Maßnahmen der Europäischen Zentralbank:Geldverschenker ohne Weitblick

Mario Draghi

EZB-Chef Mario Draghi ist dabei, den Europäern mit seinem Maßnahmenpaket nicht nur Vorteile zu bescheren,.

(Foto: AP)

Ein Strafzins für Europas Finanzhäuser, Milliardenkredite für Banken. Werden die Währungshüter um EZB-Chef Mario Draghi die Probleme der Krisenstaaten damit lösen können? Die Ursachen für deren Leiden sind kaum heilbar - und das billige Geld richtet Schäden an, die immer mehr Menschen spüren.

Ein Kommentar von Alexander Hagelüken

Ein richtiger deutscher Bundesbanker hält natürlich nur ein Modell einer Zentralbank für angemessen: das der Deutschen Bundesbank. Doch diese Welt ist versunken. Vorbei die Zeiten, als Europas Währungshüter nur auf Preisstabilität starrten, als lauere hinter jeder Ecke das Inflationsgespenst von 1923. Seit Jahren regiert auch in Europa ein anderes Modell: das amerikanische.

In diesem Modell wollen Zentralbanker Banken retten - und Währungen und die Konjunktur gleich dazu. Die Frage für die Europäer ist nun, ob ihnen dieser Wechsel nur die Vorteile des US-Modells einbringt - oder auch die Nachteile. Die Notenbank Fed rettete in der Finanzkrise 2008 die Banken Amerikas und bewahrte so das Land vor dem Absturz. Zu diesem Aktivismus gehört aber auch, dass sie zuvor dem Wachstum zuliebe die USA so lange mit billigem Geld geflutet hatte, bis diese Finanzkrise überhaupt entstehen konnte. Sie löste also ein Problem, das sie mitgeschaffen hatte. Die USA wirken bis heute angeschlagen und überschuldet. Sie sind abhängig von den Spritzen der Fed wie ein gedopter Sportler.

Letztlich kann nur jedes Land sich selber helfen

Ist Europa dabei, Amerikas Fehler zu wiederholen? Diese Frage stellt sich noch schärfer, seit die EZB am Donnerstag ungekannte Werkzeuge ergriff. Sie will Banken im südlichen Europa zwingen, den Firmen mehr Kredite zu geben, indem sie straft: Wenn Banken bei der EZB Geld holen und es sogleich dort parken, statt es Firmen zu leihen, schrumpft es über Nacht. Ein Strafzins für Europas Finanzhäuser, das gab es noch nie. Und andere Instrumente sind ebenso ungewöhnlich.

Aber werden sie wirklich die Probleme der Krisenstaaten lösen? Viele Ökonomen sind skeptisch, denn die Krankheit hat Ursachen, die keine Spritze heilen kann. Gleichzeitig richtet das billige Geld Schäden an, die immer mehr Menschen spüren. EZB-Chef Mario Draghi ist dabei, den Europäern nicht nur die Vorteile des aktivistischen US-Modells zu bescheren, sondern auch heftige Nachteile.

Draghi wurde seit 2012 zu einem Superstar der Geldpolitik, falls es so etwas gibt, weil er nach US-Vorbild aktiv wurde. Er sah die Uneinigkeit der Politiker. Und mit seinem Versprechen, "alles" zu tun, um den Euro zu retten, rettete er den Euro tatsächlich - weil er die Spekulanten in die Flucht schlug. Draghi setzte sich im Grunde gegen die Deutschen durch, die an das Modell der Bundesbank glauben. Und er behielt recht, zum Segen Europas, denn ein Kollaps des Euro wäre ein Desaster.

Es war aber immer klar, dass Draghis Maßnahmen nur Zeit kaufen, jedoch nicht die Probleme der Krisenstaaten lösen, die sich jahrelang heruntergewirtschaftet haben. Nur wenn Italien, Griechenland und Frankreich wettbewerbsfähig werden, können sie in einer Währungsunion mit Exportmeister Deutschland bestehen. Diese Reformen sind mühsam, sie verursachen viel Leid, doch sie sind alternativlos, wie die Kanzlerin sagen würde.

Draghi macht nationale Wirtschaftspolitik überflüssig

Nun allerdings scheint Draghi den willigen Krisenregierungen zu suggerieren, es gäbe einen bequemeren Weg als Reformen: die Frankfurter Dauerinfusion. Das Problem der EZB-Entscheidung ist gar nicht jede einzelne Maßnahme; manches lässt sich durchaus erwägen, um eine Spirale fallender Preise zu verhindern. Das Problem ist, dass sich Draghi durch seine ständigen Geldspritzen zum Super-Wirtschaftsminister aufschwingt, der nationale Wirtschaftspolitik überflüssig zu machen scheint. Das aber funktioniert nicht.

Die Banken im Süden geben den Firmen auch deshalb wenig neue Kredite, weil ihre Bücher voll mit faulen alten sind. Die Firmen nehmen auch deshalb wenig neue Kredite, weil die Menschen wegen der Sparprogramme wenig ausgeben. Die traurige Wahrheit ist, dass es dauert, bis die Wirtschaft überall anspringen wird. Die Erholung aber kann allein von Reformen ausgehen, Draghis billiges Geld kann nur unterstützen. Doch die Regierungen in Paris, Rom und anderswo scheinen zunehmend zu glauben, der Magier in Frankfurt richte es allein, sodass sie ihr Volk schonen können.

Das ist falsch. Und gleichzeitig produziert Draghis Politik hohe Kosten, sodass er sie lieber früher als später stoppen sollte. Deutsche Sparer verlieren ihr Geld, weil die Zinsen so niedrig sind. Und die billigen Kredite beginnen, eine Immobilien- und Aktienblase aufzupumpen - ganz wie in den USA vor der Finanzkrise.

Es wird Zeit, dass Draghi innehält. Er bescherte Europa die Vorteile des US-Zentralbankmodells, als er schnell eingriff und den Euro rettete. Nun sollte er Europa die Nachteile des amerikanischen Modells ersparen: in dem er vermeidet, zum Dauer-Geldverschenker zu werden, von dem Europas Volkswirtschaften abhängig werden wie Süchtige, die sich nicht mehr selbst helfen wollen und können.

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