Massenschlägerei bei Foxconn:Apples Party ist geplatzt

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2000 Arbeiter hatten sich geprügelt, jetzt stockt die Produktion des beliebten iPhone 5. Eine chinesische Fabrik des Apple-Zulieferers Foxconn wurde nach einer Massenschlägerei geschlossen. Dabei fehlen Foxconn ohnehin bereits 50.000 Arbeitskräfte, um die Nachfrage zu bedienen.

Marcel Grzanna, Peking

Es hat gerade einmal 24 Stunden gedauert. 24 Stunden, bis es nach der Präsentation des neuen iPhones bereits zwei Millionen Vorbestellungen für das Gerät von Apple gab. Nach Angaben der kalifornischen Firma wurden in den ersten 72 Stunden nach Verkaufsstart am vorigen Freitag fünf Millionen Geräte verkauft. Weltweit warten noch viele Millionen darauf, ihr Handy gegen ein iPhone 5 zu tauschen.

Vor zwei Jahren posierten chinesische Foxconn-Arbeiter auf Firmenbefehl mit Herzchen-T-Shirts. Jetzt gab es in einem Werk eine Massenschlägerei unter 2000 Mitarbeitern. (Foto: Bobby Yip/Reuters)

Für sie könnte ein umgestürztes Polizeifahrzeug im nordchinesischen Taiyuan zu einem schlechten Vorzeichen werden: Randalierende Arbeiter auf einem Fabrikgelände des Apple-Zulieferers Foxconn hatten zugelangt. In einem Schlafsaal hatte es in der Nacht eine Massenschlägerei gegeben, 2000 waren beteiligt. 5000 Polizisten schritten ein, sie brauchten zehn Stunden, um die Lage zu kontrollieren. 40 Arbeiter wurden verletzt. Vor allem aber: Die Fabrik ließ die Produktion am Montag zunächst ruhen, offiziell, um die Unruhen aufzuklären. Und das könnte einen baldigen Versorgungsengpass für das iPhone 5 bedeuten.

Denn die Geräte, die in Cupertino in den USA erdacht werden, lässt Apple über das taiwanesische Unternehmen in China zusammenschrauben. Einige Arbeiter berichten, die Fabrik in Taiyuan sei auch Teil der Produktionskette des iPhone 5. Foxconn will sich dazu nicht äußern. Man liefere Teile für viele Anbieter von Konsumelektronik, heißt es lediglich.

Viele geben Foxconn die Schuld für die Prügelei

Was genau in der Fabrik passierte, ist unklar. Foxconn teilt mit, einige Dutzend Arbeiter hätten mit Gewalt einen privaten Streit austragen wollten, andere hätten sich dann eingemischt. Im Internet erzählen Arbeiter eine andere Geschichte: Viele geben Foxconn die Schuld für die Prügelei. Wachleute sollen einen der Arbeiter geschlagen haben, woraufhin sich dessen Kollegen wehrten - und es zu den Krawallen gekommen sei.

Bis zu mehrere Tausend Arbeiter sollen in den Vorfall verwickelt gewesen sein; insgesamt beschäftigt Foxconn in Taiyuan fast 80.000 Menschen. 80.000, das ist für deutsche Verhältnisse fast eine Großstadt. Eine City nur mit Malochern für Apple und andere Konzerne wie Sony und Nokia, das muss man sich erst einmal vorstellen. Fotos im Netz zeigen zertrümmerte Fensterscheiben. Die örtliche Polizei lehnt es ab, die Lage zu kommentieren. Foxconn teilt mit: alles unter Kontrolle.

Die Krawalle kommen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt für das Unternehmen, das mehr als eine Million Menschen an 13 Standorten in China beschäftigt. Die Produktion des iPhone 5 läuft wenige Tage nach dem weltweiten Verkaufsstart auf Hochtouren. Während in den Läden überall auf der Welt die Apple-Fans ordern, schuften die Chinesen im Akkord. Offenbar zu langsam.

