Massentierhaltung:Fische sind die armen Schweine

Kaninchen sind noch schlimmer dran als Puten, Fische in Aquakulturen haben es so eng wie Schweine im Stall. Die Verantwortung für grausame Massentierhaltung wird gern dem Verbraucher zugeschoben, der billig essen möchte. Doch wie groß ist die Macht der Käufer wirklich? Tierschutzpräsident Thomas Schröder beantwortet Leserfragen.

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Thomas Schröder

Quelle: Tierschutzbund

Seit Oktober des vergangenen Jahres ist Thomas Schröder Präsident des Tierschutzbundes. Schröder ist kein Vegetarier, aber er verzichtet fast immer auf Fleisch. Fleisch und Fisch aus artgerechter Haltung seien deutlich teurer als industrielle Ware. Eine Weihnachtspute, die in einem Stall oder auf dem Hof herumlaufen durfte, kostet schon mal 120 Euro. Schröder ist klar, dass sich das nicht jeder leisten kann. Aber, so sagt er, Fisch und Fleisch müssen teurer werden. So werden sie zu etwas Besonderem, das nicht jeden Tag auf den Tisch kommt. Damit sich etwas verändert, müssten wir alle unseren Konsum verändern, sagt Schröder. Doch das allein reiche nicht aus.

Das Wort Massentierhaltung vermeidet Thomas Schröder. Das Problem, sagt er, ist nicht allein die Masse. Sondern das Wie. Auch wenige Tiere könnten schlecht gehalten werden. Er spricht deshalb von Intensivtierhaltung. Der Norddeutsche ist in ländlicher Umgebung aufgewachsen und kennt die Probleme der Nutztierhaltung von klein auf.

Auf den folgenden Seiten beantwortet er die Fragen der Süddeutsche.de-Leser, die sie auf Twitter und Facebook gestellt haben. Im ausführlichen SZ-Interview spricht er über die Qualen der Ferkel, das kurze Leben von Turbomilchkühen und seinen Kampf für ein Tierschutzsiegel.

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Massentierhaltung:Frage 1

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Quelle: Marco Einfeldt

Haben Landwirte, die ihre Tiere artgerecht halten und ihnen ökologisch-korrektes Futter geben, in unserer Marktwirtschaft eine Chance?

Erläuterung: Die Nachfrage nach Bio-Produkten nimmt ständig zu. Im Jahr 2011 wuchs der Umsatz laut Bund für ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) von rund sechs Milliarden Euro auf 6,59 Milliarden Euro - das entspricht einem Marktanteil von etwa drei Prozent. Der BÖLW beklagt, dass es zu wenige Bio-Landwirte gibt. Viele Bio-Produkte, vor allem Gemüse, müssen deshalb importiert werden.

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Massentierhaltung:Antwort 1

Vollversammlung der Milcherzeuger

Quelle: dpa

Thomas Schröder: "Gerade sie. Früher galt für die Landwirtschaft: Wachsen oder weichen. Das funktioniert heute nicht mehr. Deutschland kann im globalisierten Handel nicht mit der Fleischproduktion im Billigsegment mithalten. Wir brauchen ein eigenes Qualitätsmerkmal. Wenn ich ein Siegel für mehr Tiergerechtigkeit habe, dann ist das wirtschaftlich ein neuer Markt, den ich mir sichere. Wir haben es am tragischen Beispiel Eier gesehen. Viele Legehennenhalter haben lange um die Käfighaltung gekämpft, dabei war schon abzusehen, dass die Käfighaltung irgendwann verboten werden würde. Währenddessen haben Betriebe in Holland, Tschechien, Polen auf Öko-, Freiland- und Bodenhaltung umgestellt. Deshalb haben wir bis heute so viele Eier zum Beispiel aus den Niederlanden in den Läden. Weil die Deutschen die Chance verpasst haben, sich selbst den Markt zu sichern. Statt in den Qualitätskampf zu gehen, hat man sich in Deutschland in den Preiskampf gestürzt."

