Thomas Lindner:"Mich würde jede Partei nach vier Wochen rauswerfen"

Thomas Lindner, designierter Präsident des Maschinenbauverbandes VDMA, über Lobbying, Bildung als Produkt und das negative Unternehmerbild.

Elisabeth Dostert

Am Freitag ist es so weit. Dann soll der schwäbische Unternehmer Thomas Lindner, geschäftsführender Gesellschafter des Nadel- und Textilmaschinenherstellers Groz-Beckert, zum neuen Präsidenten des Maschinenbauverbandes VDMA gewählt werden. Er tritt die Nachfolge von Manfred Wittenstein ein, der das Amt die vergangenen drei Jahre innehatte. Zum Politiker taugt er nicht, sagt Lindner. Da wird er sich umstellen müssen. Gespräche mit Politikern gehören zum neuen Job.

Thomas Lindner, Chef des Nadelherstellers Groz-Beckert und voraussichtlich zukünftiger Präsident des Maschinenbauverbandes VDMA: "Unternehmer sind eher kantige Leute, Individualisten mit ganz untersch

Thomas Lindner, Chef des Nadelherstellers Groz-Beckert und voraussichtlich zukünftiger Präsident des Maschinenbauverbandes VDMA: "Unternehmer sind eher kantige Leute, Individualisten mit ganz unterschiedlichen Meinungen."

(Foto: dpa)

SZ: Herr Lindner, morgen sollen Sie zum neuen Präsidenten des VDMA gewählt werden. Mit wie vielen Gegenstimmen rechnen Sie?

Thomas Lindner: Bei einer demokratischen Abstimmung kann man das nie wissen.

SZ: Nennen Sie doch mal zwei Gründe, gegen Sie zu stimmen?

Lindner: Wenn ich zwei Gründe wüsste, würde ich nicht antreten.

SZ: Was qualifiziert Sie denn für das Amt?

Lindner: Das müssen Sie die Mitglieder des Hauptvorstands fragen, die wählen. Ich bin seit vielen Jahren im VDMA aktiv. Jeder weiß, wen er wählt. Keiner kann anschließend behaupten, dass er nicht wusste, worauf er sich da eingelassen hat.

SZ: Warum geht es bei der Besetzung von Verbandsämtern in Deutschland fast immer so zu wie im kommunistischen China? Der Neue steht schon vor der Wahl fest. Sie haben ja auch keinen Gegenkandidaten. Das ist nicht sehr demokratisch?

Lindner: Warum? Es kann jederzeit ein Kandidat aufgestellt werden.

SZ: Gab es das schon mal?

Linder: Beim Präsidenten nicht. Ich schließe daraus, dass die Vorschläge immer auf einen breiten Konsens gestoßen sind. Es gab nie das Bedürfnis nach einem konkurrierenden Kandidaten.

SZ: Oder es will keiner machen, weil das Amt nicht so attraktiv ist?

Lindner: Ich glaube schon, dass das Amt attraktiv ist. Die bisherigen Präsidenten waren gestandene Unternehmer - oder? Wenn sich, wie in der Vergangenheit, so erfolgreiche Unternehmer wie Diether Klingelnberg, Dieter Brucklacher oder Manfred Wittenstein zur Verfügung stellen, muss an dem Amt doch etwas dran sein, sonst würden die das nicht tun.

SZ: Herr Lindner, was ist so schön daran, den VDMA zu führen?

Lindner: Schön ist vielleicht nicht der richtige Begriff. Es geht doch um die Frage, was motiviert jemanden, das zu machen?

SZ: Und?

Lindner: Wenn man seine Aufgabe als Unternehmer ganzheitlich und nachhaltig sieht, kann man sich nicht immer nur auf die Arbeit im eigenen Unternehmen beschränken, sondern man muss auch gesellschaftliche Funktionen wahrnehmen und sich seiner Verantwortung stellen. Man hat doch verschiedene Möglichkeiten, sich in die Gesellschaft einzubringen. Sie können immer nur Unternehmer bleiben oder Sie können Politiker werden. Oder Sie können versuchen, irgendwo zwischendrin zu operieren.

