines McDonald's-Restaurants begonnen. Bei den Problemfällen handle es sich lediglich um Ausnahmeerscheinungen, beteuert er und verweist auf interne Umfrageergebnisse. Denen zufolge seien 88 Prozent der Franchise-Nehmer hoch zufrieden. Die selbständigen Unternehmer betreiben hierzulande immerhin 80 Prozent der 1300 McDonald's-Restaurants.

Getrübtes Vertrauensverhältnis

Zu den Ausnahmefällen zählt der Konzern auch ein kurioses Ereignis, das sich im Hochsommer in einem fränkischen McDonald's Restaurant abspielte. Dort griff ein Franchise-Nehmer zur Videokamera. Aber nicht etwa, um heimlich Mitarbeiter zu filmen, wie beim Discounter Lidl geschehen, sondern um den Besuch eines Kontrolleurs von McDonald's zu dokumentieren. Dieser sollte prüfen, ob die Burger richtig durchgebraten, der Boden sauber gewischt und die Kühlräume in Ordnung sind.

Getrübtes Vertrauensverhältnis

Doch der Subunternehmers warf dem Prüfer vor, Kontrollergebnisse zu manipulieren, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Der Mann wollte sich mit den Aufnahmen zur Wehr setzen. McDonald's weist den Vorwurf der Manipulation entschieden zurück. Der Kontrolleur habe sich korrekt verhalten, heißt es. Der Konzern klagte gegen den Kameraeinsatz vor dem Münchner Landgericht - und verlor in der ersten Instanz. Nun will er in die Berufung gehen.

Auch in anderen Fällen ist das Vertrauensverhältnis getrübt, wie das Beispiel des Subunternehmers Thomas Lüke zeigt. Er betreibt ein McDonald's Restaurant direkt am Autobahnzubringer zur A81 in Pforzheim. Die Inneneinrichtung ist neu, modernes Design nach den Vorgaben von McDonald's. Auch in der Küche hat der 55-Jährige alles auf den neuesten Stand gebracht. Knapp eine halbe Million Euro haben er und seine Frau im vergangenen Jahr in die Runderneuerung des Restaurants investiert. In dem festen Vertrauen darauf, dass ihr Franchise-Vertrag verlängert wird, wie es von McDonald's in Aussicht gestellt war. E-Mails und Schreiben, aus denen dies hervorgeht, liegen der Süddeutschen Zeitung vor. Lükes Vertrag läuft offiziell Ende des Jahres nach einer Laufzeit von 20 Jahren aus. Doch plötzlich ist alles anders. Anfang Juni legte McDonald's ihm nahe, sein Restaurant an einen anderen Franchise-Nehmer in der Region zu verkaufen.

Für Lüke war das ein Schock. "Ich fühle mich hintergangen", sagt er. Erst recht seit er weiß, dass die Ablösesumme, die dieser Konkurrent zahlen will, weit unter dem liegt, was er einst bezahlt und inzwischen investiert hat. Bei McDonald's zeigt man für den Unmut des Pforzheimer Franchise-Nehmers wenig Verständnis. "Es gab niemals eine Zusicherung für eine Verlängerung des Vertrages", heißt es in einer Stellungnahme. Begründet wird die Absage damit, dass nicht alle Voraussetzungen für eine Vertragsverlängerung erfüllt seien, ohne auf die Einzelheiten einzugehen.

"Entweder Becker oder wir"

Doch Lüke will das nicht so einfach hinnehmen. Er wandte sich an den Münchner Rechtsanwalt Horst Becker, der in den vergangenen Jahren bereits zwei Dutzend andere Franchise-Nehmer von McDonald's beraten hat. In Prozessen vertritt er derzeit zwei weitere Subunternehmer, denen der Konzern in den vergangenen Monaten fristlos gekündigt hat, weil sie mehrfach gegen die strengen Auflagen ihres Franchise-Vertrages verstoßen haben sollen. Doch nicht seine Mandanten, sondern auch Becker selbst sieht sich inzwischen vom Konzern unter Druck gesetzt. Anfang des Jahres wurde der Anwalt nach langjähriger Mitgliedschaft aus dem Deutschen Franchise-Verband (DFV) ausgeschlossen. Angeblich weil er gegen den Ethik-Kodex des Verbandes verstoßen haben soll. Zwei Mitglieder hätten den Ausschluss Beckers beantragt, heißt es beim Verband.

Becker vermutet, dass dies auf Betreiben von McDonald's geschah. Ein Verdacht, der im Umfeld des Verbandes bestätigt wird. "McDonald's hat dem DFV die Pistole auf die Brust gesetzt, entweder Becker oder wir", heißt es dort. Der Fastfood-Konzern gilt als einflussreiches Mitglied des Verbandes. Ulrich Bissinger, Leiter der Rechtsabteilung von McDonald's, räumt ein, dass das Unternehmen sich über den Anwalt beim Verband beschwert habe. Becker missbrauche McDonald's, um sich einen Namen zu machen, so der Vorwurf.

Tatsächlich hat Becker schon einige Erfolge gegen den Konzern erzielt. In den vergangenen Jahren sprach McDonald's vier Betreibern von insgesamt 15 Restaurants eine fristlose Kündigung aus. Für den Konzern ist dies die billigste Lösung, einen in Ungnade gefallenen Franchise-Nehmer los zu werden - sie kommt einer Enteignung gleich. Andere Franchise-Nehmer sahen sich ähnlich wie Lüke zum Verkauf ihrer Restaurants gedrängt. In einigen dieser Fälle erreichte Becker, dass die Betroffenen eine annähernd zufriedenstellende Entschädigung bekamen. Doch in den nun anhängigen Fällen will Bissinger hart bleiben: "Mit Herrn Becker lehnen wir jede Art von Verhandlung ab, weil sie nicht zielführend ist."

