Markenrechts-Streitigkeiten mit Konzernen:Im Namen des Apfels

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Die Marke Apple ist so wertvoll, dass sie der Computerkonzern um jeden Preis schützen will - auch wenn das zum Beispiel beim Bonner Café Apfelkind merkwürdige Formen annimmt. (Foto: picture alliance / dpa)
  • Konzerne überwachen ihre Markenrechte teils vollautomatisch - und gehen dann rigoros gegen angebliche Verstöße vor.
  • Etwa 60 000 Marken wurden 2013 beim Patentamt eingetragen. 4646-mal legten Inhaber einer anderen Marke dagegen Widerspruch ein, weil sie ihre Rechte verletzt sahen.
  • So geriet auch Blog-Betreiber Robert Sari in Konflikt mit Apple, dem wertvollsten Konzern der Welt.

Von Jannis Brühl, Köln

Robert Sari ist ein Jünger. Er liebt Apple seit seinem ersten Mac: "Die Rechnung von dem Macintosh SE, den ich 1993 als Abiturient gekauft habe, habe ich noch. Ich habe das Geld aus meinem Sommerjob dafür ausgegeben", erzählt er. Umso schmerzhafter für den 40-jährigen Frankfurter, dass sein Lieblingskonzern Anwälte losschickt, um seinem Blog den Namen zu entziehen. "apfeloffice" heißt er.

Im Dezember 2013 meldete Sari "apfeloffice" als Wort-Bild-Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) an. Im Mai bekam er dann Post von Apples Kanzlei: Damit Besucher seiner Webseite nicht glaubten, sie seien bei Apple, solle er sie umbenennen, die Marke löschen. Sari weigerte sich, Apple ließ Widerspruch gegen seine Marke beim DPMA einlegen. Das Amt muss nun entscheiden, wer recht hat. Ein Apple-Sprecher will dazu nichts sagen - man gebe "kein Statement zu unseren Markenschutzaktivitäten und ebenfalls nicht zu Einzelfällen ab".

Ungleicher Kampf

Das erinnert an den Versuch von Apple im vergangenen Jahr, einer Bonner Café-Betreiberin die Marke "Apfelkind" zu verbieten. Grundsätzlich ist der Schutz der eigenen Marke rechtens, schließlich hat Apple oft mit Trittbrettfahrern zu kämpfen, die mit Apfel-Logos Geld verdienen wollen. Aber Saris Webseite hat nichts mit der von Apple zu tun, einen Apfel sieht man nirgends - und er wirbt sogar für die Produkte. Auf dem PR-Blog gibt der Mediengestalter Tipps, wie Software für Apple in Unternehmen eingesetzt werden kann: "Apple-Geräte sind mehr als bunte Bildchen und Wischen mit dem Finger." Buchhaltung, Rechnungserstellung, Call-Center-Software - das gebe es auch, viele wüssten es nur nicht. Sari berät auch Firmen, die Software für Macs nutzen wollen.

Im Gegensatz zur "Apfelkind"-Gastronomin hat seine Arbeit also einen Bezug zu Apple. Aber kann der Konzern ihm das Wort "Apfel" verbieten? Und welche Chance hat ein einzelner Gründer im Streit mit einem Weltkonzern? Apple machte im vergangenen Quartal 6,6 Milliarden Euro Gewinn. Sari nimmt mit dem Blog etwa so viel Werbegeld ein wie mit einem Minijob - 450 Euro im Monat.

Das zum Teil voll automatisierte System der Markenüberwachung kann in Einzelfällen große Firmen begünstigen. Dazu Patentamtssprecher Jörg-Eckhard Dördelmann: "Ein Unternehmen in der Größe von Apple kann es sich in aller Regel leisten, in die nächste Instanz zu gehen, koste es, was es wolle. In den Verfahren besteht insofern nicht immer Waffengleichheit." Er verweist auf die Objektivität des Amtes - und darauf, wie die Machtverhältnisse in der Praxis eben manchmal sind: "Für uns sind alle gleich im Verfahren. Aber im Zweifelsfall verfügt ein großes Unternehmen über ganz andere personelle und finanzielle Mittel, um das Markenregister permanent zu überwachen und umgehend auf mögliche Kollisionen aufmerksam zu werden."

