Süddeutsche Zeitung

Marketing:Darf ich bitten?

Digitale Vermögensverwalter wollen bekannter werden. Gerade in Deutschland haben es die Robo Advisors aber nicht leicht.

Von Marcel Grzanna

Robo Advisors treffen in Deutschland auf Kunden, die ihr Geld trotz hoher Gebühren und Niedrigzinsen am liebsten auf einem Konto horten, anstatt es in Wertpapiere zu investieren. Digitale Vermögensverwalter wollen das ändern. Dafür geben sie riesige Summen für Marketing aus. Mit wachsender Größe wollen die Anbieter ihre eigene Profitabilität erhöhen. Noch haben die meisten die Gewinnschwelle nicht erreicht.

Das Sparen ist in Deutschland eine besondere Angelegenheit. Faktisch legen die meisten Deutschen ihr Geld dort zur Seite, wo es im Bedarfsfall in der Zukunft weniger wert sein wird. Eine aktuelle Studie des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) stellt fest: "Der Großteil der Gelder wird bei Banken und Versicherungen angelegt. Die niedrigen Zinsen reichen in der Regel nicht aus, um die Kaufkraftverluste durch die steigenden Verbraucherpreise ausgleichen zu können."

Mit einer Sparquote von 10,4 Prozent im ersten Quartal dieses Jahres legten die Deutschen einen noch höheren Anteil von ihrem verfügbaren Einkommen zurück als in den vergangenen Jahren. Im ersten Quartal 2019 stieg das Geldvermögen auf 6356 Milliarden Euro. Dies bedeutete einen Zuwachs des Geldvermögens von 276 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahresquartal. Laut Studie flossen 40 Prozent dieser Summe in Bankeinlagen, zwei Drittel davon auf Giro- und Tagesgeldkonten. Weniger schnell wuchsen hingegen die Vermögen in Wertpapieren und Versicherungen. "Mit rund 14 Prozent der Geldvermögensbildung sind Aktien und Investmentfonds angesichts der aktuellen Zinssituation im Portfolio der Bürger unausgewogen repräsentiert", schreibt der BVR.

In diesem Umfeld ist es für Robos schwer, neue Kunden zu gewinnen. Die voll automatisierten Vermögensverwalter benötigen dabei nicht nur Sparer, die bereit sind, statt auf das Konto lieber auf börsengehandelte Fonds zu setzen. Diese müssen auch noch Lust dazu haben, ihr Geld auf digitalem Wege und ohne persönlichen Berater verwalten zu lassen. Angesichts der Scheu, die deutsche Sparer vor Aktien haben, und der Skepsis vieler Anleger gegenüber neuen, digitalen Lösungen, verringert sich die Zielgruppe der Robos damit drastisch. Sie bekommen zu spüren, dass die Deutschen in Finanzangelegenheiten jahrzehntelang alles andere als zur Selbstständigkeit erzogen wurden.

Zumal jene Kunden, die in Sachen Geldanlage bewandert sind, oft ausreichende Kenntnisse besitzen, um sich ein eigenes breit diversifiziertes Portfolio selbst zusammenstellen zu können. Doch Robos haben auch ihre Stärken. Wer nicht weiß, wie eine weltweite Streuung über verschiedene Kapitalanlagen und Länder funktioniert oder sich darum nicht kümmern möchte, kann sich auch einfach an einen Robo wenden, der ein nach individueller Risikoneigung automatisiertes Portfolio ausspuckt. Über Marketing muss die Branche deshalb versuchen, bekannter zu werden und das Vertrauen von potenziellen Anlegern zu gewinnen.

Die Branche befindet sich noch in der Aufbauphase

Viele Robos haben über diverse Finanzierungsrunden große Mengen Kapital bei Investoren eingesammelt, von denen teils zweistellige Millionensummen in die Marketingbudgets geflossen sind. Noch allerdings mit überschaubarem Erfolg. Der Markt wächst zwar kontinuierlich, aber er explodiert nicht und läuft beispielsweise dem Geschäft amerikanischer Anbieter noch deutlich hinterher. Wer mit den Begriffen ETF (Exchange Traded Funds) und Investieren auf fremden Internetseiten warb, musste im Laufe der vergangenen Jahre immer mehr bezahlen. Die Umwandlungsquote des Marketingbudgets in neue Kunden gelingt jedoch nicht allen Robo Advisors gleichermaßen.

Dabei scheint die Strategie der Robos richtig angelegt zu sein. "Robos positionieren sich typischerweise gegen die Vermögensverwaltungen der Banken. Es gilt das Motto: Wir sind die demokratische Vermögensverwaltung, die sich auch Otto Normalanleger mit einer niedrigen fünfstelligen Eurosumme leisten kann", sagt Ali Masarwah vom Analysehaus Morningstar. Zumal die ETF als Anlageform als "die Guten" in der Vermögensverwaltung gelten, wie Analyst Masarwah sagt. Und nicht einmal fünfstellige Eurosummen sind noch zwingend nötig. Neueste Angebote richten sich bereits explizit an die Gruppe der Kleinsparer.

Die Branche befindet sich sechs Jahre nach ihrer Entstehung in Deutschland noch in der Aufbauphase. Die potenzielle Kundschaft für die Robos wird in Zukunft wohl weiter wachsen. Die Digital Natives, also jene Generation, die nie eine Welt ohne Smartphone, geschweige denn ohne Internet kennengelernt hat, werden den Umgang mit automatisierter Vermögensverwaltung weniger scheuen. Und laut BVR-Studie legen drei von vier Deutschen jeden Monat Geld zur Seite. Bei einem Nettoverdienst von unter 1000 Euro legt die Mehrheit der Sparer bis zu 50 Euro monatlich zur Seite, auch diese Kundschaft wird für die Branche zunehmend interessanter.

Robo Advising

Verantwortlich: Peter Fahrenholz

Redaktion: Katharina Wetzel

Illustrationen: Stefan Dimitrov

Anzeigen: Jürgen Maukner

Für die Robo Advisors spielt das Wachstum des Marktes eine entscheidende Rolle, weil zunehmende Größe vor allem auch über die eigene Profitabilität entscheidet. Noch sind die verwalteten Einlagen bescheiden, gemessen am Gesamtvermögen der Deutschen. "Insofern gilt es für die Unternehmen, möglichst schnell auf eine hinreichende Größe zu kommen. Die verwalteten Einlagen zu steigern, ist zunächst einmal das Wichtigste", sagt Masarwah. Auch weil sich die Renditen für die Anbieter in Grenzen halten. Einerseits müssen sie die Kosten für die Anleger günstig halten, um grundsätzlich attraktiv zu sein, andererseits verschärft sich der Wettbewerb um neue Kunden, der dazu führt, dass Gebühren noch weiter fallen.

Auch deshalb sind Kooperationen der Robo Advisors mit Banken inzwischen sehr beliebt. So steigern sie sehr schnell ihre Reichweite und erhalten Zugang zum Kundennetzwerk der Geldinstitute. Der deutsche Marktführer Scalable profitiert beispielsweise von der Zusammenarbeit mit der ING, die damit wirbt, Deutschlands beliebteste Bank zu sein. Für dieses Image setzt die ING übrigens auch auf das eigene Marketing über ihre Werbefigur Dirk Nowitzki, den berühmtesten deutschen Basketballer. Indirekt profitiert also auch Scalable von Nowitzkis Beliebtheit in Deutschland.

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Quelle:
SZ vom 06.11.2019
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