Maßlosigkeit im neuen Jahrtausend:Spekulativer Überschwang

Die Wirtschaft des neuen Jahrtausends war von maßloser Übertreibung geprägt. Erst platzte die "New-Economy-Bubble", dann wuchs sich die "Subprime"-Krise in die erste Rezession der Weltwirtschaft in der Nachkriegszeit aus.

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Mannesmann, Foto: AP

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Im November 2000 war sie schließlich perfekt - die bis dato größte feindliche Übernahme aller Zeiten: Für 190 Milliarden Euro übernahm der britische Mobilfunkbetreiber Vodafone den Mischkonzern Mannesmann.

Der Einstieg der Engländer bei dem deutschen Traditionsunternehmen wurde in den deutschen Medien als Ende des Ende des rheinischen Kuschelkapitalismus bewertet. Der Düsseldorfer Konzern, der mit der Herstellung von Röhren groß geworden war, hatte in den 90er Jahren in den neuen Geschäftsbereich Telekommunikation expandiert. Mit dem Aufbau des D2-Netzes gehörte Mannesmann zu den Pionieren der neuen Mobilfunktechnologie, verhob sich dann aber im Monopoly immer neuer Firmenübernahmen.

Denn Weltmarktführer Vodafone wollte sich den Einstieg Mannesmanns beim britischen Wettbewerber Orange nicht gefallen lassen - der Konter fiel gnadenlos aus: Vodafone-Chef Chris Gent, der schon bei der Übernahme des US-Wettbewerbers Airtouch bewiesen hatte, dass er nicht für halbe Sachen zu haben ist, sackte gleich den ganzen Mannesmann-Konzern ein. Die gegen erbitterten Widerstand durchgesetzte Mega-Übernahme schien zu signalisieren, dass die alten Grenzen im Zeitalter der neuen Technologien nicht mehr zu gelten schienen.

Doch schon bald hatte auch Vodafone Probleme: Der erbitterte Preiskampf auf den schnell gesättigten Mobilfunkmärkten drückte auf die Gewinnmargen, was den Wert der Vodafone-Aktie um zwei Drittel abstürzen ließ. Die Mannesmann-Übernahme sollte die deutsche Öffentlichkeit zudem noch lange beschäftigen. Die hohe Abfindung, die Mannesmann-Chef Klaus Esser erhalten hatte, ließ den Verdacht der Käuflichkeit aufkommen. Erst 2006 endete das Verfahren mit einer Geldauflage gegen Esser und die Aufsichtsräte, die die Abfindung genehmigt hatten.

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Neuer Markt, Foto: dpa

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Internet und Mobilfunk - zwei Technologien revoluzionierten seit den 90er Jahren die gesamte Welt. Der Glaube, dass mit der neuen Hightech auch viel Geld zu verdienen sei, wurde zum Ausklang des vergangenen Jahrhunderts immer stärker. Neue Unternehmen schossen wie Pilze aus dem Boden, häufig allerdings ohne nachvollziehbares Geschäftsmodell. Die sogenannte "New Economy" schien den Gesetzen althergebrachter Wirtschaftlichkeit trotzen zu können, doch das war ein Irrglaube. Schon im Jahr 2000 mehrten sich die Zeichen, dass die "New Economy" an ihre Grenzen gestoßen war, doch kaum etwas symbolisiert das Platzen der Dotcom-Blase besser als das krachende Ende des Neuen Marktes.

Von der Deutschen Börse 1997 nach dem Vorbild der amerikanischen Technologiebörse Nasdaq eingerichtet, sollte das neue Marktsegment den neuen Technologien Raum geben und jungen Unternehmen die Möglichkeit zur Eigenkapitalfinanzierung über einen Börsengang bieten. Die Euphorie war zunächst riesengroß - in den ersten drei Jahren seines Bestehens verzwanzigfachte der Neue Markt seinen Wert.

Doch schließlich ging es steil bergab: In einer endlosen Reihe mussten immer mehr Unternehmen Insolvenz anmelden und Strafrechtssachen wie bei dem Telematikanbieter Comroad oder bei dem Medienunternehmen EM.TV beschäftigten die Gerichte.

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Pont Neuf in Paris, 1. Januar 2002, Foto: AP

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Die Pont Neuf in Paris am 1. Januar 2002: Blaues Licht und das Euro-Zeichen werden auf den berühmten Überweg über die Seine projeziert. Nachdem der Euro bereits drei Jahre zuvor als Buchgeld eingeführt worden war, wird er nun zum offiziellen Zahlungsmittel in zwölf EU-Ländern.

Die Gemeinschaftswährung, für die die Deutschen sogar ihre geliebte D-Mark aufgaben, ist die Antwort Europas auf die Globalisierung. Trotz aller Unkenrufe bei der Einführung wird der Euro zu einem Erfolgsprojekt und greift sogar den Dollar als wichtigste Währung der Welt an.

In der Finanzkrise, die die gesamte Weltwirtschaft gegen Ende des Jahrzehnts in die Tiefe zieht, soll sich die Einführung des Euro noch als Segen erweisen. Ohne ihn wären viele Euro-Länder noch deutlich stärker von der ersten weltweiten Rezession nach dem zweiten Weltkrieg betroffen.

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Villa im Londoner Nobelviertel Hampstead, Foto: Reuters

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Im Jahr 2002 schien die Finanzkrise noch sehr weit weg von Deutschland zu sein. Doch in anderen Weltregionen kündigte sich das Unheil bereits an, auch wenn darauf zunächst überhaupt nichts hinzudeuten schien. Im Londoner Nobelviertel Hampstead (Bild) beispielsweise explodierten die Immobilienpreise. Während nur eines Jahres stiegen die Preise für Wohnhäuser in Großbritannien um bis zu 30 Prozent. Preise von mehr als 500.000 Euro für ein Reihenhaus weit außerhalb Londons waren keine Seltenheit mehr.

