Süddeutsche Zeitung

Maschinenbau:Der Preis des Klimas

Die deutschen Hersteller von Maschinen und Anlagen könnten wohl mit einer Belastung von 110 Euro je Tonne CO₂ leben - aber nur, wenn viele andere Abgaben dafür entfallen. Die Folge: Strom würde billiger, zum Nutzen der Industrie. Diesel würde teurer.

Von Elisabeth Dostert

Es kommt selten vor, dass Unternehmer und Lobbyisten um eine Abgabe bitten. Das aber tun die deutschen Hersteller von Maschinen und Anlagen mit ihrem jüngsten Vorschlag. In der Debatte um den Klimawandel und wie er einzudämmen wäre, rät ihr Verband, der VDMA, zu einer CO₂-Abgabe von zunächst 110 Euro je Tonne auf Strom, Öl- und Gasprodukte. "Um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen, kann es ein Weiter-wie-bisher nicht geben", sagt VDMA-Präsident Carl Martin Welcker. Die Lücke bis zum Erreichen der nationalen Klimaziele könne nur mit marktwirtschaftlichen Ansätzen geschlossen werden. "Und was ist marktwirtschaftlicher als der Preis?", fragt Welcker. Er weiß, wie Preise Angebot, Nachfrage und Märkte zu lenken sind. Welcker ist mehr als Lobbyist, er ist geschäftsführender Gesellschafter der Schütte-Gruppe aus Köln.

"Eine CO₂-Bepreisung darf die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie nicht gefährden."

Den Preis für eine Tonne CO₂ hat das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS), ein gemeinnütziger Verein, in Berlin ermittelt. Ihn hat der VDMA untersuchen lassen, "wie eine volkswirtschaftlich aufkommensneutrale Umgestaltung aktueller Energieträgerbelastung (Reform der Abgaben und Umlagen), ausgerichtet an der Kohlenstoffintensität von Energieträgern" aussehen könnte. Der langatmige Auftrag lässt sich kürzer fassen: Die Reform soll volkswirtschaftlich nicht zu einer stärkeren Belastung führen. "Eine CO₂-Bepreisung darf die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, insbesondere der energieintensiven, nicht gefährden", warnt Welcker. Die CO₂-Abgabe soll das bislang inkonsistente System von Steuern, Abgaben und Umlagen ersetzen und die Klimaschädlichkeit eines Energieträger besser abbilden. "Im Ergebnis wird Strom billiger, Kraftstoffe werden teuer", so Welcker. Das FÖS hat auch die Auswirkungen für einzelne Betriebe ausgerechnet, auch für Schütte. Details will der VDMA nicht nennen. Nur so viel: Die beteiligten Firmen würden im Jahr bis zu zwei Millionen Euro einsparen.

Viele Umweltexperten fordern seit Langem eine Steuer oder Abgabe auf Treibhausgase wie CO₂. In einigen Ländern gibt es bereits solche Instrumente, etwa in Finnland, Schweden, der Schweiz oder Polen. Aus ökologischer und ökonomischer Sicht wäre eine CO₂-Steuer dem bisherigen "klimapolitischen Sammelsurium aus Subventionen und Ordnungsrecht wie Gebote, Verbote, Grenzwerte oder Quoten, überlegen, schreibt Eric Heymann, Branchenanalyst der Deutschen Bank, in einer Mitte Mai veröffentlichten Analyse. Den entscheidenden Nachteil einer CO₂-Steuer sieht der Experte darin, dass sie zwar einen Preis festsetze, aber keine Emissions-Obergrenze.

Welcher Preis erhoben werden sollte, darüber wird heftig gerechnet und verrechnet. Die während der Klimakonferenz in Marrakesch 2016 eingesetzte High-Level Commission on Carbon Prices bezifferte den CO₂-Preis, der nötig wäre, um das in Paris vereinbarte globale Klimaschutzziel, die Klimaerwärmung bis 2020 deutlich unter zwei Grad Celsius zu halten, auf mindestens 40 bis 80 Dollar pro Tonne. Bis zum Jahr 2030 sollte der Preiskorridor dann schrittweise auf 50 bis 100 Dollar steigen.

Das Sofortprogramm Klimaschutz der Grünen sieht im Emissionshandel einen CO₂-Mindestpreis von 40 Euro je Tonne vor. Auch außerhalb des Emissionshandels soll Treibhausgas bepreist werden. Zusätzliche Einnahmen sollen als "Energiegeld" an die Verbraucher zurückfließen.

Das Gutachten des FÖS für den VDMA sieht vor, dass jeder Sektor zunächst seine Infrastrukturkosten selbst finanziert. Auf Strom und Erdgas werden weiterhin Netzentgelte und die Konzessionsabgabe fällig, alle übrigen Abgaben und Umlagen, zum Beispiel die EEG-Umlage, auf Strom werden durch die CO₂-Abgabe ersetzt, Preise für EU-Emissionszertifikate werden angerechnet.

Strom würde wohl preiswerter, davon profitieren viele Firmen. Diesel würde teurer werden

Im Verkehrssektor soll zusätzlich zur Maut eine Infrastrukturabgabe von 42 Cent je Liter erhoben werden. Darauf aufbauend erfolge eine einheitliche CO₂-Bepreisung für alle Energieträger. Bei Erdgas und Heizöl soll die CO₂-Komponente die heutige Energiesteuer ersetzen. Bei Kraftstoffen wird die Energiesteuer durch die Infrastruktur- und CO₂-Komponente ersetzt. Nach Berechnungen des FÖS bleibt damit die Belastung bei Benzin "etwa konstant", bei Diesel steige sie deutlich, weil dieser einen höheren Energiegehalt je Liter hat, also eine höhere CO₂-Belastung.

Die bisherigen gesamten Einnahmen belaufen sich auf rund 74 Milliarden Euro. Um dieses Aufkommen zu refinanzieren, empfehlen die Experten einen Einstiegspreis von 110 Euro je Tonne CO₂. Damit könnten einschließlich der Infrastrukturabgabe im Verkehrsbereich von 42 Cent je Liter rund 80 Milliarden Euro eingenommen werden. Mit dem Rückgang fossiler Energieträger sinken allerdings die Einnahmen aus der CO₂-Abgabe. Um das Aufkommen konstant zu halten, müsse die CO₂-Abgabe von 2020 an um jährlich fünf Euro je Tonne CO₂ steigen. 2030 würde der CO₂-Preis dann bei 165 Euro je Tonne liegen.

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SZ vom 09.07.2019
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