SZ: Warum dann "irgendwo zwischendrin" als Lobbyist und nicht Politiker?

Lindner: Unternehmer sind in der Regel keine besonders begnadeten Politiker, weil die Sozialisierung des Unternehmers sich fundamental von der des Politikers unterscheidet.

SZ: Inwiefern?

Lindner: Zwischen den Entscheidungsprozessen in einem Unternehmen und in der Politik gibt es schon gewisse Inkompatibilitäten. Politiker haben meine volle Bewunderung für die Geduld und die Zähigkeit, mit der sie in hochkomplexen Gemengelagen trotzdem noch irgendwas bewegen. Ein Unternehmen lebt davon, dass Entscheidungen schnell und effizient getroffen und Fehler schnell korrigiert werden. Ein Unternehmen ist nur bis zu einem gewissen Punkt eine demokratische Veranstaltung. Am Ende sagt der Chef: "So machen wir es" - und so wird es dann gemacht. Dafür übernehmen sie die dann auch die volle Verantwortung.

SZ: Und das alles trifft auf die Politik nicht zu: nicht schnell, nicht effizient und Fehlentscheidungen werden nicht revidiert?

Lindner: Im Einzelnen vielleicht schon, aber der Gesamtprozess ist zäh. Und was die Verantwortung der Politiker betrifft, die werden bestenfalls abgewählt. Als Unternehmer denkt man ständig in Effizienzklassen. Ist es sinnvoll meine Arbeitszeit für A, B oder C einzusetzen. Ich bin überzeugt, dass es effizienter ist, meine Arbeitskraft für einen Verband einzusetzen als Politiker zu werden.

SZ: Sie taugen nicht als Politiker?

Lindner: Ich bin völlig untauglich. Mich würde jede Partei nach vier Wochen rauswerfen, wenn ich in ihren Gremien wirksam würde. Passiv würden sie mich vielleicht schon halten.

SZ: Sind Sie passives Mitglied einer Partei?

Lindner: Ich bin Mitglied der CDU.

SZ: Trotzdem werden Sie sich als VDMA-Präsident umstellen müssen. Da treffen diese beiden unvereinbaren Gebilde Unternehmer und Politiker ständig aufeinander.

Lindner: Da ist schon noch ein Unterschied, ob sie in dem Prozess selbst drinstecken oder auf ihn Einfluss nehmen wollen. Die Leidensfähigkeit im Prozess muss noch erheblich höher sein, als wenn sie von außen versuchen, den Prozess mitzugestalten.

SZ: Haben Sie schon einen Termin für Ihren Antrittsbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel?

Lindner: Nein, erst muss die Wahl abgeschlossen sein. Es ist üblich, dass sich der neue Präsident bei der Kanzlerin und den für uns wichtigen Ministern vorstellt. Bis Ende Januar sollte das erfolgt sein.

SZ: Herr Lindner, gehen Sie auch zur Opposition?

Lindner: Ich habe keine Berührungsängste. Und der VDMA ist politisch neutral. Es ist ein Gebot der Höflichkeit, wenn man in einem Verband, der nun nicht gerade lokale Bedeutung hat, ein Ehrenamt übernimmt, dass man sich irgendwann bei den politischen Mandatsträgern vorstellt.

"Die Bildungspolitik ärgert mich"

SZ: Sind Sie mit der bisherigen Arbeit der Regierung zufrieden?

Lindner: Mich zufriedenzustellen, ist sehr schwierig. Wahrscheinlich bin ich nie ganz zufrieden.

SZ: Geben Sie doch selbst mal eine Schulnote?

Lindner: Schwierig. Es gibt so viele Felder. Ich müsste die Frage dann auch nicht als Kandidat für ein VDMA-Amt beantworten, sondern als Privatperson, denn die Vielschichtigkeit der Politik geht weit über das Themenfeld des VDMA hinaus.

