Marketing der besonderen Art:Wie umwerbe ich eine Frau?

Sie haben bei 80 Prozent der Einkäufe ihre Finger im Spiel. Doch weil Frauen so kompliziert sind, wurden sie lange Zeit völlig falsch angesprochen. Nun geloben Werbeagenturen Besserung.

Markus Weber

"Frauen sind vielschichtig, kompliziert, widersprüchlich, unverständlich, ärgerlich, spannend - eine echte Herausforderung." Diese Erkenntnis der Frankfurter Agentur Ogilvy & Mather dürfte jeder Mann ohne Abstriche unterschreiben können: "Frauen behaupten zum Beispiel: 'Ich weiß genau, was ich will' - trotzdem wird jedes fünfte gekaufte Kleidungsstück umgetauscht."

In ihrer Studie "Insight/Outsight Women" haben sich die Ogilvy-Werber näher mit der Zielgruppe befasst. Damit liegen sie voll im Trend. Grey etwa veranstaltete vor acht Tagen einen "Female Grey Day" in Düsseldorf - mit Trendforschern, Wissenschaftlern und Marketingleitern. Eine Premiere.

Auch die PR-Agentur Ketchum veröffentlichte vergangene Woche eine Studie über die "lange verkannte Zielgruppe". Eine Untersuchung von Leo Burnett aus dem letzten Jahr trug den treffenden Titel "Miss Understood". Nachholbedarf herrscht zweifellos.

Zwei von drei Frauen fühlen sich von der Werbung kaum angesprochen (laut Media Analyzer). Zugleich werden 80 Prozent aller Einkäufe von Frauen getätigt oder maßgeblich beeinflusst. Je nachdem, welcher Studie man Glauben schenkt, sogar noch mehr.

"Attraktivste aller Zielgruppen"

Kein Wunder, dass gerade die 30 bis 50-jährigen Frauen von den Agenturen jetzt zur Schlüssel-Zielgruppe schlechthin erklärt werden. Spät, aber nicht zu spät. "Frauen sind die komplizierteste, aber auch die attraktivste aller Zielgruppen", hat mittlerweile auch Grey-Chef Frank Dopheide erkannt.

Und was wurde in den neuesten Agentur-Untersuchungen alles herausgefunden? Zum Beispiel, dass Frauen variationsreich angesprochen werden wollen. Lieber subtil als platt. Und vorzugsweise mit netten Geschichten.

Widerlegt wurde die Vermutung, dass "Sex sells" nur in der Männerwelt zählt. Seit dem Mega-Erfolg von Sex and the City wissen die Werber, dass auch Frauen mit schlüpfrigen Botschaften gewonnen werden können. Erotik funktioniert in der Damenwelt aber nur, wenn sie nicht als Sexobjekt, sondern als Akteurin oder Genießerin dargestellt wird.

Frauen wollen alles. Das heißt: sowohl - als auch. Sie entscheiden nie allein aus rationalen Beweggründen heraus, sondern fragen stets auch: "Was bedeutet das für mich und mein Umfeld?" In einer Infratest-Befragung im Auftrag von Ketchum gaben fast drei Viertel der Frauen an, an viele Dinge gleichzeitig zu denken. Bei den Männern behaupten das nur 56,9 Prozent von sich.

Auch Authentizität ist der weiblichen Zielgruppe wichtig. Trotz aller Idealvorstellungen: Eine heile Welt ist ihr zu perfekt. Frauen wollen mal stark dargestellt werden - und dann wieder schwach.

"Kreiere Gemeinschaft - vermeide Belehrungen"

Sie lieben es, wenn sie inspiriert oder (noch besser) motiviert werden. Wer mit seiner Kommunikation Kraft spendet, hat schon gewonnen. "Versuch, sie zu verstehen, dann kümmert sie sich auch um dich", bringen es die Autoren der Leo-Burnett-Studie auf den Punkt.

Und was bedeutet das für die Kreation? In Anbetracht der Vielschichtigkeit scheint eine Fokussierung schwierig. Der Grey-Chefkreative Dopheide nennt dennoch einige wichtige Punkte: "Kreiere Gemeinschaft. Vermeide Belehrungen. Zeige keine Sieger und Verlierer, sondern erzähle Geschichten, über die sie lachen kann." Ungefähr so wie in dem Ogilvy-Spot für die Sektmarke Jules Mumm, in dem drei Frauen viel Spaß miteinander haben, während der Mann in der Badewanne warten muss.

An der Frauenquote in den Agenturen kann es nicht liegen, dass Werbung bislang weibliche Konsumenten wenig ansprach. Bei TBWA Hamburg arbeiten 80 Prozent Frauen. Kreativchef Dietrich Zastrow: "Von ihnen lerne ich jeden Tag: Sie lieben die Kommunikation, sie sind emotional. Sie wollen umworben werden und suchen feste Beziehungen - auch zu Marken und Produkten."

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