Markus Söder:Wenn Englein singen

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(Foto: Lino Mirgeler/dpa)

Hat er wirklich gesagt, "Wir müssen wegkommen vom Ego First"? Doch, hat er, ausgerechnet der Super-Ehrgeizige. Bayerns Ministerpräsident beweist Talent als Kabarettist und als Künstler des Wandels - seiner selbst.

Von Roman Deininger

Als es Markus Söder einst in die Politik verschlug, ging der Welt ein Unterhaltungskünstler verloren. Wobei man Söder anrechnen muss, dass er sich offenbar auch in höchsten Ämtern noch bemüht, seine kabarettistischen Talente und Neigungen zu pflegen. Sein jüngstes Interview in der FAZ etwa gilt vielen als Perle des politischen Humors. "Wir müssen wegkommen vom Ego First", fordert er da. Man müsse einander wieder mehr zuhören und offen sein für Argumente. Es wirkt fast ein wenig, als hätte Söder mehr als zwei Jahrzehnte lang auf diese eine Pointe hingearbeitet - und sich das teuflische Image eines Egomanen bloß aufgeladen, damit das Publikum vom Stuhl fällt, wenn er eines Tages plötzlich singt wie ein Engel.

Söder zog im März in die bayerische Staatskanzlei ein, er war ein Ministerpräsident des Wandels - vor allem des Wandels seiner selbst. Karrierist, Lautsprecher, Scharfmacher? Verblassende Erinnerung. Dabei hatte Söder den Streit der CSU mit Bundeskanzlerin Angela Merkel um die Abweisung bestimmter Asylbewerber an der Grenze zunächst wesentlich befeuert. Erst Ende Juni legte er angesichts des Umfrage-Sinkflugs eine kühne Kehrtwende hin und tat so, als hätte er mit der Berliner Krise nichts zu tun. Er kam damit durch, weil CSU-Chef Horst Seehofer allen Zorn auf sich zog, auch in der eigenen Partei.

Wenn man freundlich sein will zu Söder, könnte man sagen: Er hat früher als Seehofer erkannt, dass die brachiale Konfrontation mit der Kanzlerin bei den Leuten nicht verfängt. Diese Lektion scheint er nun verinnerlicht zu haben. Der neue Söder ist ein Softie, der viel über Respekt, Würde und Stil redet und seine Partei moderner und weiblicher machen möchte. Die CSU legt sich ganz in seine Hand: Beim Parteitag am 19. Januar 2019 soll er zum Vorsitzenden gewählt werden. Es beginnt eine neue Etappe in der Geschichte der Christsozialen - die des Alleinherrschers Markus Söder.

Ein bisschen bizarr ist das schon: Die CSU belässt den Ministerpräsidenten, der am 14. Oktober bei der Landtagswahl den Horrorwert von 37,2 Prozent eingefahren hat, nicht nur im Amt; sie belohnt ihn auch noch mit dem Parteivorsitz. Vermutlich hat Söder, als er unter dem Christbaum das Jahr 2018 Revue passieren ließ, sein Glück kaum fassen können. Und doch macht das Ganze für viele in der CSU Sinn: Über die 37,2 Prozent waren die meisten sogar noch erleichtert. Dem unermüdlichen Wahlkämpfer Söder rechnen sie so etwas wie Schadensbegrenzung an.

Markus Söder hatte nur sieben Monate Zeit, sich als Ministerpräsident das Vertrauen der Wähler zu erwerben; mit seiner Hyperaktivität behinderte er freilich die eigene Profilbildung. Jetzt bekommt er eine zweite Chance - in einer komfortablen Koalition mit bislang sehr folgsamen Freien Wählern. Er muss nun aber auch die Zweifel widerlegen, die es in der Partei weiter an ihm gibt. Deren Zukunft, sagt ein wichtiger CSU-Mann, hänge von Söders Bereitschaft ab, sich "vom Einzelspieler zum Teamplayer" zu entwickeln. Söder muss vom "Ego First" wegkommen, und nicht nur rhetorisch.

© SZ vom 31.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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