SZ: Dann antworten Sie bitte als private Person.

Lindner: Ich bin nicht mit allem zufrieden.

SZ: Was ärgert Sie denn besonders?

Lindner: Die Bildungspolitik. Da könnte man viel besser sein. Bildung ist unglaublich wichtig. Wenn 15 Prozent der Jugendlichen eines Jahrgangs nicht oder nur schwer ausbildungsfähig sind, dann handeln wir gesellschaftlich unverantwortlich und verschleudern zusätzlich einen gigantischen volkswirtschaftlichen Wert.

SZ: Wie wäre Ihr Ansatz, dieses Problem zu lösen?

Lindner: Ich würde bei den Eltern anfangen. Die tragen die Hauptverantwortung. Die Fehler werden nicht erst gemacht, wenn die Kinder 14 Jahre alt sind. Das fängt schon mit drei Monaten an.

SZ: Wie wollen Sie denn Eltern dazu zwingen, ihre Kinder zu bilden?

Lindner: Man muss ihnen immer wieder klarmachen, was für Chancen Bildung den Kindern eröffnet. Ich gehe doch mal davon aus, dass alle Eltern ein angeborenes Interesse haben, dass es ihren Kindern irgendwann im Leben mal ordentlich geht. Viele Eltern unterschätzen die Bedeutung von Bildung für die Zukunft ihrer Kinder.

SZ: Wenn dieses Interesse angeboren wäre, dürfte es diese 15 Prozent doch gar nicht geben?

Lindner: Es sind nicht nur die Eltern. Das Problem ist sehr vielschichtig. Es ist natürlich das Bildungssystem, es ist Begabung, es ist Freundeskreis. Mangelnde Bildung hat viele Ursachen, deshalb gibt es auch viele Schräubchen, an denen man drehen kann und muss. An vielen drehen wir vielleicht nicht in die richtige Richtung oder zu langsam. Unser ganzes Bildungssystem muss sich von dieser Input-Orientierung abkehren.

SZ: Was meinen Sie damit?

Lindner: Die Politik rechtfertigt sich doch ständig damit, dass mehr Lehrer eingestellt und Schulen gebaut wurden. Das ist der Input. Für uns ist doch der Output interessant. Was wollen wir denn eigentlich für ein Bildungsziel erreichen? Schon da gibt es keine einheitlichen Vorstellungen. Es gibt kein deutsches Bildungsziel.

SZ: Jetzt redet wieder der Unternehmer. Die Bildung als Produkt!

Lindner: Klar. In solchen Kategorien denken Unternehmer: Wo ist das Ziel, wo ist das Produkt, wo ist der Markt und was muss ich dafür tun. Das ist doch in Ordnung.

SZ: Bildung muss vielleicht anders funktionieren. Sie als Unternehmer wollen das "Produkt" ausbildungsfähige Jugendliche, damit Sie der sich abzeichnende Fachkräftemangel nicht ganz so heftig trifft. Die Gesellschaft braucht vielleicht ganz andere, ganz viele unterschiedliche "Produkte".

Lindner: Das Bildungsziel der Wirtschaft ist nicht so mehrdimensional wie das der Gesellschaft. Deshalb ist es eine gesellschaftliche Aufgabe, für Bildung zu sorgen. Wenn die Wirtschaft alleine Bildung betreiben würde, wäre das sicher ein relativ eindimensionales Bildungsziel. Das wäre dann in der Tat gesellschaftspolitisch problematisch. Sie können von der Industrie aber nicht erwarten, dass wir Altertumsforscher ausbilden. Wir fördern sie vielleicht über den Stifterverband oder Ähnliches. Mehr geht nicht.

SZ: Angela Merkel ist in den vergangenen Wochen wiederholt als Kanzlerin der Konzerne tituliert worden. Den Maschinenbau prägen kleine und mittlere Unternehmen. Fühlen Sie sich als Mittelständler politisch diskriminiert?