Unter Erfolgsdruck

McDonald's steht unter Erfolgsdruck. Der Marktführer unter den Fastfood-Anbietern muss seinen Aktionären Wachstumszahlen präsentieren. Bis vor 15 Jahren war dies relativ einfach. McDonald's wuchs beinahe von allein. Auch die Franchise-Nehmer, deren Verträge 20 Jahre laufen, verdienten gutes Geld. Die Lizenzen waren begehrt. Doch mittlerweile scheinen die Grenzen des Wachstums erreicht. In Deutschland tragen mittlerweile mehr als 1300 Filialen das Firmenschild mit dem geschwungenen gelben "M" auf rotem Grund. Das Filialnetz ist so eng gespannt, dass sich viele Restaurants gegenseitig Konkurrenz machen. Ein Phänomen, das in der Konzernsprache als Impact bezeichnet wird. Einen Gebietschutz genießen die Franchise-Nehmer nicht. Sie können allenfalls ihre Bedenken anmelden. Die Expansionsentscheidung liege jedoch eindeutig beim Unternehmen, macht der deutsche Vizechef Beeck deutlich.

Sinkende Erträge

Doch der Expansionsdrang hat zur Folge, dass die Erträge der Subunternehmer seit einigen Jahren sinken. Ein Franchise-Nehmer aus Süddeutschland, der nach eigenen Angaben ein gutes Verhältnis zur Münchner Zentrale pflegt, gibt an, dass seine Erträge in den vergangenen 15 Jahren um die Hälfte gesunken seien. Einige Restaurants erwirtschaften nach Insiderangaben sogar Verluste. Auch Beeck räumt das ein. Dies treffe jedoch nur für sehr wenige Standorte zu, sagt er, ohne genaue Zahlen zu nennen.

Trotzdem soll das Netz weiter ausgebaut werden, bis 2015 um knapp 200 auf 1500 Standorte. Denn mit jeder Neueröffnung wächst der Konzern. Einen Großteil seiner Einnahmen erzielt McDonalds nämlich mit Miet- und Pachteinnahmen. Eine Strategie, die auf den legendären Ray Kroc zurückgeht, der das Unternehmen vor mehr als 50 Jahren zu dem gemacht hatte, was es heute ist: einer der größten Immobilienvermieter der Welt - mit angeschlossenen Hamburger-Verkauf. In seiner letzten Bilanz wies der Konzern einen Grundbesitz im Wert von knapp 30 Milliarden Dollar aus.

Mit dieser Idee legte der ehemalige Handelsvertreter Kroc den Grundstein für die beispiellose Erfolgsgeschichte in der Gastronomie: Der Konzern stellt eine Immobilie oder Baugrund zur Verfügung und kassiert dafür nicht nur eine Franchise-Gebühr, sondern vor allem stattliche Miet- und Pachtzinsen. Auch für das Deutschlandgeschäft gilt deshalb, je mehr Restaurants McDonald's betreibt, desto höher sind Umsatz und Gewinn für den Konzern.

Hohe Mieten

Der Immobilienbesitz und der gleichmäßige Zufluss an Kapital machten das rasante Wachstum von McDonald's überhaupt erst möglich. Krocs Stellvertreter Harry Sonneborn überzeugte einst die Banken mit genau diesem Argument, Kredite zur Verfügung zu stellen. "Wir sind nicht in der Fastfood-Branche tätig, sondern in erster Linie auf dem Grundstückssektor", versicherte er. Kritiker werfen dem Unternehmen aber nun vor, das Wachstum zunehmend zu Lasten der Franchise-Nehmer voranzutreiben. Immerhin muss jeder Lizenznehmer fünf Prozent seines Nettoumsatzes als Franchisegebühr zahlen sowie noch einmal fünf Prozent an Werbeabgaben. Hinzu kommen Miet- und Pachtzinsen von bis zu 20 Prozent, wie Recherchen der SZ ergaben. Das Unternehmen selbst macht dazu keine Angaben.

Der Blick in einzelne Verträge zeigt, dass die Mieten, die McDonalds für seine Immobilien verlangt, um das fünf bis zehnfache über den ortsüblichen Gewerbemieten liegt. Ein Vergleich, der aus Sicht des Unternehmens unzulässig ist, "da McDonald's nicht nur vier nackte Wände verpachtet, sondern ein erprobtes, erfolgreiches und weltweit anerkanntes System zur Verfügung stellt". Im Einzelfall kann das jedoch bedeuten, dass bis zu einem Viertel des Nettoumsatzes an den Konzern abfließt, ohne dass dabei der Gewinn berücksichtigt wird, den ein Restaurant erwirtschaftet.

Die hohen Abgaben sorgten in den USA bereits Mitte der siebziger Jahre für Aufruhr, zu einer Zeit, als in Deutschland die ersten Restaurants eröffneten. Auch hierzulande wurde deswegen in den vergangenen Jahren immer wieder Kritik am erfolgreichsten Franchise-System der Welt laut. So klagte etwa 1999 ein Franchise-Nehmer in Chemnitz gegen den Konzern, weil er sich durch die Verträge geknebelt sah. Er verlor - und kehrte anschließend wieder in den Schoß der McDonald's-Familie zurück. Heute führt er mehrere Filialen in Hessen.

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