Marktentwicklung:Ein reiches Angebot

Marktentwicklung: Von der Schule an die Uni – das ist nicht mehr der einzige Weg zu einem akademischen Abschluss. Private Hochschulen bieten berufsbegleitende Studiengänge an.

Von der Schule an die Uni – das ist nicht mehr der einzige Weg zu einem akademischen Abschluss. Private Hochschulen bieten berufsbegleitende Studiengänge an.

(Foto: mauritius)

Berufstätige, die akademische Abschlüsse machen wollen, werden vor allem an privaten Hochschulen fündig. Die Privaten profitieren außerdem von neuen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt.

Von Christine Demmer

Noch ein Vierteljahrhundert nach ihrer Gründung kämpfte die erste deutsche Privatuniversität Witten/Herdecke gegen die Insolvenz. 2008 konnten private Sponsoren die Pleite gerade noch abwenden. Heute gibt das Land Nordrhein-Westfalen erneut Geld dazu: 10,7 Millionen Euro im Jahr 2019, bis 2024 sollen es 18,25 Millionen Euro im Jahr sein. Auch bei der 2001 als zweite private Hochschule in Deutschland gestartete International University Bremen leistete die öffentliche Hand Starthilfe. Es reichte nicht. 2006 übernahm die Stiftung des Kaffeerösters Jacobs für 200 Millionen Euro zwei Drittel der Gesellschaftsanteile, verfügte die Umbenennung in Jacobs University und muss heute zusehen, dass die Studiengänge ihre Akkreditierung zurückgewinnen. Eine schwierige Zeit durchlitt die Zeppelin-Universität in Friedrichshafen, der 2011 als dritter privater Hochschule in Deutschland die Promotions- und Habilitationsrechte verliehen wurde. 2014 ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen Betrugs gegen den zurückgetretenen Unipräsidenten, ein Vorwurf, der sich aber nicht halten ließ. Seither kämpft ein neues Management um den Erhalt des Status als Universität und um ausgeglichene Bilanzen.

Man lernt: Auf Märkten, die der Staat für private Anbieter freigibt, sind so schnell keine Gewinne zu erwarten. Doch just in dem Moment, in dem sich die Nachfrage erhebt, treten jene auf den Markt, die lange beobachtend daneben standen. Erst diese machen dann den Markt und fahren Gewinne ein. Sie wachsen, locken neue Anbieter auf den Plan, auch solche, die aus der öffentlichen Hand genommen haben, sehen den Nachahmern beim Strampeln zu und übernehmen Wackelkandidaten, deren Geschäftsmodell sich gut mit dem eigenen verbinden lässt. Am Ende ist das einstige Staatsmonopol einer überschaubaren Zahl von Großanbietern und vielen Nischenbesetzern gewichen. Den Nutzen haben aber nicht nur die Marktmacher, sondern auch die Kunden, sprich die Studierenden: Die einen fahren die Rendite ein, die anderen profitieren von einem zunehmend differenzierten Angebot.

Exakt nach diesem Ablaufschema hat sich der Markt für private Hochschulbildung entwickelt. Eigentlich muss man den auf Weiterbildung eingrenzen, denn bei der Primärausbildung liegen die Privaten nach wie vor weit in der Gunst der Studierenden zurück. Darum setzen die Privaten vermehrt auf akademische Weiterbildung in Form von berufsbegleitend studierbaren Bachelor- und Masterprogrammen sowie die Ausbildung von Managern, Executive Education genannt. Dabei wenden sich die privaten Hochschulen sowohl an Studierende wie an Unternehmen, die in die Entwicklung ihres Personals investieren. Dadurch hat sich die Zielgruppe verdoppelt: Sowohl nach Teilnehmerzahlen wie auch nach Zahlungsbereitschaft ist der Weiterbildungsbereich heute der größte Bildungssektor Deutschlands.

Weil Hochschulbildung einen guten Ruf hat, drängen auch die klassischen Anbieter beruflicher Weiterbildung im nicht-akademischen Segment nun immer stärker in den tertiären Sektor. Bildungsmarktforscher Ottmar Döring hat es schon vor zehn Jahren vorausgesehen: "Es verändern sich etablierte und es entstehen neue Bildungsträger; die Situation der betrieblichen Weiterbildung in den Unternehmen verschiebt sich gravierend, und es ergeben sich breite Überschneidungsbereiche."

Die schnelle Entwicklung des Online-Lernens ließ die Fernhochschulen wachsen

Der Weiterbildungsbereitschaft Vorschub leistet die schnelle Entwicklung des Online-Lernens und damit der Fernhochschulen. Ihren Erfolg verdanken sie standardisierten Lernprogrammen und inhaltlich weit ausdifferenzierten Masterprogrammen, die in relativ kurzer Zeit und bequem am heimischen Rechner absolviert werden können. Größter Anbieter in Deutschland ist die Stuttgarter Klett-Gruppe mit der Apollon-Hochschule der Gesundheitswirtschaft in Bremen, der Europäischen Fernhochschule in Hamburg, der Wilhelm-Büchner-Hochschule in Pfungstadt und den Europäischen Fachhochschulen in Brühl und Rostock. Etwa 52 000 Studierende zählt die FOM-Hochschule mit ihren Bachelor- und Master-Studiengängen, die von der Stiftung BildungsCentrum der Wirtschaft (BCW) in Essen getragen wird. Auch die SRH-Fernhochschule führt berufsbegleitende Bachelor- und Masterstudiengänge im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich im Programm. Die Cognos AG in Hamburg, deren Hauptgesellschafter Arend Oetker und Ludwig Fresenius sind, betreibt neben Berufsfachschulen und Akademien die Hochschule und Akademie Fresenius, die Hochschule für Internationales Management Heidelberg (HIM) und die Lunex University in Luxemburg. Beteiligt ist die Gruppe auch an der HHL Leipzig Graduate School of Management.

Zum Bildungsanbieter Career Partner, mehrheitlich im Besitz einer Investorengesellschaft, gehört die IUBH Internationale Hochschule (International University of Applied Sciences Bad Honnef Bonn) mit ihren zahlreichen Bachelor- und berufsbegleitenden Masterstudiengängen. Und auch die AKAD-Bildungsgesellschaft als Trägerin der AKAD University bietet universitäre Studiengänge im Fernstudium - viele für angehende Master, weit mehr allerdings für künftige Bachelors.

Laut Peter Thuy, Rektor und Mitgeschäftsführer der IUBH, ist es Zeit für einen Kurswechsel. "Der Mastermarkt unterzieht sich gerade einer Konsolidierung", sagt er. "Er wächst bei privaten wie staatlichen Angeboten nicht in dem Maß, wie man das noch vor zehn Jahren vermutet hatte." Neues Ziel der privaten Hochschulen ist es, berufserfahrene Menschen für Bachelor-Fernstudiengänge zu gewinnen.

Und wieder fördert die Politik dieses Ziel - durch die Akademisierung von Berufen. Erst jüngst hat Bayern beschlossen, dass angehende Hebammen an Hochschulen studieren können - und nicht wie bislang ausschließlich an Berufsfachschulen ausgebildet werden. Nach einer Leitlinie der EU sollte die Geburtshilfe bis 2020 ohnehin akademisiert sein. Hätte das schon vor dreißig Jahren stattgefunden, wären die Pioniere besser vom Start weggekommen. Die öffentlichen Geldgeber hätten weniger abschreiben müssen und die Privaten könnten heute nicht den Rahm abschöpfen. Aber hinterher, das weiß man auch ohne Studium, ist man immer klüger.

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