Vermögen:Wie die Millionen von Marlene Engelhorn verteilt werden

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Marlene Engelhorn war im Januar beim Weltwirtschaftsforum in Davos und protestierte mit einem Plakat: "Tax the rich" - Besteuert die Reichen. (Foto: FABRICE COFFRINI/AFP)

Die Nachfahrin des BASF-Gründers hat viel Geld geerbt, will es aber nicht behalten, sondern an die Gemeinschaft zurückgeben. Dafür hat die Österreicherin einen Bürgerrat eingesetzt – nun liegt das Ergebnis vor.

Von Caspar Busse

Sie selbst war an diesem Morgen in Wien nicht erschienen. Marlene Engelhorn war also nicht dabei, als verkündet wurde, was mit ihrem Erbe denn nun genau geschehen wird. Die Österreicherin, Jahrgang 1992, ist eine entfernte Nachfahrin von BASF-Gründer Friedrich Engelhorn. Von ihrer Großmutter Traudl hat sie deshalb ein ansehnliches Vermögen geerbt. Engelhorn, die sich auch für die Initiative „Tax me now“ einsetzt, will das geerbte Geld aber nicht, sondern 90 Prozent davon, also etwa 25 Millionen Euro, an die Allgemeinheit weitergeben. Dafür hatte Engelhorn einen sogenannten Guten Rat für Rückverteilung gegründet, der über die Verwendungen entscheiden soll.

„Das Geld geht an insgesamt 77 Initiativen und Organisationen“, sagte am Dienstag Alexandra Wang, die für Engelhorn den gesamten Prozess organisiert hat. Größtenteils werde das Geld nicht in einem Schwung, sondern über mehrere Jahre ausgezahlt. Im Netz wurde die Liste der Empfänger veröffentlicht, vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser bis zur Tiroler Straßenzeitung 20er gibt es für viele kleinere und größere Summen. Gut 1,6 Millionen Euro, den höchsten Betrag, erhält der Naturschutzbund Österreich. „Das Ergebnis ist so divers wie der Rat selbst“, sagte Wang.

Die Idee Engelhorns, das Erbe zu verteilen, und das Verfahren dazu hatte große öffentliche Aufmerksamkeit erregt, es wurde auch auf sozialen Medien, etwa bei Instagram, intensiv und professionell begleitet. „Erben ist eine Zumutung für die Gesellschaft“, begründete die Wiener Aktivistin ihren Schritt, denn Erbschaften machten die Ungleichheit in der Gesellschaft größer und zementierten so Machtstrukturen, was die Demokratie gefährde.

Deshalb wurde der sogenannte Gute Rat gegründet, mit 50 Mitgliedern zwischen 16 und 85 Jahren, die in einem aufwendigen Verfahren repräsentativ ausgewählt wurden und Österreich vertreten sollen. Die Bedingung: Die Personen mussten in Österreich leben und mindestens 16 Jahre alt sein. Dieser Bürgerrat hat sich daraufhin an sechs Wochenenden in einem Tagungshotel in Salzburg getroffen und unter der Anleitung von professionellen Moderatoren diskutiert und recherchiert. An- und Abreise sowie die Hotelkosten wurden gezahlt, es gab zum Beispiel auch eine Kinderbetreuung. Die Ratsmitglieder erhielten zudem 1200 Euro pro Wochenende für ihre Arbeit.

„Krank macht arm, und arm macht krank“, stellte ein Ratsmitglied fest

„Wir sind sehr schnell darauf gekommen, dass 25 Millionen eigentlich eine kleine Summe sind“, sagte am Dienstag Dietmar Feurstein, einer der Mitglieder des Rats. „Es wurde nicht Geld verteilt, sondern Wertschätzung und Respekt“, fügte Ratsmitglied Angelika Taferner an. Es wurden insgesamt sechs Arbeitsgruppen gebildet, die jeweils maximal vier Millionen Euro verteilen konnten und dafür Kriterien erarbeitet und recherchiert haben, es war Einstimmigkeit erforderlich. Den Restbetrag von 3,7 Millionen Euro durfte dann jedes der 50 Mitglieder anteilsmäßig individuell verteilen. „Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen Armut und Krankheit, krank macht arm, und arm macht krank“, stellte Kyrillos Gadalla fest, der Schüler ist das jüngste Mitglied des Rats.

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Ziel sei es gewesen, die Ungleichheit in der Gesellschaft zu verringern und den Benachteiligten mehr Chancen zu geben, sagte Projektleiterin Wang. „Das größte Ergebnis ist die Arbeit des Guten Rats selbst“, fügte sie an. Fragen der Verteilungsgerechtigkeit seien intensiv diskutiert worden. Im Herbst soll es einen ausführlichen Abschlussbericht geben.

Für den Erhalt von Zuwendungen waren keine Bewerbungen möglich. Dass das Geld nun sehr breit, sozusagen per Gießkanne, verteilt werde, hat wohl an der Größe der Gruppe und an der Vielzahl der Anliegen gelegen. Offenbar war nicht im Gespräch gewesen, die Summe im Ganzen zu vergeben, um damit möglicherweise mehr Wirkung zu erzielen. Engelhorn selbst war übrigens nur am ersten Treffen dabei und hatte da ein Grußwort an die Ratsmitglieder gerichtet. Danach habe sie sich nicht mehr eingemischt, wurde betont. Die Treffen fanden ohne Öffentlichkeit statt. Insgesamt soll das Budget für den gesamten Prozess bei bis zu drei Millionen Euro gelegen haben. Sie sei den Ratsmitgliedern für ihre Arbeit „unendlich dankbar“, teilte Engelhorn am Dienstag schriftlich mit.

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