Maut:Die Razzia bei Toll Collect kommt zum denkbar schlechten Zeitpunkt
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Von Markus Balser, Berlin
Für die Gesellschafter des Toll-Collect-Konsortiums sollte eigentlich die Zeit voller Auftragsbücher beginnen: Die deutschen Dax-Unternehmen Daimler und Telekom sowie der französischen Anlagenbaukonzerns Cofiroute machen sich nicht nur Hoffnungen im Rennen um die Neuvergabe des Lkw-Mautsystems. Auch bei der geplanten Einführung der Pkw-Maut winkte eine große wie lukrative Ausschreibung des Bundes.
Doch was am Mittwoch in Berlin passierte, könnte manchen Plan durchkreuzen. 15 Polizeibeamte und zwei Staatsanwälte durchforsteten vom frühen Morgen an bei einer Razzia die Zentrale des Mautbetreibers am Potsdamer Platz in Berlin. Einem Behördensprecher zufolge steht sie in Zusammenhang mit einer Strafanzeige wegen überhöhter Kalkulation. Nach Angaben aus Justizkreisen geht es um Betrugsvorwürfe bei der Ausweitung der Maut auf Teile des Bundesstraßennetzes seit 2012. "Es besteht der Verdacht des Betruges gegen mehrere Verantwortliche des Unternehmens", erklärte die Staatsanwaltschaft.
Dem Bund könnte ein Schaden in Millionenhöhe entstanden sein
Dabei sollen dem Bund Betriebskosten in Rechnung gestellt worden sein, die gar nicht angefallen seien, heißt es in Justizkreisen weiter. Der Verdacht richte sich gegen zwei aktive und einen ehemaligen Mitarbeiter des Unternehmens. Dem Bund könne ein Schaden in Millionenhöhe entstanden sein. Toll Collect bestätigte die Durchsuchungen, wollte sich aber zu den Vorwürfen nicht äußern. Das Unternehmen kooperiere mit den Behörden, sagte ein Sprecher lediglich. Das Bundesverkehrsministerium stellte den Ermittlern Unterlagen zur Verfügung. Über die Durchsuchung sei das Ministerium nicht informiert gewesen, sagte ein Sprecher.
Toll Collect treibt mit etwa 600 Mitarbeitern seit vielen Jahren die Lkw-Maut für den Bund ein - kilometergenau per Funk und Satellit. Im vergangenen Jahr spülte das 4,6 Milliarden Euro in die deutsche Staatskasse. Für Toll Collect bedeutete dies einen Gewinn von mehr als 100 Millionen Euro. Je 45 Prozent der Anteile halten die Deutsche Telekom und Daimler, zehn Prozent die französische Cofiroute. Mitte 2018 läuft der Betreibervertrag für das lukrative Geschäft nun jedoch aus. Ab diesem Termin sollen Lkw auf allen 40 000 Kilometern Bundesstraßen Gebühren zahlen. Dem Bund soll die Umstellung rund zwei Milliarden Euro zusätzlich bringen.
Derzeit buhlen fünf Bewerber um den lukrativen Auftrag und die neue Vergabe der Gesellschafteranteile am Konsortium. Auch die aktuellen Betreiber wollen offenkundig gerne weiter machen. Das Verhältnis zur Bundesregierung ist allerdings wegen eines schon seit gut zehn Jahren laufenden privaten Schiedsgerichtsverfahren angespannt. Dabei geht es um die verzögerte Mauteinführung im Jahr 2005. Sie führte zu Einbußen in Milliardenhöhe.
Auch bei der neuen Bewerbungsrunde für die Lkw-Maut geht es um viel Geld. Den Ausschreibungsbedingungen zufolge wird der neue Kontrakt zwölf Jahre laufen, also bis Ende August 2030. Zudem gibt es eine einmalige Verlängerungsoption um drei Jahre. Investitionen in Infrastrukturprojekte sind bei Unternehmen derzeit äußerst gefragt. Angesichts niedriger Zinsen auf dem Kapitalmarkt bieten sie eine verlässliche Rendite.