Süddeutsche Zeitung

Massive Zinserhöhung in der Türkei:"Das ist ein vertrauensbildender Schritt"

Die türkische Lira fiel und fiel, dann reagierte die Notenbank: Mit einer unerwartet kräftigen Zinserhöhung will sie die Entwertung bremsen. Die Reaktionen sind gemischt.

Die Türkei hat sich gegen den Verfall der heimischen Währung zur Wehr gesetzt und den Leitzins drastisch erhöht (hier die Entscheidung als PDF). Auf die Maßnahme folgten gespaltene Reaktionen: Schwierige Zeiten erforderten schwierige Maßnahmen, sagte Gennadiy Goldberg, Zinsstratege bei TD Securities in New York. "Das ist ein vertrauensbildender Schritt." Die regierungsnahe Zeitung Yeni Şafak warf der "Zinslobby in New York und London" vor, die Lira nach unten geprügelt zu haben und damit die Zentralbank zu erpressen.

Der türkische Ökonom Dani Rodrik kommentierte die Zinserhöhung via Twitter. Es sei die richtige Entscheidung, schrieb Rodrik, der in Princeton lehrt:

Regierungschef Erdoğan hatte sich zuvor vehement gegen eine Zinserhöhung ausgesprochen. "Trotz aller Diffamierungskampagnen und all der Sabotage bahnt sich die türkische Wirtschaft ihren Weg auf solide und unverwüstliche Weise", sagte er. 2013 seien so viele Autos, Kühlschränke und Waschmaschinen gekauft worden wie noch nie. Staatspräsident Abdullah Gül hatte hingegen die Wichtigkeit der Unabhängigkeit der Notenbank betont.

Nach einer Krisensitzung hatte die Notenbank mitgeteilt, dass sie den Leitzins (Benchmark Repo Rate) von bisher 4,5 auf zehn Prozent anhebe. Der Zinssatz für Übernacht-Kredite beträgt nunmehr zwölf (bisher 7,75) Prozent, der für Übernacht-Ausleihungen acht (bisher 3,5) Prozent. In einer ersten Reaktion legte die Lira zum Euro um mehrere Prozent zu.

Höhere Zinsen sollen nach dem Willen der Zentralbank Investitionen in türkische Papiere wieder attraktiver machen und die Lira stabilisieren. Schon die Erwartung, dass die Zinsen steigen könnten, hatte den Kursverfall der Lira am Dienstag gestoppt und den Kurs bei 2,26 Lira je Dollar stabilisiert. Nach dem Beschluss der Notenbank fiel der Dollarkurs auf 2,18 Lira.

Nach dem argentinischen Peso stärkste Verluste

Notenbankchef Erdem Başçı hatte angesichts der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung in der Türkei die Leitzinsen bisher niedrig gehalten. Die türkische Währung steht allderdings seit Wochen massiv unter Druck. Nach dem argentinischen Peso musste sie seit Jahresbeginn die stärksten Verluste aller Währungen von Schwellenländern hinnehmen.

Ausschlaggebend sind politische und wirtschaftliche Gründe: So steht die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan wegen eines Korruptionsskandals unter Druck. Hinzu kommt die starke Abhängigkeit des Landes von ausländischem Kapital, was sich in hohen Handelsbilanzdefiziten spiegelt.

Neben den innenpolitischen Querelen in der Türkei leidet das Land wie viele andere Schwellenländer unter dem Geldentzug der amerikanischen Notenbank Fed. Die Federal Reserve will ihre zur Konjunkturbelebung aufgelegten Wertpapierkäufe in diesem Jahr schrittweise zurückfahren. Dies veranlasst viele Investoren, Kapital aus aufstrebenden Ländern abzuziehen, was die Einfuhr von Gütern und Dienstleistungen erschwert.

Um das Vertrauen der Investoren wiederherzustellen, sei - neben einer Zinserhöhung - jedoch auch mehr Klarheit notwendig, wie sich die innenpolitische Situation weiter entwickle, mahnte ein Händler. Die im Dezember bekanntgewordenen Korruptionsermittlungen, die bis in das Umfeld von Ministerpräsident Erdoğan reichen, hatten die Währung in den vergangenen Wochen ebenfalls stark belastet. Unter Erdoğan, der drei Wahlen gewonnen hat, erlebte die Türkei einen Wirtschaftsboom. Zur Finanzierung ihres Wirtschaftswachstums ist die Türkei allerdings stark von ausländischem Kapital abhängig.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1874561
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/dpa/Reuters/jasch/hai/sana
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.