Der Euro in der Krise:China kauft sich die Welt zusammen

China, immer wieder China: Es vergeht keine Woche, in der dieser seltsame Zwitter zwischen Kommunismus und Kapitalismus nicht irgendwo auf dem Globus als wichtiger Investor auftaucht. Jetzt soll das chinesische Kapital Europa und den Euro stützen. Warum das immense Gefahren birgt.

Gunnar Herrmann, Hans-Jürgen Jakobs und Michael Kläsgen

Wenn es um Wichtiges geht, um Milliarden-Verträge und neue Allianzen, spielt die Wortgebung eine große Rolle. "Verhandlungen" dürfen es oft auf keinen Fall sein, lieber "Gespräche" oder "Kontakte". Klaus Regling, 61, Chef des Euro-Rettungsschirms EFSF, hat für seine heikle Peking-Mission, für das Betteln um Chinas Kapital für Europas Rettung, eine diplomatische Formel gefunden: Es handele sich um "Konsultationen".

Poster mit chinesischer 100-Yuan -Banknote in Peking

Ein Poster mit chinesischer 100-Yuan-Banknote in Peking.

(Foto: AP)

Es sei noch nicht die Zeit, um konkret über chinesische Investitionen für die in der Nacht zum Donnerstag beschlossene Ausweitung des Euro-Rettungsschirms EFSF zu verhandeln, sagt er: Zunächst müsse in den kommenden Monaten mit potenziellen Anlegern über die Strukturierung des Fonds gesprochen werden.

China, immer wieder China: Es vergeht keine Woche, in der die Volksrepublik, ein seltsamer Zwitter zwischen Kommunismus und Kapitalismus, nicht als wichtiger Investor in irgendeinem Markt dieser Welt genannt wird. Von Afrika bis in die USA, von Australien bis Japan, überall taucht Kapital aus dem Reich der Mitte auf. Es steckt in Firmen, und zwar zu einem Wert von fast 800 Milliarden Dollar, und es liegt in Staatsanleihen, für mehr als 3,2 Billionen Dollar. Am Freitag wurde etwa bekannt, dass der schwedische Autohersteller Saab mit Geld aus der Volksrepublik wieder gesunden soll. Volvo gehört schon jetzt zum Reigen der Industriebeteiligungen.

Doch mit der mehr als eine Billion Dollar, die in US-Staatsanleihen investiert sind, zeigen sich Chinas Staatskapitalisten unzufrieden. Zu hoch das Risiko. Es gibt einen Groß-Bedarf an sicheren ausländischen Anleihen, und hier lockt das AAA-Rating deutscher und französischer Papiere - und des EFSF. Seit Einrichtung des Fonds im Mai 2010 kauften China und andere asiatische Anleger offenbar 40 Prozent der ausgegebenen Anleihen.

Der stellvertretende chinesische Finanzminister Zhu Guangyao erklärt, Peking müsse beim neuen EFSF-Modell vor einer Investitionsentscheidung erst mehr wissen: "Wir müssen erst die technischen Einzelheiten abwarten." Im Rahmen des Euro-Gipfels war beschlossen worden, den Rettungsschirm auch mit Geld von Investoren im Ausland zu stärken. Der europäische Gesandte Regling will vor der Rückkehr nach Europa auch noch Tokio besuchen. "Wundermittel gibt es nicht", lautet sein Credo.

Keitel befürchtet Bedingungen

Aber in China ist nun mal derzeit mehr möglich als anderswo auf der Welt. Mit insgesamt 2,3 Billionen Euro Devisenreserven könnte das Land Europa leicht aus der Patsche helfen. Von dem asiatischen Riesenreich kamen bereits deutliche Signale, dass eine Unterstützung für Europa - dem größten Export-Markt der Volksrepublik - auf dem Plan steht.

Schließlich wollen die Strategen den Absatz der eigenen Waren flankieren. Bislang hieß es jedoch, man wolle das Geschäft sichern, indem europäische Waren gekauft würden und China in die sichersten europäischen Staatsanleihen investiere. Ein substanzieller Beitrag zur Stützung Europas könnte China jetzt helfen, das Ziel einer führenden Rolle im globalen Finanzmanagement zu erreichen.

Der Vorstoß weckt an prominenter Stelle Befürchtungen. Hans-Peter Keitel, Präsident der Bundesverbands Deutscher Industrie, glaubt, China könne Bedingungen stellen. Zum Beispiel, offiziell als Marktwirtschaft anerkannt zu werden, was Vorteile im internationalen Handel bringt.

