Massiver Stellenabbau bei Schlecker:"Es wird Dramen geben"

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Es ist einer der größten Insolvenzfälle überhaupt und nicht mit dem Stellenabbau in der Industrie vergleichbar: Von den geplanten Massenentlassungen bei Schlecker sind vor allem wenig qualifizierte Frauen betroffen. Besonders auf dem Land werden diese Mitarbeiterinnen wohl nur schwer einen neuen Job finden.

Caspar Busse und Max Hägler

Die schlechte Nachricht verkünden die Herren in Frankfurt, weit weg von der Schlecker-Zentrale im schwäbischen Ehingen. Und weit weg von den Menschen, die für Schlecker arbeiten. Hier im geschäftsmäßigen Marriott-Hotel in der Bankenstadt werden nüchterne Power-Point-Folien präsentiert, die von der angeblich guten Zukunft Schleckers künden.

Und doch schluckt Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz, als er zum geplanten Stellenabbau kommt. "Schockierend" sei die Zahl von mehr als 11.000 Stellen, die jetzt gestrichen werden müssen, sagte er. Und er fügt fast entschuldigend an, er habe sich das auch nicht so vorgestellt, als er den Auftrag vor fünf Wochen übernommen habe: "Ich tue mich schwer bei über 11.000 betroffenen Menschen in Euphorie zu verfallen." Aber es gebe keine Alternative, um die Firma zu retten.

Das Problem liegt nicht nur an der hohen Zahl der gestrichenen Stellen: Bei Schlecker arbeiten vor allem ältere, ungelernte Frauen, oft auch in Teilzeit. 46 Jahre beträgt der Altersdurchschnitt der derzeit noch 25.000 Mitarbeiter. "Das ist eine ganz besondere Herausforderung", heißt es bei Beteiligten in diesem Insolvenzverfahren. Und dass es "Dramen" geben werde, wohl gerade auf dem Land, wo das Unternehmen besonders stark vertreten ist. Dort finden die Frauen nur schwer einen neuen Job im Handel. "Es ist natürlich bitter, dass jetzt so viele von uns Schlecker-Frauen ihren Arbeitsplatz verlieren werden", sagt die Gesamtbetriebsvorsitzende Christel Hoffmann. Die Gewerkschaft Verdi sieht indes in dem harten Vorgehen des Insolvenzverwalters auch ein "Überlebenssignal".

Jede zweite der aktuell noch 5410 Schlecker-Filialen wird nun dichtgemacht. Welche Standorte genau betroffen sind, wollte Geiwitz noch nicht sagen. Klar ist auch: gerade auf dem Land ist die Logistik teuer, der Umsatz pro Filialen eher gering. Die Prüfung der Filialstruktur hat dem Vernehmen nach gezeigt, dass Filialen in den größeren Städten durchaus gute Einnahmen bringen, trotz stärkerer Konkurrenz. Der Fokus auf ein Dorfladen-Konzept, wie zuletzt etwa vom Betriebsrat ins Spiel gebracht, reiche überhaupt nicht aus. Schlecker brauche mehrere Standbeine, heißt es.

Ob eine Transfergesellschaft für die entlassenen Mitarbeiter gegründet werden kann, ist offen. Der Abbau soll "sozialverträglich" erfolgen, hieß es. Es werde nun über einen Sozialplan verhandelt, sagte Geiwitz. Die Bundesagentur für Arbeit zeigt sich zuversichtlich, dass viele der Schlecker-Mitarbeiter wieder einen Job finden werden

Der Fall ist nicht mit dem Stellenabbau in der Industrie zu vergleichen, sagen Experten. Wenn beispielsweise der Halbleiterproduzent Qimonda pleite geht oder der Netzwerkbauer Nokia Siemens Networks (NSN) Stellen streicht, sind Facharbeiter, Informatiker oder gar studierte Ingenieure betroffen. Und deren Wissen ist derzeit stark gesucht.

Schlecker ist einer der größten Insolvenzfälle überhaupt : Eine vergleichbare Größenordnung erreichte nur noch die Pleite des Baukonzerns Philipp Holzmann mit etwa 23.000 Mitarbeitern (2002). Oft geht die Rettung von insolventen Unternehmen glimpflicher aus: Als 2009 ging der Handelskonzern Arcandor mit Karstadt und Quelle pleite ging, standen mehr als 50.000 Jobs auf der Kippe. Doch Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg konnte einen Großteil halten. Nach dem Zusammenbruch der Kirch-Gruppe vor zehn Jahren konnten sogar fast alle der rund 10.000 Stellen gerettet werden. Auch beim insolventen Druckmaschinenhersteller Manroland mit mehr als 6000 Jobs ist man zuversichtlich: Das Werk in Augsburg wurde bereits verkauft. Den Fall betreut übrigens auch die Kanzlei Schneider-Geiwitz, die nun auch bei Schlecker das Sagen hat.

© SZ vom 01.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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