Martina Merz:Am Scheideweg

Martina Merz: Martina Merz, die frühere Bosch-Managerin, will den Thyssenkrupp-Konzern künftig auf weniger, dafür profitable Säulen aufbauen.

Martina Merz, die frühere Bosch-Managerin, will den Thyssenkrupp-Konzern künftig auf weniger, dafür profitable Säulen aufbauen.

(Foto: Ina Fassbender/AFP)

Die Chefin von Thyssenkrupp muss in diesem Jahr über die Zukunft des traditionsreichen Ruhrkonzerns entscheiden - wird sie die Stahlwerke an Rhein und Ruhr verkaufen?

Von Benedikt Müller-Arnold

Martina Merz, 57, hat raue Erwartungen für 2021 geschürt. "Die nächsten Schritte können schmerzhafter werden als die bisherigen", warnte die Thyssenkrupp-Chefin zuletzt. "Wir werden alles hinterfragen." Vor gut einem Jahr war die Ingenieurin vom Aufsichtsrat an die Vorstandsspitze des Konzerns gewechselt, dessen Ursprünge bis ins Jahr 1811 reichen und auf dem seit Jahren hohe Schulden lasten. Unter Merz' Führung verkaufte Deutschlands größer Stahlhersteller sein profitables Aufzugsgeschäft, da ihm sonst das Geld auszugehen drohte. Doch in der Corona-Krise ordern die Kunden merklich weniger Stahl, Autoteile oder Anlagen. Ohne die Aufzüge meldet Thyssenkrupp Milliardenverluste. 2021 stehen daher weitere Abgänge an, etwa personell: Der größte Industriekonzern des Ruhrgebiets will nicht mehr nur 6000 Arbeitsplätze abbauen, wie 2019 angekündigt, sondern bis zu 11 000 - mehr als jede zehnte Stelle.

Merz will und muss Thyssenkrupp jetzt auf weniger, dafür profitable Säulen stellen, beispielsweise den Werkstoffhandel, den Bau von Großwälzlagern für Windräder oder von Wasserstoff-Erzeugungsanlagen. Im Gegenzug will die frühere Bosch-Managerin Verlustbringer verkaufen oder in Partnerschaften auslagern, etwa weite Teile des Anlagenbaus.

Ob Thyssenkrupp auch die Stahlwerke an Rhein und Ruhr verkauft, dürfte Merz' gravierendste Entscheidung werden. Die Stammsparte kämpft mit internationaler Konkurrenz und vergleichsweise hohen Kosten. In Krisenjahren fährt das Stahlgeschäft hohe Verluste ein, dabei muss Thyssenkrupp eigentlich Milliarden in klimaschonende Technologien investieren.

Merz warb zwar für Fusionen. Doch offiziell hat bislang nur der britische Unternehmer Sanjeev Gupta Interesse an den Ruhr-Stahlwerken bekundet. Sein Konzern Liberty Steel prüft bereits die Bücher der Sparte, damit er seine Offerte konkretisieren kann. Alternativ könnte Thyssenkrupp das Stahlgeschäft allein sanieren - müsste dann aus Sicht des Vorstands aber noch mehr sparen als bislang geplant. Voraussichtlich bis Frühjahr will Merz nach eigenem Bekunden "eine Lösung für das Stahlgeschäft finden". Insgesamt arbeite sie gerade am größten Restrukturierungsprogramm seit dem Bestehen des Konzerns, sagte Merz und versprach: "Wir werden die Schlagzahl beim Umbau von Thyssenkrupp weiter erhöhen."

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