Erläuterung: In Deutschland ist die herkömmliche Käfighaltung von Legehennen seit dem 1. Januar 2009 verboten. In der gesamten EU ist die Batteriehaltung seit dem 1. Januar 2012 verboten. Erlaubt bleibt die Haltung in größeren Käfigen, in denen mehrere Hühner in Gruppen zusammensitzen.

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Massentierhaltung:Frage 2

Massentierhaltung

Quelle: afi/A. Farkas

Wo wird mehr gepfercht? Hat es der Mensch in der U-Bahn enger als die Pute im Stall?

Erläuterung: Puten werden häufig zu Zehntausenden in Ställen gehalten. Damit sie sich gegenseitig nicht verletzen, werden ihnen die Schnäbel gekürzt.

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Massentierhaltung:Antwort 2

pu

Quelle: SZ

Thomas Schröder: "Das kann man nicht vergleichen. Wir können entscheiden, die nächste Bahn zu nehmen. Das Huhn kann sich nicht entscheiden, den nächsten Stall auszusuchen. Der Mensch hat die Wahl. Das Tier hat nicht einmal die Chance dazu."

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Massentierhaltung:Frage 3

Bio-Siegel

Quelle: SZ

Welchem Siegel kann ich vertrauen? Ist es wirklich immer besser Bio zu kaufen und worauf soll man sonst noch achten?

Erläuterung: Das deutsche Bio-Siegel (links) gibt es seit 2001. Seit Juli 2010 gilt außerdem das EU-Bio-Siegel. Es muss verpflichtend auf alle Produkte aus ökologischer Landwirtschaft nach EU-Öko-Verordnung gedruckt werden.

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Massentierhaltung:Antwort 3

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Quelle: Hartmut Pöstges

Thomas Schröder: "Dem europäischen Bio-Siegel kann ich vertrauen, das ist der erste Schritt. Dann gibt es Siegel mit höheren Anforderungen an die Tierhaltung wie Neuland und die Bio-Siegel der einzelnen Verbände wie Naturland, Bioland, Demeter und andere. Die haben überprüfbare Kriterien, die ich nachlesen kann. Notfalls kann ich den Hof auch besuchen. Die Programme haben unterschiedliche Schwerpunkte. Bei einigen geht es in erster Linie um das Wohl des Tieres, bei anderen um die gesamte Umweltkette. Die Nachfrage nach Bio-Produkten wird größer, deshalb müssen auch die Bio-Landwirte immer mehr erklären, was sie da tun. Aber in der Regel können sie das und sie tun es auch."

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Massentierhaltung:Frage 4

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Quelle: Stephan Rumpf

Ist es auch sinnvoll, Produkte aus der Region zu kaufen?

Erläuterung: Umwelt- und Klimaschützer mahnen, beim Einkauf darauf zu achten, dass die Produkte keinen langen Weg hatten, also nicht mit Flugzeugen oder durch mehrere Länder hindurch in Lastwagen transportiert werden. Manche Landwirte schließen sich in regionalen Verbünden zusammen und werben mit der räumlichen Nähe um das Vertrauen der Kunden.

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Massentierhaltung:Antwort 4

Massentierhaltung

Quelle: Animals' Angels 2011

Thomas Schröder: "Regional heißt nur, dass das Tier in der näheren Umgebung gehalten wurde, aber wie das Tier gehalten wurde, ist damit nicht beantwortet. Ein Schwein könnte trotzdem dicht gedrängt mit Tausenden anderen in der Mastanlage gestanden haben. Auch der Aufdruck "vom Bauernhof" oder auch "Gutes vom Bauernhof" ist kein Kriterium. Wenn kein Siegel auf der Packung ist, das gesetzlichen oder freiwillig über das Gesetzliche hinausgehenden Standard garantiert, dann ist das nur eine Mogelpackung."

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Massentierhaltung:Frage 5:

Zuchtfisch: Ähnlich gesund und umweltschonend wie Wildfisch

Quelle: dpa-tmn

Darf ich Fisch aus Aquakulturen kaufen?

