Maschinenbau:Bleierne Zeiten

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Montage beim Pressenhersteller Schuler in Göppingen. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Der deutsche Maschinenbau rechnet mit Jahren ohne Wachstum. Im Sommer hatte der Branchenverband VDMA seine Prognose von zwei auf null in diesem Jahr revidiert. Die weltweiten Unsicherheiten sind groß.

Von Elisabeth Dostert, Berlin

Vor ein paar Wochen sind wieder einmal Flüchtlinge in Oelde angekommen, "ein paar Hundert auf einen Schlag". Da hat Reinhold Festge den Bürgermeister angerufen und Fragen gestellt. Wie viele der Flüchtlinge so alt wie seine Enkeltochter sind? Diese ist acht Jahre alt und Deutsch-Brasilianerin. Festge weiß, wie Sprachförderung für Kinder aussehen muss. Er ist Unternehmer, seine Firma Haver & Boecker stellt Pack- und Siebmaschinen für die Zementindustrie her, und Präsident des Maschinenbauverbandes VDMA. Die Probleme der Branche schildert er aber gerne anhand eigener Erfahrungen.

Festge hatte viele Fragen, aber keine konnte der Bürgermeister beantworten. Er dürfe solche Statistiken nicht führen; für die Registrierung der Flüchtlinge sei er nicht zuständig. "Aber ehe sie nicht erfasst sind, wissen wir nicht, was sie können", so Festge. "Die Euphorie wird das Problem nicht lösen. Ich bezweifle, dass die Flüchtlinge unser Facharbeiterproblem lösen. Vielleicht in zehn, zwölf Jahren."

"Es nützt uns nicht, wenn einer Ingenieur ist, aber nur arabisch spricht." Es sei wichtig, dass die jungen Menschen in den Unterkünften etwas zu tun bekommen. Viele arbeitsrechtliche Fragen sind aber noch nicht geklärt, so Festge. Warum sollten wir Flüchtlinge ausbilden, wenn sie nach Abschluss der Ausbildung abgeschoben werden können? "So viel Geld hat der Mittelstand nicht über, dass er ohne Eigennutz ausbilden könne", sagt Festge. "Alle reden, dass unter den Flüchtlinge viele Facharbeiter sind, aber keiner hat uns die bislang gezeigt." Uns selbst wenn. Im Maschinenbau herrsche derzeit nicht die nötige Arbeitsmarktlage, um 20 000, 30 000 oder 40 000 Stellen zu schaffen.

Die Geschäfte laufen schlecht. Schon im Sommer hat der VDMA seine Prognose für die Produktion von real zwei Prozent Wachstum auf null in diesem Jahr revidiert. Auch 2016 werde der Maschinenbau nicht wachsen. "Wir werden zwei, drei Jahre eine Seitwärtsbewegung haben, vielleicht sogar eine kleine Abwärtsbewegung", sagt Festge. Es gibt viele Krisenherde. Die Geschäfte mit Russland leiden unter den Sanktionen. Aber selbst die Firmen, die davon nicht betroffen seien, bekommen wegen des Kursverfalls des Rubel keine Aufträge mehr. Ähnlich sei die Lage in Brasilien, erfreulich in den USA, weil die Reindustrialisierung fortschreite. "Wir scheinen in einer Dekade wachsender Unsicherheit zu leben", sagt Festge zur Eröffnung des Maschinenbau-Gipfels. "Wir sehen Kriege und Bürgerkriege, teils direkt vor der europäischen Haustür", sagt er. "Wir sehen auch, dass zunehmend große Fragezeichen hinter das Zusammenwachsen Europas gesetzt werden."

Die Rede ist ein Parforce-Ritt über alle Hürden: den Zweifeln am transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP, Festge teilt sie nicht, die Lasten der Erbschaftsteuerreform. Anfang 2014 hat er einen Teil des Betriebes an seine Söhne übergeben. Seitdem versucht die Familie mit dem Finanzamt zu klären, wie die Bilanz aussieht, falls die Söhne die Firma verkaufen oder sie die Verschonungsregeln nicht einhalten können. Gute 150 Steuerbescheide habe er schon bekommen. Nur eine Sorge hat er nicht. Dass das Siegel "Made in Germany" unter dem Abgasskandal bei VW leidet. Einen "erschütternden Vorfall", nennt er das. Schadenfreude, ja. Aber Auftragseinbrüche? "Die Kunden können unterscheiden."

© SZ vom 14.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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