Süddeutsche Zeitung

Urteil:Maschmeyer gewinnt, Claassen verliert

Es ist ein juristisches Ringen zwischen zwei Alphamännern, die sich restlos zerstritten haben. Vor dem Landgericht München hat nun Investor Carsten Maschmeyer über seinen früheren Geschäftspartner Utz Claassen gewonnen.

Von Marc Beise

Sie waren einmal dicke Freunde, die herzlichen Kontakt auf allen Ebenen hatten und sich gegenseitig schmeichlerische Botschaften zukommen ließen. Zwei Männer aus Hannover, die sich hochgearbeitet haben und, wenn auch unterschiedlich, reich geworden sind: der ehemalige Firmengründer und Finanzdienstleister Carsten Maschmeyer, mittlerweile ein hochvermögender Investor und Fernsehgesicht ("Höhle der Löwen"). Und Utz Claassen, einst Vorstandschef des Energiekonzerns EnBW und jetzt Chef des von ihm gegründeten Medizintechnikherstellers Syntellix AG in Hannover.

An dieser Firma, die Implantate und Schrauben aus sich selbst im Körper auflösendem Magnesium herstellt, hatte sich Maschmeyer zeitweise beteiligt, war aber mit Claassens Führungs- und Finanzgebaren zunehmend unzufrieden. Das sagte er auch öffentlich, was Claassen um seinen Ruf fürchten ließ. Die Freundschaft zerbrach. In mehreren Verfahren bekriegen sich die beiden nun vor Gericht. In München ist nun ein wichtiges Urteil ergangen. Das Landgericht wies eine Schadenersatzklage von Claassen gegen seinen früheren Großaktionär Maschmeyer glatt ab; auch ein weiteres Verfahren in München ging bereits im November zugunsten von Maschmeyer aus.

In dem jetzt entschiedenen Prozess (Az. 5 HK O 19057/18) verlangte Claassens Firma Syntellix von Maschmeyer und einem ehemaligen Syntellix-Aufsichtsratsmitglied 6,3 Millionen Euro Schadenersatz. Begründung: Maschmeyer habe aktienrechtliche Treuepflichten verletzt und eine "auf die Vernichtung des Unternehmens gerichtete Kampagne" geführt. Daher hätte Syntellix eine Kapitalerhöhung nur zu einem sehr viel niedrigeren Ausgabepreis der Aktien durchführen können. Zudem seien unnötig hohe Anwaltskosten entstanden. Die Münchner Richter sehen aber in ihrem 139 Seiten umfassenden Urteil keine Schadenersatzpflicht. Zudem muss Claassen auch die Verfahrenskosten vollständig tragen.

Der auf einer Hauptversammlung erhobene Vorwurf, Aufsichtsratschef Claasen spiele "Prinz Karneval", sei vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt und verstoße nicht gegen die Treuepflicht eines Aktionärs, so die Richter. Claassen empfand die Bemerkung als ehrenrührig. Auch die Beschreibung seiner Tätigkeit als zeitweiliger Präsident des damaligen spanischen Zweitliga-Fußballvereins Real Mallorca als "Hobby des Aufsichtsratsvorsitzenden" sowie andere kritische Wortmeldungen aus dem Maschmeyer-Lager sah das Gericht als zulässige Meinungsäußerungen an. Sie bedeuten daher auch keine Pflichtverletzung. Auch die Forderung nach einer Sonderprüfung und einem neutralen Hauptversammlungsleiter anstelle des Aufsichtsratschefs Claassen sei nach Aktienrecht zulässig gewesen, so die 5. Kammer für Handelssachen am Landgericht München I.

Der von Claassen respektive seiner Firmy Syntellix beklagte frühere Aufsichtsrat Maschmeyer haftet demnach auch nicht wegen des Vorwurfs, es seien in einer E-Mail an einen Wettbewerber Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse verraten worden. Denn der Inhalt der E-Mail sei damals bereits öffentlich bekannt gewesen, stellte die Kammer fest.

Das Münchner Urteil könnte Auswirkungen auf ein anderes Verfahren in Hannover haben. Das hat jetzt einige Wochen geruht, möglicherweise, weil man in Hannover erst mal den Ausgang der Dinge in München abwarten wollte. Maschmeyer kommt der Verlauf der Dinge zupass. Er hatte Claassens Münchner Klagen immer als Ablenkungsmanöver von seinen Forderungen gewertet, die er in Hannover erhoben hat. Dort ist Maschmeyer der Kläger und sieht Ansprüche gegen Utz Claassen.

Ob sich damit die Waage endgültig zulasten Claassens neigt, steht noch nicht fest, das neueste Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Als sicher darf jedoch gelten, dass von der einstigen Männerfreundschaft der Groß-Egos aus Hannover nichts mehr übrig ist - wie auch immer die juristischen Verfahren am Ende alle ausgehen werden.

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