Erläuterung: Aquakulturen, wie hier in Norwegen, sollten der Überfischung der Meere entgegenwirken. Ihr Nutzen ist umstritten.

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Massentierhaltung:Antwort 5

Frischfisch mit Siegel

Quelle: dpa

Thomas Schröder: Man sollte, soweit es geht, auf Fisch aus Aquakulturen verzichten. Es sei denn, er trägt ein Siegel, bei dem ich darauf vertrauen kann, dass die Fische entweder unter ökologischen und Tierschutz-Gesichtspunkten vernünftig gehalten werden oder aus nachhaltigem Fang stammen. Aber im Grunde ist die Aquakultur die Schweinemast des Meeres, die Tierschutzprobleme sind mit denen in der Tier-Intensivhaltung vergleichbar.

Erläuterung: Der Tierschutzbund empfiehlt auf seiner Homepage mindestens auf das EU-Biosiegel und das Siegel des Marine Steward Councilship (MSC) zu achten. Greenpeace veröffentlicht jedes Jahr einen Fischratgeber. Die offiziellen Siegel finden beide Organisationen nicht ausreichend.

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Massentierhaltung:Frage 6

Melkkarussell der WestfaliaSurge GmbH

Quelle: obs

Auch wenn ich weder Fleisch noch Fisch esse, kann ich viel falsch machen. Worauf muss ich bei Milchprodukten achten?

Erläuterung: Nicht einmal fünf Jahre überleben Milchkühe unter modernen Hochleistungsbedingungen - früher haben Kühe 20 Jahre lang Milch gegeben.

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Massentierhaltung:Antwort 6

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Quelle: ERD

Thomas Schröder: "Es gibt ja zum Glück auch Milch aus ökologischer Weidehaltung. Vegetarier haben da oft schon das Bewusstsein dafür. Bei Produkten aus den Bio-Supermärkten sind auch die Zusatzstoffe in der Regel aus ökologischer Landwirtschaft. Ich sollte dann schon die Bio-Milch nehmen und nicht die konventionelle Milch, da habe ich die Turbo-Kuh wieder gefördert."

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Massentierhaltung:Frage 7

Massentierhaltung

Quelle: afi/A. Farkas

Massentierhaltung wird häufig damit begründet, dass die Kunden billiges Fleisch wollten. Ist denn der Verbraucher allein dafür verantwortlich, wie Tiere gehalten werden?

Erläuterung: Damit Schweine, die dicht gedrängt im Stall stehen, sich nicht gegenseitig verletzen, werden ihnen die Schwänze abgekniffen und ihre Eckzähne rund geschliffen. Ferkel werden ohne Betäubung kastriert, damit ihr Fleisch später keinen strengen Geruch bekommt. Die Zuchtsauen werfen häufig mehr Ferkel als sie Zitzen haben, um sie zu säugen.

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Massentierhaltung:Antwort 7

Biobauernhof auf dem Taubenberg, 2010

Quelle: Catherina Hess

Thomas Schröder: "Nein. Verantwortlich für die Tiere ist in erster Linie, derjenige der sie hält und die Politik, die die Rahmenbedingungen setzt. Trotzdem müssen wir alle unseren Konsum verändern, wenn sich die artgerechte Tierhaltung und ökologische Landwirtschaft durchsetzen sollen. Wir sehen bereits, dass der Handel darauf reagiert, dass die Menschen über so etwas nachdenken. Schon vor dem Ende der Käfighaltung etwa, begannen einige Supermärkte die Eier von Hühnern aus Legebatterien aus dem Handel zu nehmen. Das Bewusstsein der Händler dafür, dass die Verbraucher einen Anspruch an Tierschutz haben, wird durch Skandale gestärkt. Aber die Umstellung dauert zu lange."

Neben den Leserfragen hat Schröder der Süddeutschen ein Interview gegeben. Lesen Sie hier das Gespräch über die Qualen der Ferkel, Fleischkonsum und seinen Kampf für bessere Siegel.

© Süddeutsche.de/vgr/holz
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