Süddeutsche Zeitung

Maut:Dobrindt ist nun sehr allein

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Von Michael Bauchmüller, Berlin

Für Alexander Dobrindt steht die Sache schon fest. "Das ist das größte Upgrade für die Infrastruktur, das es in Deutschland je gab", sagt der Verkehrsminister von der CSU. Ein "absoluter Rekord".

Und nein: Es geht nicht um die technischen Finessen der neuen Pkw-Maut. Es geht auch nicht um die gigantischen Einnahmen, die Autofahrer aus dem Ausland künftig für deutsche Straßen abdrücken. Am Freitag danach ist Dobrindt einfach nur froh, dass der Bundestag den Bundesverkehrswegeplan angenommen hat. Bei der Maut liegen die Dinge komplizierter.

Am Donnerstagabend hat Dobrindt die Bewährungsprobe seiner Amtszeit bestanden, mit der EU-Kommission ist der letzte große Widerstand gegen eine Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen gebrochen. Die bringt zwar nun nicht mehr ganz so viel wie ursprünglich geplant, sie ist auch etwas komplizierter als von Dobrindt ersonnen, aber Maut ist Maut.

Schon am Freitagmorgen reiht er sie im Bundestag in eine Serie "historischer Meilensteine" ein, als da wären: die Ausweitung der Lastwagen-Maut auf Bundesstraßen, ein deutlich höherer Verkehrsetat, die Neuregelung der Verkehrszuschüsse für die Länder. "Historische Meilensteine", so formuliert Dobrindt wirklich. Hätte er es nur nicht ständig mit diesen "Verkehrspessimisten" zu tun. Dabei sei alles so einfach: "Wer nutzt, der zahlt auch, aber keiner zahlt doppelt."

"Diese Sorgen können nur ausgeräumt werden, wenn die Maut nicht eingeführt wird"

Tatsächlich steht der CSU-Mann nun einem Heer von Nörglern gegenüber. In den Niederlanden etwa meldet sich Melanie Schultz van Haegen zu Wort, die dortige Infrastrukturministerin. In den Niederlanden gibt es bisher keine Pkw-Maut, Deutschland aber ist ein wichtiges Transitland. Entsprechend groß ist die Sorge, dass die nun so eingestampfte Maut nur der Anfang ist. "Diese Sorgen können nur ausgeräumt werden, wenn die Maut nicht eingeführt wird", sagt die Ministerin. Notfalls müsse man klagen. Womöglich würden da Belgien und Dänemark mitziehen, und auch Österreich gilt als wichtiger Verbündeter.

Dort wiederum, obgleich selbst Vignettenland, hat der Widerstand gegen eine deutsche Autobahn-Maut mittlerweile Tradition. Verkehrsminister Jörg Leichtfried etwa hält die Einigung zwischen Berlin und Brüssel für einen "faulen Kompromiss", der die Diskriminierung ausländischer Autofahrer allenfalls besser kaschiere. Auch das österreichische ADAC-Pendant ÖAMTC macht sich bereit.

Erst einmal werde man nun sorgfältig prüfen, ob Österreicher diskriminiert werden, sagte ÖAMTC-Chef Bernhard Wiesinger am Freitag. "Sollte das der Fall sein, muss Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof klagen." Und sollte Österreich nicht klagen, dann könne der Automobilclub notfalls immer noch die Klage eines betroffenen Mitglieds unterstützen, ebenfalls vor dem Europäischen Gerichtshof. Theoretisch ließe sich vor Gericht sogar eine aufschiebende Wirkung durchsetzen - dann träte die Maut erst in Kraft, wenn die Einwände abgeschmettert sind.

Derweil wachsen im Inland die Zweifel, ob sich der Deal überhaupt rechnet. Die Grünen etwa (Dobrindt: "eine straßenfeindliche Entmobilisierungspartei") kramten am Freitag eine Studie aus dem vorigen Jahr heraus, sie hatte Kosten und Nutzen der Maut errechnet. Seinerzeit waren die Gutachter auf höchstens 370 Millionen Euro Mauterlöse gekommen, im schlechtesten Fall nur auf 320 Millionen Euro.

Allerdings war das Gutachten noch davon ausgegangen, dass sich eine Zehn-Tagesvignette für zehn Euro verkaufen lässt - und nicht für 2,50 Euro aufwärts, je nach Schadstoffklasse. "Es ist zu vermuten, dass am Ende die Bürokratiekosten die Einnahmen übersteigen werden", sagt Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Dobrindt operiere seit jeher mit optimistischen Annahmen. "Er konstruiert mit geschönten Zahlen die Einnahmen, die in der Realität niemals erreicht werden können."

Freilich wird diese Realität ohnehin nicht so schnell eintreten, schließlich soll die Maut erst in der kommenden Legislaturperiode eingeführt werden - sofern die mautkritischen Sozialdemokraten im Frühjahr der nötigen Änderung des Gesetzes zustimmen.

Erst dann wird sich auch erweisen, wie groß die Entlastungen inländischer Autofahrer konkret ausfallen. Zwar soll niemand zusätzlich belastet werden. Die Halter neuer Fahrzeuge der Euro-6-Norm aber können sich auf eine höhere Entlastung freuen, in Summe etwa 100 Millionen Euro. Brüssel hatte eine Eins-zu-eins-Kompensation der Maut über die Kfz-Steuer abgelehnt. Letztlich schmälert das die Mauterlöse zusätzlich.

Dobrindts Laune kann das freilich nicht trüben, Maut ist schließlich Maut. Er setzt auf 500 Millionen Euro im Jahr, rechnet aber in vierjährigen Legislaturperioden. Schon werden so aus den 500 Millionen, mal vier, glatte zwei Milliarden Euro. Er sei, sagte Dobrindt am Freitag im Bundestag, "überrascht, wie diese Summen keine Rolle mehr spielen". Wohl wahr.

Der ohne viel Aufhebens verabschiedete Verkehrswegeplan, noch so ein historischer Meilenstein, sieht Investitionen von 270 Milliarden Euro vor. Und auch die Ausweitung der Lkw-Maut auf Bundesstraßen, nahezu unbemerkt verabschiedet am späten Donnerstagabend, bringt Geld: glatte zwei Milliarden Euro. Im Jahr.

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SZ vom 03.12.2016
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