Süddeutsche Zeitung

Marktmacht der Discounter:Der hohe Preis der Billig-Eier

Zehn Eier für 99 Cent: Aldi senkt die Preise, die Konkurrenz zieht nach. Doch was nach gesundem Wettbewerb klingt, birgt große Gefahren. Die hoch verschuldeten Legehennenhalter werden gezwungen, ihre Produktionskosten weiter zu senken - auf Kosten der Tiere.

Ein Kommentar von Daniela Kuhr

Regelmäßig bieten Deutschlands Discounter Lebensmittel zum Schleuderpreis an: Erst war es Milch, dann Fleisch und jetzt Eier. Um ganze 30 Cent hat Aldi kürzlich den Preis gesenkt, zehn Eier aus Bodenhaltung kosten jetzt nur noch 99 Cent. Der Discounter hofft, damit möglichst viele Kunden in seine Läden zu locken, die dort natürlich nicht nur Eier kaufen, sondern gleich den ganzen Einkauf erledigen sollen. Und wie immer in so einem Fall: Kaum legt Aldi vor, ziehen die anderen Discounter nach.

All das klingt zunächst positiv, zeigt es doch, dass der Wettbewerb im deutschen Einzelhandel funktioniert und dafür sorgt, dass Nahrungsmittel erschwinglich sind. Bei genauerem Hinsehen aber zeigt sich: Die Sache hat auf Dauer Folgen, die niemand gutheißen kann.

Da wären zunächst einmal die Bauern. Ohnehin bekommen sie im Schnitt nur noch 25 Cent von jedem Euro, den Verbraucher für Nahrungsmittel ausgeben. Anfang der Siebzigerjahre war es noch doppelt so viel. Von solchen Kampfpreisen aber, wie Aldi, Lidl und Co sie jetzt für Eier eingeführt haben, erhält der Landwirt so gut wie gar nichts mehr.

Das ist schlimm, weil viele Legehennenhalter verschuldet sind

Das ist schon deshalb schlimm, weil viele Legehennenhalter hoch verschuldet sind. Da die klassische Käfighaltung verboten wurde, haben sie zuletzt viel Geld in moderne - und bei der Gelegenheit auch gleich größere - Ställe investiert. Eben deshalb ist die Situation im Moment ja so vertrackt. Weil zeitweise zu viele Eier produziert werden, sinken die Preise - was für die Bauern verheerend ist.

Doch auch wenn es paradox klingt: Selbst die Verbraucher zahlen einen hohen Preis. Denn Landwirte werden durch die Billig-Angebote gezwungen, ihre Produktionskosten noch weiter zu senken. Das heißt: Sie, die ihre Betriebe ohnehin seit Jahren auf Effizienz trimmen, müssen nun auf dem Markt nach noch billigerem Futter suchen. Zudem werden die Landwirte an den Haltungsstandards sparen.

Hühnern werden also zack-zack die Schnäbel gekürzt, weil das die einfachste Methode ist, sie vom gegenseitigen Picken abzuhalten. Kälbern werden ohne Betäubung die Hornansätze weggebrannt und Schweinen die Ringelschwänze kupiert. Im Sinne der Verbraucher, die immer wieder klar zum Ausdruck bringen, dass sie großen Wert auf Tierschutz legen, ist all das sicher nicht. Für die Landwirte aber ist es die einzige Möglichkeit, noch einigermaßen kostendeckend zu arbeiten.

Billige Massenproduktion ist nicht die Zukunft

Doch warum lassen sie sich auf ruinöse Lieferverträge ein? Es bleibt ihnen nichts anderes übrig. Da rächt sich, dass viele Landwirte nur noch darauf setzen, mehr, mehr und noch mehr zu produzieren. Das Wohl der Tiere - und damit auch Qualität - kommt oft zu kurz. Hat der Bauer aber nichts weiter zu bieten als massenhaft Billig-Eier oder -Fleisch, hat er gegenüber der Marktmacht der Discounter keine Chance. Passen ihm die Verträge nicht, wählt Aldi eben einen anderen Lieferanten.

Mehr Geld zu verlangen, kann sich nur erlauben, wer sich abhebt von anderen. Coca-Cola hat es gerade gewagt. Der Konzern weigerte sich, zu den Preisen zu liefern, die Lidl sich wünschte - und flog prompt aus dem Sortiment. Noch aber ist der Kampf nicht entschieden. Cola, Fanta und Sprite sind starke Marken. Gut möglich, dass ihre Anhänger künftig statt zu Lidl eben woanders hingehen. Die Eier aus deutscher Bodenhaltung dagegen sind alle gleich.

Deutschlands Bauern sollten sich von der Vorstellung verabschieden, dass die billige Massenproduktion ihre Zukunft ist. Es wird immer andere geben, zumal im Ausland, die noch viel billiger produzieren. Ihre einzige Chance, selbst zu einer starken Marke zu werden, sind höhere Produktionsstandards und mehr Tierschutz. Nur dann heben sie sich von anderen ab - und können Preise selbstbewusst verhandeln.

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Quelle:
SZ vom 24.01.2014/sks
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