Lindner: Nein. Aber ich glaube nicht, dass die Politik über die verbale Wertschätzung hinaus, den Mittelstand so adressiert und im Fokus hat, wie es nötig wäre und wie es seiner Bedeutung für die gesamte deutsche Wirtschaft entspricht.

SZ: Seit Jahrzehnten arbeiten Verbände wie der VDMA daran, das zu ändern. Warum dringen Sie nicht durch?

Lindner: Das hat einen ganz einfachen Grund. Unternehmer werden Sie ja nicht, wenn Sie immer im Mainstream handeln, denken und laufen. Unternehmer sind in der Tendenz doch eher kantigere Leute, Individualisten mit ganz unterschiedlichen Meinungen. Das macht es ganz schwierig, den Mittelstand auf einen Nenner zu bringen. Es gibt nicht "die" Unternehmermeinung. Es gibt Zehntausende oder Hunderttausende Meinungen. Jeder Politiker kann sich je nach Couleur die zwanzig Meinungen herausfiltern, die ihm passen. Deshalb sind die Verbände im Mittelstand so wichtig, um Meinungen zu formulieren. Der einzelne Mittelständler ist zu schwach.

SZ: Und trotz der gebündelten Kräfte, Beispiel Atomkompromiss, setzen sich die Konzerne durch!

Lindner: Ja, weil in der veröffentlichten Meinung die Konzerne häufiger auftauchen. Und Politik reagiert auf den Druck, der durch veröffentlichte Meinung entsteht. Da hat natürlich die Großindustrie eine ganz andere Durchschlagskraft. Und der VDMA ist nun mal ein Verband, der keine extremen Positionen bezieht. Wir müssen doch vernünftige, abgewogene Positionen haben, die von möglichst vielen Mitgliedern getragen werden.

SZ: Wie lange taugt Deutschland noch als Produktionsstandort?

Lindner: Ich hoffe, ganz viele Generationen.

SZ: Fühlen Sie sich als Unternehmer in Deutschland noch wohl und anerkannt?

Lindner: Relativ zu anderen Ländern schon. Absolut nur mit Einschränkungen.

SZ: Weshalb?

Lindner: Nicht nur in der Politik, auch in der Gesellschaft wird der Wert des Mittelstands extrem unterschätzt. Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts. Alles, was wir uns gerne leisten wollen, ob Kultur oder ob Bildung, können wir uns doch nur auf Basis einer soliden, ertragreichen, zukunftsfähigen wirtschaftlichen Grundlage leisten. Die ist in Deutschland überwiegend mittelständisch, Gott sei Dank. Auch die Großindustrie ist ohne den Mittelstand gar nicht überlebensfähig. Im Allgemeinen wird ein relativ problematisches Unternehmerbild verbreitet.

SZ: Von wem?

Lindner: Von vielen. Von Verbänden, einzelnen Personen, den Medien. Wenn ein Politiker sagt, er wolle einen industriefreundlichen Kurs fahren, wird er von allen Seiten angegriffen. Wenn in den Nachrichten immer von den Multis und Großkonzernen die Rede ist, wird mit Begriffen hantiert, die negative Emotionen auslösen. Deshalb ist das Unternehmerbild der Deutschen eher ablehnend, feindlich wäre zu stark. In der Bevölkerung herrscht so eine Haltung: Die braucht man, aber lieben tun wir sie nicht. Nun muss man als Unternehmer nicht unbedingt geliebt werden.

SZ: Sie wollen nicht geliebt werden?

Lindner: Geliebt werde ich hoffentlich von meiner Frau. Von meinen Mitarbeitern möchte ich anerkannt und respektiert werden.

SZ: Der Mittelstand tut auch wenig, um sein Image aufzubessern. Er ist viel zu verschlossen, so wie Sie. Wer weiß denn schon, was Ihre Firma, Groz-Beckert, macht? Was wollen Sie denn als VDMA-Präsident für das Image des Mittelstands tun?