In Fabriken in der Provinz Henan sucht Foxconn händeringend nach Arbeitern, um die vielen Orders aus dem Ausland bedienen zu können. In der Provinzhauptstadt Zhengzhou müssen innerhalb einer Woche 50.000 neue Arbeitskräfte gefunden werden, um Verzögerungen zu vermeiden, berichtet die taiwanesische Finanzzeitung Commercial Times. Insgesamt fehlten Foxconn in den kommenden Monaten 200.000 Arbeiter, heißt es.

Überraschend kommt das nicht. Schon seit Wochen unterstützt die Provinzregierung die Firma bei der Suche nach Arbeitern, nachdem Apple den Beginn der Produktion des iPhone 5 angegeben hatte. Mit teilweise fragwürdigen Mitteln rekrutieren die Behörden Arbeiter. Kurz vor Vorstellung des neuen iPhones gab es die ersten Berichte, Studenten aus der Region würden zu mehrwöchigen Zwangspraktika verdonnert, um bei Foxconn am Band zu stehen. Zwar rechtfertigten die Behörden das als Unterstützung der Studenten auf deren Berufslaufbahn - konnten aber nicht erklären, warum auch Buchhalter und Juristen bei Foxconn jobben sollten. Studenten klagten, sie hätte keine Wahl gehabt.

Geschmuggelte Apple-Geräte für Preise von bis zu 1300 Dollar

Den Druck, das iPhone 5 zu produzieren, mildert allein, dass in China das neue Apple-Smartphone erst im Dezember in die Läden kommen soll. Auch in China sind die Produkte des Unternehmens extrem gefragt. Schon jetzt werden auf dem Graumarkt geschmuggelte Geräte für Preise von bis zu 1300 US-Dollar angeboten. Die meisten dieser iPhones kommen aus Hongkong. Analysten von Forrester glauben, 70 Prozent aller in Hongkong verkauften iPhones 5 würden über die Grenze nach China geschafft; in Hongkong startet Apple in Kürze einen Vertriebsstandort.

Dem Konsumentenwahn um Apple-Produkte in China wird die Zentralregierung in Peking allerdings nur so lange freien Lauf lassen, wie sie die politische Stabilität im eigenen Land für ungefährdet hält. Die Unruhen in der Foxconn-Fabrik haben die Behörden alarmiert - so kam es zum Großeinsatz von Polizisten und Sicherheitsleuten in Taiyuan. Wenige Wochen vor dem Parteitag, bei dem der Öffentlichkeit eine neue Führungsriege präsentiert werden soll, will man in der Volksrepublik vor allem eines vermitteln: Harmonie und Ruhe. Proteste sind daher unerwünscht.

Der Lohn reicht kaum zum Leben, sagen viele Arbeiter

Wenn die Regierung Lärm fürchten muss, wird sie die Foxconn-Fabrik so lange geschlossen halten, wie sie es für nötig hält. Selbst wenn das bedeutet, dass der eigene Ruf im Ausland leidet - etwa weil ausländische Unternehmen sich nicht auf die Produktion in China verlassen können.

Foxconn ist oft wegen schlechter Arbeitsbedingungen kritisiert worden. 2010 und 2011 brachten sich mehrere Arbeiter um, in einer Fabrik starben Menschen nach einer Explosion. Seither hat das Unternehmen vieles verbessert, stellten Gutachter der Fair Labor Association fest. Noch immer aber sagen viele Arbeiter, der Lohn reiche kaum zum Leben.

Ein Video, das auf dem Internetportal Youku zu sehen war, am Montag aber entfernt wurde, zeigt Menschenmassen, die vor Einsatzfahrzeugen der Polizei lauern. "Lasst uns über das Problem reden", appelliert eine Stimme über Lautsprecher an die überwiegend jungen Menschen. Foxconn sei für ein "sehr autoritäres Management bekannt, und die Regeln sind sehr streng", sagt Geoffrey Crothall, Sprecher der Arbeitsrechtsorganisation China Labour: "In einem Umfeld wie bei Foxconn, wo Arbeiter als Produktionseinheiten behandelt werden - wie Roboter, nicht Menschen -, ist Gewalt manchmal der einzige Ausweg."

© SZ vom 25.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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