Markisen:Schatten, bitte
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Wenn es heiß ist, hätten Mieter gern einen Schutz vor der Sonne. Doch nicht immer ist das Anbringen von Markisen erlaubt. Auch Wohnungseigentümer müssen einiges beachten.
Von Andrea Nasemann
Mieter, die sich von der Sonne auf ihrem Balkon geblendet fühlen, haben gute Karten, wenn sie eine Markise anbringen wollen. So haben die Gerichte in der jüngeren Vergangenheit immer wieder die Rechtsposition der Mieter gestärkt. Letzten Endes kommt es aber auf den Einzelfall an.
Ein Mieter wollte für seinen Balkon einen Sonnenschutz. Wenn die Markise am Gebäude befestigt wird, ist das eine bauliche Veränderung, die der Zustimmung des Vermieters bedarf. Allerdings kann der Mieter diese verlangen, wenn mit der Maßnahme das Eigentum des Vermieters nicht oder nur gering beeinträchtigt wird. Im Klartext: Vermieter dürfen ihren Mietern nicht ohne triftigen Grund Einrichtungen verbieten, die das Leben in der Mietwohnung angenehmer gestalten können. Deshalb muss der Vermieter den Einbau einer Markise erlauben, wenn sein Eigentum hierdurch nur in geringem Maße beeinträchtigt wird und der Mieter andernfalls in seinem Wohngebrauch zu stark eingeschränkt wäre. Schließlich gehört der Schutz vor Sonne auf dem Balkon als sozial übliches Verhalten zum berechtigten Wohngebrauch des Mieters.
In einem vor dem Amtsgericht München entschiedenen Fall weigerte sich allerdings der Vermieter, seinem Mieter die Genehmigung zu erteilen, obwohl der Mieter versichert hatte, dass er die Markise bei seinem Auszug wieder entfernen würde und auch bei der Auswahl der Markise auf die Wünsche des Vermieters eingehen wollte. Der Mieter hatte geklagt: Allein ein Sonnenschirm reiche wegen der unterschiedlichen Sonnenstände nicht aus.
Als sich Mieter und Vermieter vor Gericht wiedertrafen, entschied der Richter zugunsten des Mieters: Ein Sonnenschirm würde die Beschattung nur kurzzeitig gewährleisten und reiche auf dem Südbalkon nicht aus, um genügend Schatten zu spenden. Außerdem führe eine Markise zu einer Aufwertung des Gebäudes und bedeute keine optische Beeinträchtigung. Es sei dem Mieter auch nicht zumutbar, mehrere Sonnenschirme auf einen Balkon zu stellen, auf dem der Platz ohnehin schon begrenzt sei (Amtsgericht München, Urteil vom 7. Juni 2013, 411 C 4836/13).
Anders entschied das Amtsgericht Köln in einem Urteil vom 9. August 2017: Der Vermieter muss das Anbringen einer Markise nicht gestatten, wenn diese zu einer erheblichen optischen Beeinträchtigung der puristisch erbauten modernen Wohnanlage mit klaren Strukturen und Linien führen würde, die Montage zudem mit negativen Eingriffen in die Bausubstanz verbunden sei und der Mieter einen ausreichenden Sonnenschutz durch andere Mittel erreichen könne, weil ausreichend Platz zum Aufstellen auch größerer Sonnenschirme oder eines mobilen Pavillons vorhanden sei. In diesem Fall ergäbe sich aus der Interessenabwägung kein Vorrang der Interessen des Mieters gegenüber den Interessen des Eigentümers (201 C 62/17).
Ein anderer Fall ging wiederum zugunsten des Mieters aus: Dieser hatte bereits eine Markise angebracht, die während Sanierungsarbeiten demontiert wurde. Nachdem die Arbeiten abgeschlossen waren, wollte der Mieter eine neue Markise anbringen. Dies wurde ihm von seinem Vermieter untersagt. Das Argument: Durch die Markise werde das Wärmedämmverbundsystem beschädigt.
Vor Gericht bekam der Mieter recht: Mit Hilfe von Zwischenkonsolen sei es durchaus möglich, eine Markise anzubringen, ohne das neue Wärmedämmverbundsystem stark zu beschädigen. Der Wärmeverlust sei dadurch gering, was der Vermieter in Kauf nehmen müsse (Amtsgericht Hamburg-Barmbek, 30. November 2011, 820 C 79/11).
Und was ist mit der Klemm-Markise, die an der Fassade befestigt wird?
Und: Wenn der Vermieter eine von Anfang an vorhandene Markise demontiert, kann er zum Schadenersatz verpflichtet sein. "Der Mieter kann dann selber eine Markise anbringen oder anbringen lassen und die dafür aufgewendeten Kosten von seinem Vermieter ersetzt verlangen", sagt der Münchner Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Karl von Lutterotti.
Auch in Eigentümergemeinschaften führt das Thema Markise oft zu Streit. In der Regel ist das Anbringen einer Markise eine bauliche Veränderung, die der Genehmigung aller Wohnungseigentümer in der Wohnungseigentümerversammlung bedarf. Hat der Eigentümer die Markise ohne Genehmigung seiner Miteigentümer angebracht, muss er deren Genehmigung nachträglich einholen. Allerdings ist die Meinung der einzelnen Gerichte hier gespalten: Während die einen immer die Zustimmung aller Eigentümer verlangen, sehen andere nicht in jeder Veränderung des optischen Gesamteindrucks eine zustimmungsbedürftige nachteilige bauliche Veränderung. Die Beurteilung, ob eine Markise im konkreten Einzelfall eine nachteilige bauliche Veränderung darstellt, muss daher dann der Amtsrichter treffen.
In einem anderen Fall hatte eine Eigentümerin eine Markise montiert, ohne zuvor die anderen Eigentümer darüber zu informieren. Die klagten nun auf Entfernung der Markise, allerdings vergebens. Da die Markise den Lichteinfall der übrigen Eigentümer nicht beeinträchtigte und auch der optische Gesamteindruck nicht beeinträchtigt war, musste die Markise nicht abgenommen werden (Bayerisches Oberstes Landesgericht, 2 Z 35/95).
Schließlich müssen sich Gerichte neuerdings mit der Frage beschäftigen, ob auch eine Klemm-Markise, die nicht dauerhaft an der Fassade befestigt wird, unter diese Grundsätze fällt. Hierzu entschieden die Richter, dass eine bauliche Veränderung immer dann vorliege, wenn die äußere Gestalt des Gebäudes architektonisch, farblich oder ästhetisch beeinträchtigt werde. Es soll daher vorrangig auf das Erscheinungsbild der Fassade ankommen, also nicht darauf, ob die Markise durch Schrauben fest installiert oder nur geklemmt wurde. "Werden von den anderen Bewohnern im Haus keine Markisen verwendet, spricht einiges dafür, der Markise auf dem Balkon eine das Gesamtbild beeinträchtigende Wirkung zuzuschreiben", erklärt Mietrechtsexperte von Lutterotti.