MeinungHeizen:Mannheim dreht 2035 das Gas ab. Jetzt muss die Stadt die Ängste der Bürger ernst nehmen

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Kommentar von Nakissa Salavati

Lesezeit: 3 Min.

Viele Hausbesitzer haben sich in den vergangenen Monaten noch schnell eine neue Gasheizung einbauen lassen. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

Städte und Versorger müssen Bürgern ehrlich erklären, was die Wärmewende für sie bedeutet. Die Ampel hat beim Heizungsgesetz gezeigt, wie man es nicht machen sollte.

In Mannheim wird es ernst. Der städtische Energieversorger und Netzbetreiber MVV will in zehn Jahren das Gasnetz in der gut 320 000 Einwohner großen Stadt stilllegen und ist damit einer der ersten. Aber alle Städte und Gemeinden müssen sich fragen: Wie heizen Bewohner künftig klimafreundlich und was muss dafür geschehen? Und wenn sie einen Plan haben, sollten sie ihn Bürgern klug vermitteln. Schließlich geht es hier nicht nur um Fakten, sondern auch um Ängste.

Was passiert, wenn man diese Sorgen nicht ernst nimmt, hat die Ampelregierung beim Heizungsgesetz bewiesen. Die Reform war dringend und notwendig, die Umsetzung eine Katastrophe. Am Ende waren sehr viele Menschen verwirrt, fühlten sich bevormundet und enttäuscht. Wer so empfindet, kann nicht mehr erkennen, warum eine Vorgabe sinnvoll ist und warum man sich selbst umstellen sollte. Genau das darf jetzt nicht mit dem Projekt 2035 in Mannheim passieren. Oder, man darf ja hoffen: Es könnte sogar zum Vorbild werden.

In einer Ankündigung nennt MVV viele überzeugende Argumente: Wer früh dran ist, kann jetzt planen, statt unter Zeitdruck zu geraten; Erdgas wird teurer, die Netzentgelte auch. Betreiber sind außerdem verpflichtet, Pläne zu erarbeiten, was mit ihrem Gasnetz passiert. Es ist also keine Frage des Ob, sondern eine Frage des Wie. Einige Punkte werden in der Ankündigung jedoch nicht klar: Was, wenn man im Haus eine Erdgasheizung hat, die noch 20, 30 Jahre funktioniert? Und was, wenn man weder Fernwärme beziehen kann noch eine Wärmepumpe ins Haus passt?

Die Menschen haben viele Fragen

Dabei sind genau das die Knackpunkte, die praktischen und die psychologischen. Denn am Ende geht es um Menschen, die Zehntausende Euro investieren müssen, die Handwerker benötigen, die jetzt viele Fragen haben. Sehr viele Einzelfälle, für die es nicht eine einzige Lösung gibt. Auch deswegen hält man sich in Mannheim vermutlich bedeckt: Es gehe zunächst darum, Orientierungshilfe für all jene zu geben, die sich jetzt neu für ein Heizsystem entscheiden müssen, hieß es. Das ist ebenfalls wichtig, hilft aber all jenen nicht, die noch mit Erdgas heizen.

Überrascht müssen Eigentümer nicht sein, es ist alles bekannt: Erdgas fürs Heizen hat eine begrenzte Zukunft. Eine „wasserstofffähige Gasheizung“ ist Theorie, denn genügend Wasserstoff wird kaum verfügbar sein. Wer also noch schnell eine Gasheizung installiert hat – und das waren viele – muss sich fragen, warum er oder sie die Faktenlage ignoriert hat. Und ja, es ist leichter, wieder eine günstigere Gasheizung zu kaufen. Es schreckt ab, eine teure Wärmepumpe anzuschaffen, das Haus gegebenenfalls sanieren zu müssen. Aber wer sich umfassend beraten lässt, weiß auch: Langfristig lohnt sich das meist alles. Und sanieren muss man als Eigentümer und Vermieter eben ab und an, jetzt erhält man dafür sogar noch Förderungen und steigert den Wert der eigenen Immobilie mit staatlicher Unterstützung.

Diese Vorteile müssen Städte wie Mannheim und die kommunalen Energieversorger vermitteln. Sie müssen aber auch erklären, dass nicht alle gewinnen und nicht jede Konsequenz angenehm ist. Sie müssen die Einzelfälle anerkennen. Wer Bürger ernst nimmt, muss ihnen Ehrlichkeit zumuten. Gemeinden und Unternehmen vor Ort haben, im Gegensatz zu Bundespolitikern, einen Vorteil: Sie können Menschen persönlich erreichen. Infoveranstaltungen sind wichtig, aber jetzt sollte man stärker ins Gespräch kommen, an Türen klingeln, Briefe schreiben.

Eine Gruppe wird übrigens häufig in der Diskussion vergessen: die Mieter. Denn von der Energie- und Wärmewende profitieren momentan vor allem Eigentümer: Sie können über Solaranlagen Strom beziehen, sie können darüber bestimmen, wie sie heizen, und den günstigsten Energieanbieter wählen. Wer zur Miete wohnt, muss sich darauf verlassen, dass Vermieter die richtige Heizungswahl treffen. Teure Investitionen wie Wärmepumpen bekommen sie über Mieterhöhungen zu spüren. Es gibt dagegen einen gewissen Schutz, nur fragt sich, ob er ausreicht. Und wenn in Zukunft mehr Haushalte Fernwärme beziehen sollen, muss diese Versorgung günstiger werden. Die Preise für Fernwärme sind in Deutschland extrem intransparent. Energieversorger sollten das ändern und auch hier viel stärker vermitteln, um Vertrauen zu gewinnen. Einen Versuch wäre es wert.

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