Unterstützung von Schmidt und Schröder

Am Zwangscharakter der Ökonomie, an der übergroßen Rolle des Staats, ändert jedoch auch die Tatsache nichts, dass jüngst ein Multi-Millionär ins Zentralkomitee der Kommunistischen Partei einzog. Er spreche nicht im Namen der Europäischen Union, sagt Regling hierzu, er sei nicht der richtige Ansprechpartner dafür. Er hoffe nur, die EFSF-Anleihen als attraktive Investition für China präsentieren zu können: "Ich bin zuversichtlich, dass wir eine längerfristige Beziehung haben."

Davon können Schweden auch ausgehen. Die chinesischen Unternehmen Pand Da und Youngman wollen für umgerechnet 100 Millionen Euro den Autobauer Saab übernehmen, für 100 Prozent. Das bestätigt Saab-Chef Victor Muller. Er hatte Saab Anfang 2010 von General Motors (GM) erworben und kämpfte seit dem mit schweren Problemen. Im September beantragte Saab dann Gläubigerschutz.

Am Freitag hätte ein Gericht über ein Konkursverfahren entscheiden sollen - doch in letzter Minute kamen die Chinesen. Verhandelt wurde schon länger, man konnte sich aber nicht über den Preis einigen. Um die Produktion in Trollhättan wieder in Gang zu bringen, werden die Chinesen auch die Schulden des Unternehmens zahlen müssen, darunter teilweise die Oktober-Gehälter für die mehr als 3000 Saab-Angestellten. Außerdem muss der frühere Eigentümer GM dem Deal vermutlich noch zustimmen. Saab-Chef Muller redet von "fantastischen Neuigkeiten". In Trollhättan hoffen viele, dass Saab dem guten Beispiel Volvos folgen kann. Diese Firma war im August 2010 von Ford für 1,2 Milliarden Euro an den chinesischen Autobauer Geely verkauft worden. Unter Führung des deutschen Managers Stefan Jacoby ist Volvo seitdem stark gewachsen.

China hat schon seit langem einige prominente Befürworter in Deutschland, zum Beispiel den Altkanzler Helmut Schmidt, der die Volksrepublik schon mehrmals bereiste und zu dem Thema meint, es reiche nicht, überall das demokratische Modell als Muster durchsetzen zu wollen.

Gerhard Schröder, auch ein Altkanzler aus den Reihen der SPD, plädiert energisch dafür, eine Zweckgesellschaft neben dem EFSF zu gründen, um Investoren wie China mit ins Boot zu holen. Dieses Vorhaben sei "vernünftig". Allerdings bedinge das in manchen Ländern Europas einen Sinneswandel. Vorher habe man Investitionen aus China zu meiden versucht, jetzt brauche man das Land. Die erwünschte Gegenleistung sei ein größerer Einfluss Chinas in europäischen Unternehmen und Banken - "die wollen auf Augenhöhe mitreden".

Die Idee von der Zweckgesellschaft, in der private Investoren zusammen mit dem EFSF Geld für Anleihen ausgeben, sei von Frankreich unterstützt worden, von Staatspräsident Nicolas Sarkozy, sagt Schröder. Er wolle so bekommen, was ihm mit der von Deutschland verweigerten Banklizenz für den EFSF entgangen ist: "Cash, das er für die Rettung der französischen Banken braucht."

China betrachtet Europa "mit Sorge"

Sarkozy selbst sagt: "China ist für die Rettung des Euro zwar nicht unerlässlich - aber die Europäer haben keinen Grund, chinesisches Kapital zu verweigern, das sie in einen Euro-Rettungsfonds investieren wollen." Europas Unabhängigkeit stelle das nicht in Frage. Es zeige vielmehr, dass China Vertrauen in den Euro habe.

Fred Hu, Chef der chinesischen Beteiligungsfirma Primavera Capital, erklärt, sein Land beobachte die Entwicklung in Europa seit langem "mit Sorge". Die Ergebnisse des EU-Gipfels seien aber "ermutigend". China habe "erhebliche Mittel, Europa zu helfen, für Stabilität und Wachstum zu sorgen", wirbt er und schickt ein "Ja, aber" hinterher: Diese Hilfe würde an Bedingungen geknüpft.

Alles weitere nach den "Konsultationen" des Spitzenbeamten Regling.

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