Fachleute begannen sich zu sorgen, weil man befürchten musste, dass es dem Immobilienmarkt ähnlich ergehen könnte wie den Aktien. Die Experten sollten zwar Recht behalten, doch bevor ein Preisrutsch am amerikanischen und britischen Immobilienmarkt die Finanzkrise im Jahr 2007 auslöste, erlebte die deutsche Wirtschaft noch eine Blüte.

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Bundesagentur für Arbeit, Foto: ddp

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In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends war die Arbeitslosenquote in Geamtdeutschland beständig gestiegen - von knapp über zehn Prozent im Jahr 2001 auf 13 Prozent im Jahr 2005. Doch dann kam es zu einer deutlichen Wende am deutschen Arbeitsmarkt. Schon 2006 betrug die Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt nur noch zwölf Prozent, ein Jahr später waren es nur noch zehn Prozent.

Die Regierungsparteien aus Union und SPD machten die Hartz-IV-Gesetze dafür verantwortlich, durch die der Arbeitsmarkt mit Beginn des Jahres 2005 reformiert worden war. Die Opposition hielt die höhere Erwerbstätigkeit hingegen durch die wieder stärker wachsende Wirtschaft begründet.

Wie leicht der Arbeitsmarkt nach wie vor destabilisiert werden konnte, zeigte sich schließlich in der Folge der Finanzkrise.

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Bear Stearns, Foto: dpa

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Ein erstes Signal für die Bedrohlichkeit der Krise auf dem amerikanischen Immobilienmarkt gingen von den Millionenabschreibungen der US-Investmentbank Bears Stearns im Sommer 2007 aus. Nachdem drei Hedgefonds des Geldhauses zahlungsunfähig geworden waren, rissen die Gerüchte über eine Schieflage des New Yorker Instituts nicht mehr ab. Ein knappes Jahr später war Bear Stearns tatsächlich pleite und wurde von J.P. Morgan übernommen. Schon zuvor zeigten sich allerdings auch bereits Risse im deutschen Finanzsystem ...

IKB, Foto: AP

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... als die Mittelstandsbank IKB im Juli 2007 die Öffentlichkeit in einer Ad-hoc-Mitteilung über eine bedrohliche Schieflage informierte. Schon bald stellte sich heraus, dass das Institut Milliarden zum Überleben brauchte. Am Ende schulterte der Steuerzahler ein Hilfspaket von rund zehn Milliarden Euro, während der Bankenverband 1,4 Milliarden Euro zur Rettung des Instituts beisteuerte.

Kaum war der erste Schock über die nur mühsam abgewendete IKB-Pleite überwunden, sorgte die SachsenLB für Negativschlagzeilen. Das Insitut hatte sich über seine irischen Töchter am amerikanischen Hypothekenmarkt engagiert, weswegen plötzlich eine Kreditlinie von knapp zwanzig Milliarden Euro nötig wurde. Die Sparkassenorganisationen gewährten der SachsenLB den Puffer zwar, doch machten sie dem Institut zur Auflage, sich einen Investor zu suchen. Mit der LBBW wurde dieser gefunden.

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Lehman Brothers, Foto: AP

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Mit der Pleite der amerikanischen Großbank Lehman Brothers am 15. September 2008 geriet das ohnehin fragile Weltfinanzsystem vollends ins Wanken - aus der Finanzkrise wurde eine veritable Wirtschaftskrise. Denn viele hatten sich einfach nicht vorstellen können, dass eine Bank dieser Größe und internationalen Vernetzung zahlungsunfähig werden könnte.

Erstmals bekamen nun auch viele deutsche Kleinanleger die Finanzkrise mit voller Wucht zu spüren: Von ihren Hausbanken waren sie in vielen Fällen zum Kauf von Lehman-Zertifikaten ermuntert worden, ohne über die Risiken aufgeklärt worden zu sein. Die einst rein angelsächsische Finanzkrise hatte Deutschland erreicht.

Hypo Real Estate, Foto: AP

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Nur zwei Wochen nach der Lehman-Pleite stand auch in Deutschland eine Großbank vor dem Aus. Dem Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate drohte die Insolvenz, woraufhin in einem eilig einberufenen Krisengipfel die wichtigsten Finanzpolitiker und -manager Deutschlands zusammenkamen.

Dabei einigten sich Jochen Sanio von der Bankenaufsicht, Finanzminister Peer Steinbrück, Josef Ackermann von der Deutschen Bank, Martin Blessing von der Commerzbank und Klaus-Peter Müller vom Bankenverband darauf, der Hypo Real Estate eine Ausfallbürgschaft in Milliardenhöhe zur Verfügung zu stellen.

Wenige Tage später war diese Einigung schon wieder obsolet, nachdem klar geworden war, dass die Finanznöte des Instituts noch viel größer waren. Das Rettungspaket für das Geldhaus wurde kurzerhand um die Hälfte auf knapp 30 Milliarden Euro aufgestockt. Bundesbankpräsident Axel Weber begründete die außergewöhnlich große Finanzspritze mit der ernsten Lage. Ein Zusammenbruch des Interbankensystems, also des Geschäftsverkehrs der Banken untereinander, habe gedroht.

Mit diesem Argument wurden die Hilfen für die Hypo Real Estate in der Folge in immer schwindelerregende Höhe getrieben. Zuletzt umfasste das staatliche Finanzpaket 102 Milliarden Euro - noch nie war der Steuerzahler für ein einzelnes Wirtschaftsunternehmen so sehr in die Bresche gesprungen.

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Opel, Foto: Getty Images

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Die hohen Hilfen für die Hypo Real Estate traten im Herbst 2008

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