Gefälschte Marken in China:"Wohnst du noch oder kopierst du schon?"

In China erreicht die Markenpiraterie eine neue Dimension: Statt nur Produkte zu kopieren, imitieren Händler gleich komplette Geschäfte. Gerade erst haben die Behörden zwei gefälschte Apple-Stores geschlossen. Jetzt ist in derselben Stadt ein Möbelhaus aufgetaucht, das europäischen Kunden ziemlich bekannt vorkommen dürfte.

Mario Lochner

Wie bei Ikea: Alles strahlt im schwedischen Blau-Gelb, Wände, Schilder, Einkaufstaschen und sogar die typischen Preisschilder baumeln von der Decke. Aber Vorsicht: Nicht alles, was nach Ikea aussieht, ist auch Ikea.

To match Insight CHINA/BRAND-PIRACY

Ein Geschäft des chinesischen Möbelhändlers 11 Furniture in Kunming. Ist die Ähnlichkeit mit Ikea Zufall?

(Foto: REUTERS)

Kunden müssen in China bisweilen genau hinschauen. In der südwestlichen Millionenstadt Kunming steht ein vierstöckiges Möbelhaus, das einer Filiale von Ikea zum Verwechseln ähnlich sieht. Der Händler 11 Furniture hat sich einfach beim Konzept des schwedischen Weltmarktführers bedient.

Und obwohl zumindest der Name nicht verdächtig scheint, ist auch er eine Kopie: Das chinesische "Shi Yi Jia Ju" für 11 Furniture klingt auf Chinesisch fast genauso wie Ikea. Auf den ersten Blick scheinen die chinesischen Preisschilder der einzige Unterschied zu einem europäischen Ikea-Haus zu sein.

Neun Original-Filialen haben die Schweden in China bislang eröffnet. Jetzt müssen sie sich mit einem Geschäft auseinandersetzen, das zwar genauso aussieht, ihnen aber nicht gehört. Rechtlich dürfte es schwierig werden, gegen das Fake-Möbelhaus vorzugehen: Kopieren ist in China zwar offiziell verboten, doch der Markenschutz ist kompliziert und die Unterstützung durch den Staat überschaubar.

Der Fall 11 Furniture scheint das Klischee der rücksichtslosen Raubkopierer in China zu bestätigen. Ein Kundenberater des chinesischen Händlers gibt sich passenderweise uneinsichtig. Schließlich sei es auch eine Kopie, wenn zwei Menschen das gleiche T-Shirt trügen, argumentiert er.

China hat Hunger nach westlichen Marken

Der Trend in China scheint klar: Warum nur ein Produkt klauen, wenn man gleich die ganze Marke haben kann? Manche Raubkopierer geben sich nicht mehr damit zufrieden, DVDs oder T-Shirts zu kopieren. Längst geht es um mehr als einen angebissenen Apfel auf einem Handy, drei Streifen auf falschen Adidas-Tretern oder schwedische Namen für Schränke. China ist hungrig nach westlichen Marken. Der Kunde soll nicht nur das Produkt kaufen, er soll die Marke erleben. Deshalb hat 11 Furniture auch bei Markenerlebnis und Service abgekupfert: Im Fake-Möbelhaus gibt es eine Cafeteria im Ikea-Stil und sogar die typischen Stummelbleistifte.

Die schwedische Einrichtungskette ist längst nicht das einzige Plagiats-Opfer: Auch Adidas, Nike, Disney und Starbucks klagen über Raubkopien. Überdies steht das kopierte Möbelhaus ausgerechnet in jener Stadt, in der kürzlich zwei gefälschte Apple-Stores geschlossen wurden. Darauf aufmerksam gemacht hatte die amerikanische Bloggerin "BirdAbroad". Sie stellte das Foto eines falschen Apple-Ladens ins Netz und forderte ihre Leser dazu auf, es ihr gleichzutun. Vielen Kunden ist wohl erst dadurch bewusst geworden, dass sie in einem gefälschten Laden eingekauft haben.

Für Unternehmen ist der neue Trend gefährlicher als herkömmliche Plagiate. Gerade bei weltumspannenden Anbietern ist die Marke oft deutlich wertvoller als die einzelnen Produkte. Kunden schätzen nicht nur Laptops oder Regale, sondern das Markenerlebnis - und dazu gehören auch Service und Einkaufsatmosphäre. Das macht die Raubkopien zu einer Gefahr für die Identität eines Unternehmens.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: