Süddeutsche Zeitung

USA:Der "meistgehasste Mann Amerikas" lässt sich von ein bisschen Knast nicht aufhalten

Lesezeit: 2 min

Von Jasmin Siebert, München

Der Manager, den Nutzer sozialer Netzwerke "Pharma Bro" und Medien wegen seiner Preistreiberei für lebensrettende Medikamente den "meistgehassten Mann Amerikas" nennen, kann auch im Gefängnis die Finger nicht vom Big Business lassen. Martin Shkreli, bald 36 Jahre alt, lenkt seine frühere Firma Phoenixus offenbar vom Gefängnis aus weiter - mit einem geschmuggelten Handy, wie das Wall Street Journal (WSJ) berichtete. Die Haftanstalt Fort Dix in New Jersey verbietet Handys zwar ebenso wie das Geschäftemachen für Insassen. Doch davon lässt sich der Hedgefonds-Manager, für den gerade das zweite Haftjahr wegen Wertpapierbetrugs begonnen hat, nicht abschrecken.

Sein Ziel: das Gefängnis reicher zu verlassen, als er es betreten hat. Dem Bericht zufolge sitzt er mit Jogginghose, selbstgeschnittenen Haaren und wildem Bart in einer oberen Schlafkoje in einer Zwölf-Mann-Zelle. Er recherchiert vielversprechende pharmakologische Entwicklungen oder telefoniert. Einen Geschäftsführer erreichte er auf einer Safaritour und feuerte ihn.

Martin Shkreli, der als Sohn albanisch-kroatischer Einwanderer in einem Arbeiterviertel von Brooklyn geboren wurde, begann seine Karriere an der Wall Street als 17-jähriger Student. Sechs Jahre später startete er seinen ersten eigenen Hedgefonds. Mit Hilfe von Investoren gründete er 2011 das Pharmaunternehmen Retrophin, das ältere, selten verwendete Medikamente aufkaufte, um die Preise in die Höhe zu schrauben. Nachdem er drei Jahre später gefeuert worden war, trieb er das urkapitalistische Geschäftsmodell mit seiner neuen Firma Turing, die inzwischen Phoenixus heißt, auf die Spitze: Er kaufte das Medikament Daraprim, das bei Immunschwächekrankheiten wie Aids angewendet wird, und erhöhte den Preis pro Tablette von 13,50 auf 750 US-Dollar. Obwohl das Patent ausgelaufen ist, vertreibt Shkrelis Ex-Firma das Medikament als einzige. In der Öffentlichkeit entbrannte eine Diskussion darüber, wie teuer lebensrettende Medikamente sein dürfen. US-Demokratin Hillary Clinton versprach, bei einem Wahlsieg die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente zu deckeln.

Im Dezember 2015 wurde Shkreli wegen Betrugsverdachts verhaftet. Er soll sich selbst bereichert haben, kam jedoch gegen Kaution frei. 2018 wurde er verurteilt: zu sieben Jahren Haft, 75 000 Dollar Geldstrafe plus 7,36 Millionen Dollar, um seinen Betrugsschaden auszugleichen. Dafür muss er wohl Firmenanteile verkaufen. Auch von der einzigen offiziellen Kopie eines Albums der Hip-Hop-Gruppe Wu-Tang Clan, die Shkreli für zwei Millionen Dollar ersteigert hat, und einem Picasso-Bild wird er sich wohl trennen müssen.

Im Gefängnis zählt ohnehin anderes. Seine Kontakte zur Außenwelt nutzt Shkreli auch, um sich dort besser zu integrieren. So fragte er auf Facebook nach einem Liedtext, um von der "kriminellen lateinamerikanischen Community hier" akzeptiert zu werden. Mit ein paar Mithäftlingen hat er sich angefreundet, wie auf Facebook und auf seinem Blog zu erfahren ist. Sie spielen Karten, erzählen sich Kriegsgeschichten und diskutieren über Grammatik. Von der Autorin Christie Smythe, die ein Buch über Shkreli schreibt und ihn mehrmals in Haft besucht hat, sind weitere Details aus seinem neuem Leben, das sich nur 90 Autominuten entfernt von seinem millionenschweren Penthouse in Manhattan abspielt, zu erfahren: Wegen Regelübertretungen verbrachte er ein paar Wochen in Einzelhaft. Mittlerweile kümmert er sich um die Gefängniskatzen. Das Gefängnis untersucht nun, ob Shkreli ein Handy in seiner Zelle versteckt. Sollte er erwischt werden, könnte seine Haft laut WSJ um ein Jahr verlängert werden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4360044
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 11.03.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.