Das Logo des Blogs "apfeloffice". (Foto: N/A)

Etwa 60 000 Marken wurden 2013 beim Patentamt eingetragen, darunter "apfeloffice". Die größten Anmelder sind Konzerne: Boehringer Ingelheim, Telekom, Vodafone. "Kollision" nennen es Fachleute, wenn Inhaber einer Marke geltend machen, dass ein Eintrag ihr Recht verletzt. Dann legen sie Widerspruch ein, 2013 passierte das 4646-mal. Dazu kamen 690 Löschanträge gegen ältere Marken. Dabei geht es oft um sprachliche Feinheiten. "'Apfel' ist Grundwortschatz der deutschen Sprache", sagt Sari. Außerdem sitze seine Firma im Frankfurter Apfelviertel, in dem die Straßen nach Apfelsorten benannt sind - so die Boskoopstraße. Das könne Apple ihm ja wohl nicht vorwerfen. Die Anwälte argumentieren dagegen, "dass Wortanfänge im allgemeinen stärker beachtet werden als die übrigen Markenteile."

Die Angst vor Apple kann ansteckend wirken. 2010 ließ der Konzern die Webseite "Apfelsupport" abmahnen, die Reparaturen von Apple-Geräten anbietet. Inhaber Till Heppner benannte die Seite in "bugsupport" um. Über seine Stimmung beim Lesen der Abmahnung sagt er heute: "Man fühlt sich hilflos. Wenn die klagen, legen sie sicher auch den Streitwert recht hoch an. Den können wir uns als kleines Unternehmen sicher nicht leisten." Die Gemeinde der Apple-Experten war verunsichert. Der Gründer einer anderen Webseite namens "Apfelhilfe" zog seine frisch angemeldete Marke zurück. Heute sagt der Mann, der anonym bleiben will: "Gegen ein Multimilliarden-Unternehmen stellt man sich dann doch nicht."

Apple geht häufig hart gegen Gründer vor, ist aber bei weitem nicht der einzige Konzern, der dies tut. Joachim Gottwald nannte seine Unternehmensberatung in München "XGap". Die US-Modekette Gap legte 2011 Widerspruch gegen diese Marke ein: Verwechslungsgefahr. "Ich hab' mit Textilhandel gar nix zu tun", sagt Gottwald. Noch erstaunlicher: Gap hatte sich 2004 aus Deutschland zurückgezogen. Gaps Anwälte ließen immer wieder Fristen verlängern, sagt Gottwald, sodass er nicht wisse, wie es weitergehe: "Ich denke seit drei Jahren: Muss ich jetzt die Marke einstampfen?"

Gap äußerte sich auf Anfrage nicht dazu. Selbst im sozialen Bereich gibt es Streit: Eine Münchnerin hat Ärger mit dem Schokoriegel-Hersteller Mars. Sie hilft Kindern, ihre Angst vor dem Lesen mithilfe von Hunden zu überwinden. Die Therapieform, bei der die Kinder den Tieren vorlesen, ist noch nicht ausreichend erforscht - aber so begehrt, dass die Tierfuttersparte von Mars ihre philanthropischen Bemühungen darauf ausrichtet. Der Konzern will der Frau, die sich mit als Erste in Deutschland ehrenamtlich in dem Bereich engagiert hat, verbieten, den Begriff "Lesehund" zu schützen. Mars will, dass ihn jeder verwenden kann. Die Frau wiederum sagt, sie müsse die Marke zur Sicherheit der Kinder schützen. Unqualifizierte Anbieter würden sonst dem Ruf der Therapie schaden.

Welche Marken Konzerne ins Visier nehmen, entscheiden Algorithmen mit. Firmen und Kanzleien, die Markenüberwachung anbieten, lassen Markenregister europaweit von Software überwachen. Den Anstoß für einen Widerspruch liefert oft die Maschine. "Das schlägt sofort an, wenn das Amt die Anmeldung offenlegt", sagt Michael Klems, dessen Firma Infobroker für Unternehmen Marken überwacht. Wenn die Software Ähnlichkeiten entdeckt, schickt Klems seinen Auftraggebern "Kollisionsberichte". Sie entscheiden dann, ob sie Widerspruch einlegen. Obwohl er selbst Geld mit Überwachung verdient, sieht Klems das Problem einer "Abmahneritis": "Für manche Rechtsanwälte ist das eine Lizenz zum Gelddrucken. Sie haben oft kein Markenverständnis und wissen nicht, wie viel Schaden aggressive Aktionen in sozialen Medien anrichten." Wie im Fall "Apfelkind". Die Café-Betreiberin war in den Augen vieler der David, der mit dem Goliath Apple stritt. Dass sie die Marke auch für Franchise-Konzepte - also Expansionspläne - angemeldet hatte, wussten viele allerdings nicht.

Nach viel schlechter Publicity zog Apple den Widerspruch zurück. Doch oft bekommen Konzerne, was sie wollen. Von Till Heppners Marke "Apfelsupport" ist heute nicht mehr viel übrig. Im Markenregister steht unter ihrem "Aktenzustand" nur: "Akte vernichtet".

Auch das Bonner Café "Apfelkind" hatte Ärger mit Apple. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)
© SZ vom 22.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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