Süddeutsche Zeitung

Maschinensteuer:Abgabe auf Roboter

Die alte Idee der Maschinensteuer wird neu belebt. Manche Ökonomen befürchten, dass die Jobs der Mittelschicht Opfer der Digitalisierung werden. Was könnte der Staat mit den Einnahmen machen?

Von Guido Bohsem, Berlin

Die Maschinensteuer ist die hässliche kleine Schwester des Grundeinkommens. Denn je mehr darüber diskutiert wird, die Bürger durch bedingungslose monatliche Zahlungen des Staates über Wasser zu halten, desto häufiger stellt sich die Frage: Wie eigentlich soll diese schöne Idee denn bezahlt werden? Die Maschinensteuer oder auch Wertschöpfungssteuer wird häufig als Antwort genannt.

Es war Post-Vorstandschef Frank Appel, der die Jahrzehnte alte Idee wieder aufgriff. Appel passte sie der Zeit an und sprach von Robotersteuer. Vertreten wird das Modell aber auch von der linken Seite des politischen Spektrums, etwas vom Kölner Politologen Christoph Butterwegge (wobei dieser die Idee eines Grundeinkommens ablehnt).

Das Grundeinkommen - zum Beispiel von 1000 Euro im Monat - stößt bei vielen Vertretern aus der Wirtschaft und nicht zuletzt bei den libertären Unternehmenschefs aus dem Silicon Valley auf große Zustimmung. Sie argumentieren, dass ein regelmäßiger Scheck vom Staat ungeahnte Kräfte im Menschen wecken könne. Der fehlende Zwang zur Arbeit würde in ihnen ungeheure Schöpferkraft und Gemeinsein wecken und so der Menschheit zu einem besseren Dasein verhelfen.

Hintergrund der Überlegung ist eine in den USA seit Jahren bestehende Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Es kommt, grob gesagt, zu einer Polarisierung der Stellen. Das heißt, die Zahl der gut bezahlten Jobs an einem Ende und die schlecht bezahlten am anderen nimmt zu. Die Arbeitsplätze in der Mitte hingegen nehmen ab. Manche Forscher gehen davon aus, dass dieser Trend durch die Digitalisierung der Wirtschaft noch verschärft und beschleunigt wird. Eine geläufige These lautet, dass die Roboter ganze Berufe aussterben lassen, weil sie diese besser und billiger erledigen können. Für die ehemaligen Facharbeiter hingegen bleibe keine Arbeit mehr übrig. Das Grundeinkommen a la Silicon Valley scheint in diesem Zusammenhang also vordringlich dazu gedacht, die Zahl der Konsumenten zu erhalten.

Historisch lässt sich ein Aussterben der Arbeit durch technologischen Fortschritt nicht belegen. Jeder Entwicklungsschritt hat bislang dazu geführt, dass mehr Menschen (und oftmals in besseren Berufen) arbeiten konnten. Diesmal ist es anders, argumentieren die Vertreter des Job-Sterbens, weil die Digitalisierung die Wirtschaft in einer ungeheuren Geschwindigkeit umkrempeln wird. Das heißt, die Arbeitnehmer haben nicht genügend Zeit, sich an die neue Welt anzupassen. Es komme daher zu einer Phase des Fachkräftemangels in den neuen Arbeitsbereichen und der Arbeitslosigkeit in den alten, weggefallenen Berufen und diese gehören - Stichwort Polarisierung - eben hauptsächlich der derzeitigen Mittelschicht an.

Die Produktivität steigt in Deutschland seit Jahren nur noch gering

Für die Länder Europas würde diese Entwicklung eine große Gefahr bedeuten. Das Gemeindewesen, so die Sorge, könnte zusammenbrechen. Denn ohne die arbeitende Mittelschicht könnten Gemeinwesen und Sozialstaat im gewohnten Ausmaß nicht mehr finanziert werden. An dieser Stelle kommt die Maschinensteuer zum Zuge. Kerngedanke der Abgabe ist es, Unternehmen mit vielen Robotern, Computern und Maschinen und wenigen Arbeitnehmern höher zu belasten als Unternehmen mit vielen Arbeitnehmern und wenigen Maschinen.

Mit den Einnahmen soll der Staat dann entweder Dinge wie das bedingungslose Grundeinkommen einführen oder die Sozialabgaben deutlich senken. Kein Wunder also, dass Appel als Chef eines recht personalintensiven Unternehmens wie der Post Gefallen an einer Robotersteuer finden kann - auch um einen Vorteil im Vergleich zum potenziellen Konkurrenten Amazon zu erzielen, der immer stärker darauf setzt, die eigenen Waren künftig auch selbst auszuliefern.

Unter deutschen Ökonomen wird die Maschinensteuer eher zurückhaltend aufgenommen. Kein Wunder, wurde die Diskussion um eine solche Abgabe bereits in den 1970er-Jahren sehr intensiv geführt. Die damaligen Forschungen ergaben dabei, dass sich die Steuer mittelfristig sogar negativ auf die Zahl der Arbeitsplätze auswirken werde - weil es für ein Unternehmen in der Regel zwei Komponenten braucht, nämlich Kapital und Arbeit. Die Belastung des investierten Kapitals würde aber, so die Forschung von damals, dauerhaft zu geringer Produktivität führen.

Laut Steffen Roth vom Kölner Institut für Wirtschaftspolitik ist "die Angst, dass uns die Beschäftigung ausgeht empirisch bislang völlig unbegründet". Im Gegenteil, sei es in der Vergangenheit bislang immer so gewesen, dass eintönige und gefährliche Arbeit durch angenehmere und sicherere Jobs abgelöst worden sei. Für ein Land mit kapitalintensiver Produktion wie es Deutschland sei, könne eine Maschinensteuer jedenfalls gefährlich werden. Die Gefahr bestehe, dass die Unternehmen mittelfristig nur noch im Maschinensteuer-freien Ausland in neue Fabriken oder Maschinen investierten, so Roth.

Auch Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung kann der Idee der Maschinensteuer nur wenig abgewinnen. "In Deutschland haben wir seit Jahren nur noch einen geringen Anstieg der Produktivität. Eine Maschinensteuer würde das Wenige, was wir noch haben, weiter beschneiden." Auch angesichts der aktuell sehr günstigen Situation am Arbeitsmarkt und dem anstehenden demografischen Wandel der Gesellschaft mit einer tendenziell sinkenden Zahl von Erwerbstätigen zeigten, dass die Idee einer Maschinensteuer eher kontraproduktiv wirken werde.

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Quelle:
SZ vom 18.07.2016
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