Lindner: Eine vernünftige Verbandspolitik betreiben und natürlich ein vernünftiges Vorbild geben.

SZ: Und ab November wird man Sie dann im Fernsehen mit Anne Will diskutieren sehen oder am Stehpult von Frank Plasberg? Gibt es schon Anfragen?

Lindner: Nein, bislang nicht.

SZ: Warum überlassen Sie denn das stark meinungsbildende Spielfeld Fernsehen Männern wie dem früheren BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel oder Trigema-Chef Wolfgang Grupp?

Lindner: Da müssen Sie auch die Unternehmer verstehen. Unternehmer haben gelernt, ein Unternehmen zu führen und nicht bei Frau Will aufzutreten.

SZ: Auch das kann man lernen!

Lindner: Dazu hat der normale Mittelständler keine Zeit. Am besten überzeugen Sie durch ein gutes Vorbild. Das ist wie in der Kindererziehung. Wenn ich ein gutes Vorbild abgebe, genieße ich auch Autorität und kann Einfluss nehmen. Dabei macht man auch Fehler.

SZ: Was haben Sie denn bei Ihren Kindern falsch gemacht?

Lindner: Ich hätte bei meinen Kindern das Thema Allgemeinbildung intensivieren müssen. Aber wenn Sie eine Firma führen, haben Sie eben auch nicht so unendlich viel Zeit für die Erziehung. Aber ich bin mit meinen Kindern recht zufrieden. Um ein Unternehmerbild zu formen, muss man nicht unbedingt ins Fernsehen gehen. Man kann es auch dadurch tun, dass man sich auf Feldern betätigt, die die Bevölkerung gut findet.

SZ: Herr Lindner, was tun Sie denn so, was die Bevölkerung gut findet?

Lindner: Alles mögliche. Das Unternehmen unterstützt sicher 200 Vereine mit kleinen Beträgen, Schulen, soziale Einrichtungen, aber mit einem Schwerpunkt in unserem direkten Umfeld in Albstadt, da weiß ich, was mit dem Geld passiert. Ich würde nie einen Bürgerverein in Hamburg unterstützen, das sollen Hamburger Unternehmer machen. Wir unterstützen grundsätzlich auch keinen Profisport.

SZ: Zu teuer?

Lindner: Nein, ineffizient. Profisport arbeitet mit Menschen, die Sport als Beruf betreiben. Da spielen angestellte Leute, die bleiben so lange, wie sie vernünftig bezahlt werden, und dann sind sie wieder weg. Mir fehlt in diesem Konzept die Nachhaltigkeit. Ich unterstütze Vereine, die eine gute Jugendarbeit machen, damit eine gesellschaftspolitische Verantwortung wahrnehmen und auch dann überlebensfähig sind, wenn einmal etwas weniger Geld zur Vefügung steht. Und das erhöht natürlich die Attraktivität des Standortes für unsere Mitarbeiter. Die Vereins-Landschaft ist unglaublich wichtig für die Region.

SZ: Das tun Sie, weil Sie als Arbeitgeber attraktiv sein wollen und Mitarbeiter brauchen?

Lindner: Ist das verwerflich? Das ist doch ein legitimes Anliegen.

SZ: Die Unterstützung kriegt dann eben einen kleinen Beigeschmack!

Lindner: Das Sponsoring eines Unternehmens ist nie wertfrei. Das geht doch gar nicht.

SZ: Auf wie viel summieren sich die Spenden denn so in einem Jahr?

Lindner: Da kommt schon ein sechsstelliger Betrag zusammen. Das hängen wir aber in der Öffentlichkeit nicht so an die große Glocke.

SZ: Der Einzige, der Ihre Kandidatur hätte gefährden können, war Joachim Rohwedder. Aber seine Firma ging insolvent, damit kam er als Präsident nicht mehr in Frage. Wie oft haben Sie im vergangenen Jahr gedacht, es kann doch jeden erwischen?

