Maschinenbau:Wie geht es dem deutschen Maschinenbau in der Krise?

Trumpf - Bilanz-Pk

Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller während der Bilanz-Pressekonferenz vor einer Projektion der weltweiten Corona-Ausbreitung.

(Foto: Marijan Murat/dpa)

Nicht nur die Pandemie trifft die wichtige deutsche Branche. Denn der Export hängt noch an einem ganz anderen globalen Problem.

Von Elisabeth Dostert und Christina Kunkel

Es ist schon fast zur Gewohnheit geworden, vor den Geschäftszahlen erst einmal über Corona zu reden. Irgendwie hängt das eine ja mit dem anderen zusammen, auch wenn die Firmenchefs in der Industrie gerade größere Sorgen haben. Und so sitzen am Dienstag auch die sieben Vorstandsmitglieder des schwäbischen Maschinenbauers Trumpf in der Ditzinger Firmenzentrale mit eineinhalb Metern Abstand auf dem Podium und fassen das in Zahlen, was die Seuche im vergangenen Geschäftsjahr mit dem Familienunternehmen angestellt hat. Sie reden erst über Coronafälle, Quarantäne und Impfquoten - und dann über die Zahlen, die Bilanz des Jahres.

Demnach kommt Trumpf bisher gut durch die Pandemie. Der Nettogewinn stieg im Geschäftsjahr 2020/2021 per Ende Juni von rund 192 auf etwa 237 Millionen Euro. Der Umsatz betrug 3,5 Milliarden Euro - ein Plus von 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Auftragsbücher sind voll wie nie. Dennoch blickt man in Schwaben mit ein bisschen Zurückhaltung ins neue Geschäftsjahr. "Für allzu großen Optimismus ist es noch zu früh", sagte die Vorsitzende der Geschäftsführung, Nicola Leibinger-Kammüller. Für das laufende Geschäftsjahr rechne sie zwar mit einem Umsatzplus im zweistelligen Prozentbereich. Doch bei Trumpf herrscht wie in der gesamten Branche große Unsicherheit, wie es in den nächsten Monaten weitergehen wird.

So wie dem Familienunternehmen aus Ditzingen geht es vielen Maschinenbauern. Ein paar Hundert Kilometer weiter östlich, in Berlin, findet der Maschinenbau-Gipfel statt - mit fast 480 Teilnehmern. Sie sind wirklich da, vor Ort, physisch, nicht virtuell. Schon das löst Freude aus. Für Karl Haeusgen, den Unternehmer aus Bayern, ist es der erste Gipfel als Präsident des Branchenverbandes. Die deutschen Hersteller von Maschinen und Anlagen spüren ihm zufolge immer stärker die globalen Lieferschwierigkeiten. Sie werden sich, so Haeusgen, auch noch "längere Zeit" bemerkbar machen. Die Umsätze aus den "immer noch gut gefüllten Auftragsbüchern" könnten daher nur etwas verzögert verbucht werden. "Aber wir sehen keine Stornierungen", erläutert Haeusgen. Viele Unternehmen würden bereits in diesem Jahr das Umsatzniveau des Jahres 2019 wieder erreichen.

Der Verband bestätigt seine Prognosen - weitgehend. 2021 werde die Produktion real um zehn Prozent wachsen, "vielleicht auch leicht darunter landen". Er sei skeptischer als vor vier oder sechs Wochen, sagte Haeusgen. Ohne die Lieferengpässe wäre der Zuwachs vermutlich um zwei bis drei Prozentpunkte höher ausgefallen. Für 2022 rechnet der Verband mit einem Plus von real fünf Prozent. 2020 war die Produktion um fast zwölf Prozent eingebrochen. Mit gut einer Million Beschäftigten sieht sich der Maschinen- und Anlagenbau als der größte industrielle Arbeitgeber in Deutschland. Für 2021 rechnet der Verbandschef mit einer "Seitwärtsbewegung", 2022 "eher" mit einem Anstieg der Beschäftigtenzahl.

So richtig sorgenfrei sind Unternehmer ja nie. Verbandschef Haeusgen macht es Sorgen - wie der gesamten Industrie, dass die beiden Wirtschaftsmächte USA und China "auseinanderdriften". Beide Länder sind wichtige Export- und Importländer für den deutschen Maschinenbau. Mittelfristig sei diese geopolitische Konfrontation eine der "ganz großen Risiken für das Geschäftsmodell Maschinenbau". Fast die Hälfte der Firmen beziehe Komponenten aus den USA oder China, "die für die eigene Produktion kritisch sind", ergab gerade eine VDMA-Umfrage. Dabei handele es sich an erster Stelle um elektronische Komponenten und Bauteile, aber auch um Rohmaterialien wie Stahl und Gussteile. Die Unternehmen fürchten, "von China oder den USA im Fall von Handelsstreitigkeiten unter Druck gesetzt zu werden".

Die Firmen wollen sich "unverzichtbar" machen

In der Umfrage gaben die Firmen auch an, wie sie dem Druck entgehen wollen. Jede zweite wolle sich durch das Angebot von Speziallösungen "unverzichtbar" machen. Knapp ein Drittel wolle die Investitionen in den USA und China erhöhen, etwa durch den Aufbau oder die Erweiterung einer Montage oder einer Produktion. Für viele der Mittelständler sei das ein Kraftakt, sagt Haeusgen. Vielleicht planen auch deshalb "mehr als zwei Drittel" der Firmen keine unmittelbare Änderung ihrer Strategie. Sie warten noch.

Auch bei Trumpf in Ditzingen machen sie sich Gedanken über die Verschiebung der wichtigsten Märkte. Zwar ist Deutschland immer noch der größte Einzelmarkt, wird vermutlich jedoch bald von Asien überholt. Alleine in China stieg der Umsatz von Trumpf zuletzt um 50,7 Prozent auf 525 Millionen Euro, in Deutschland sank er dagegen von 612 auf 579 Millionen (minus 5,3 Prozent). "Wir brauchen China, um unsere Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern", sagte Nicola Leibinger-Kammüller. Etwa die Hälfte aller Beschäftigten arbeiten in Deutschland, die Zahl der Mitarbeiter wuchs zuletzt erstmals auf mehr als 15 000 weltweit. Wie man es schafft, die Werte eines schwäbischen Familienunternehmens zu erhalten und gleichzeitig in China möglichst als lokale Firma wahrgenommen zu werden - das ist eine der Herausforderungen, vor der sie bei Trumpf großen Respekt haben.

Der Verband wünscht sich China in einem Klima-Club

In Berlin hat Verbandschef Haeusgen dann noch einige Forderungen an die künftige Bundesregierung. Sie sind nicht neu: einfachere und schnellere Genehmigungsverfahren, ein "umfassendes System der CO₂-Bepreisung", das Investitionen in Klimaschutztechnologien fördere und zugleich die "Fülle anderer Steuern und Abgaben auf Energie abschaffe", Technologieoffenheit, eine "erstklassige" Infrastruktur, offene Märkte und freien Handel, digitale Souveränität in Europa, schneller Digitalisierung. Und natürlich misst Haeusgen dem Maschinenbau eine "Schlüsselrolle" im Kampf gegen die Erderwärmung bei. Ein Durchbruch wäre für ihn ein "internationaler Klima-Club der zehn bis 15 größten Emittenten" - mit ähnlichen Ambitionen bei der Reduzierung von Treibhausgasen. Es wäre natürlich "superklasse, wenn auch schwierige Kandidaten wie China" gleich mitmachten. Damit rechnet Haeusgen zwar nicht, "aber ohne China hätte man auch schon viel erreicht".

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