Lindner: Es kann jeden erwischen, das ist unser Risiko. Unternehmer werden Sie nicht mit einer Garantie-Karte in der Hosentasche.

SZ: Sie waren mal Sanierer bei einer Beratungsfirma. Wie schützt man sich vor der Pleite?

Lindner: Man muss die Weichen rechtzeitig stellen und wettbewerbsfähige Produkte bieten und für eine begrenzte Bankenabhängigkeit sorgen.

SZ: Dem Gesellschafterkreis von Groz-Beckert gehören mehr als 100 Personen an. Schaut Ihnen die Familie in solchen Zeiten stärker auf die Finger?

Lindner: Die schauen immer genau hin.

SZ: Stand denn immer fest, dass Sie die Familie mal in der operativen Geschäftsführung vertreten würden?

Lindner: Nein, das stand nicht von vorneherein fest. Letztlich kam die Entscheidung durch eine plötzliche schwere Erkrankung meines Vaters viel früher auf mich zu als gedacht. Damals waren unsere Strukturen auch völlig anders. Heute hat unser Unternehmen ein professionelles Konzept. Wir haben einen Aufsichtsrat, der mehrheitlich nicht mit Familienmitgliedern besetzt ist. Dieser entscheidet über die Besetzung der Geschäftsführung, also auch über meinen Vertrag und er muss bei wichtigen unternehmerischen Fragen zustimmen. Ich denke, dass es uns so ganz gut gelungen ist, den Geist und die Kultur eines Familienunternehmens mit den professionellen Anforderungen an eine gute Unternehmensführung zu verbinden.

SZ: Sie gehören seit 26 Jahren der Geschäftsführung an, seit 1997 sind Sie deren Vorsitzender. Gab es damals bei Ihrer Berufung familieninterne Konkurrenten?

Lindner: Mit sind keine bekannt.

SZ: Sie hätten ja vielleicht was anderes machen können?

Lindner: Absolut. Ich hätte mir vieles vorstellen können. Ich kann mir immer noch vieles vorstellen.

SZ: Nämlich?

Lindner: Vor 30 Jahren hätte ich auch Berufspilot werden können. In zehn Jahren bin ich vielleicht Weinbauer.

SZ: Besitzen Sie schon einen Weinberg?

Lindner: Einen kleinen in Ungarn. Meine Frau ist Ungarin.

SZ: Wie viele Verlustjahre dürften Sie sich erlauben, bevor Sie die Familie rausschmeißt?

Lindner: Das ist mehr eine Frage der Höhe.

SZ: Und?

Lindner: Ich könnte es ja mal ausprobieren. Aber das wäre nicht so gut.

SZ: Hat Ihre Firma unter Ihrer Ägide schon mal Verluste geschrieben?

Lindner: Definitiv nicht.

SZ: Hat Sie die Wirtschaftskrise denn gar nicht getroffen?

Lindner: Natürlich sind wir auch betroffen. Auch unsere Erlöse sind gesunken.

SZ: Jetzt geht es im deutschen Maschinenbau wieder aufwärts. Mitte September hat der VDMA seine Wachstumsprognose zum zweiten Mal revidiert - von drei auf sechs Prozent. Wie haltbar ist diese Prognose?

Lindner: So haltbar wie die Statistiken sind, die der Prognose zugrunde liegen. In den ersten fünf Monaten lag die Produktion noch 1,4 Prozent unter dem Vorjahreswert. Dann ist das Ganze explodiert und Ende Juni lag die Produktion zwei Prozent im Plus. Aber keiner von uns erwartet, dass das linear so weitergeht. Das Wachstum wird sich abflachen. Deshalb sind Prognosen extrem schwierig. Wir hoffen alle, dass wir so einen Absturz nicht mehr erleben werden. Aber eine Garantie dafür gibt es nicht.

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