Mannesmann-Prozess:Wie auf dem Basar

Es ist der spektakulärste Wirtschafts-Strafprozess der deutschen Geschichte: In Düsseldorf steht von diesem Mittwoch an die einstige Führungsetage des Mannesmann-Konzerns vor Gericht.

Von Daniela Kuhr

Beim Lesen der 460-seitigen Anklageschrift von Staatsanwalt Johannes Puls kann es einem die Sprache verschlagen: Wie auf einem Basar scheint es in Deutschlands Vorstandsetagen zuzugehen. Innerhalb weniger Minuten und teilweise auch nur telefonisch werden Prämien, Boni oder Abfindungen in Millionenhöhe beschlossen.

Die Beteiligten vertrauen darauf, dass nichts davon an die Öffentlichkeit dringt. Doch diesmal war es anders. Wer geplaudert hat, ist bis heute nicht bekannt. Am Ende der Indiskretion steht jedoch das bislang wohl größte Wirtschaftsstrafverfahren der Bundesrepublik, bei dem es auch um die Moral in den Chefetagen hier zu Lande geht: der Mannesmann-Prozess.

48 Millionen Mark an Anerkennungsprämien

Sechs Spitzenleute der deutschen Wirtschaft müssen sich von diesem Mittwoch an vor der 14. Großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Düsseldorf unter dem Vorsitz von Richterin Brigitte Koppenhöfer wegen des Verdachts der schweren Untreue oder Beihilfe dazu verantworten: der ehemalige Vorstandschef des Mannesmann-Konzerns Klaus Esser, Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der frühere IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel, der Ex-Aufsichtsratschef von Mannesmann Joachim Funk, der einstige Konzernbetriebsratsvorsitzende Jürgen Ladberg und Dietmar Droste, der bei Mannesmann für die Vertragsangelegenheiten der Vorstandsmitglieder zuständig war.

Die Manager sollen bei der Übernahme des Düsseldorfer Traditionskonzerns — der sich vom Stahl- und Röhren-Produzenten zum Telekommunikationsunternehmen gewandelt hatte — durch den britischen Konkurrenten Vodafone im Frühjahr 2000 ohne Rechtsgrundlage und teils ohne wirksame Beschlüsse die Zahlung von 111,5 Millionen Mark (rund 57 Millionen Euro) veranlasst haben.

Davon flossen gut 48 Millionen Mark als Anerkennungsprämien an Esser, Funk und vier Vorstände. Mit weiteren 63,5 Millionen Mark wurden die Pensionsansprüche von 18 pensionierten Vorständen oder deren Hinterbliebenen abgegolten.

Wohl kein Wirtschaftsprozess hat schon im Vorfeld für so viel Aufregung gesorgt. So nannte etwa die CDU-Vorsitzende Angela Merkel die Anklage einen "Schlag gegen den Wirtschaftsstandort Deutschland". Dabei hatten die Staatsanwälte erst gar nicht tätig werden wollen, weil sie keinen Anfangsverdacht hatten. Erst nach Anweisung der Generalstaatsanwaltschaft nahmen sie die Ermittlungen auf.

In ihrer Anklageschrift bemängeln sie nun sowohl die Höhe der verteilten Summe als auch das Entscheidungsverfahren. Beschlossen wurden die Millionen-Zahlungen in einem Ausschuss des Mannesmann-Aufsichtsrates für Vorstandsangelegenheiten; ihm gehörten neben Funk und Ackermann auch Gewerkschafter Zwickel und Betriebsrat Ladberg an.

Bei Zwickel etwa, der selber gar kein Geld erhielt, vermuten die Strafverfolger, er habe sich den Beschlüssen nicht widersetzt, weil er dafür bei anderer Gelegenheit Entgegenkommen erwartete.

37 Verhandlungstage

Bei Esser dagegen sehen die Ermittler einen direkten Zusammenhang zwischen seiner Zustimmung zur Übernahme und dem Geldsegen. Zusammen mit seiner Abfindung - die nicht Gegenstand der Anklage ist - erhielt der Ex-Mannesmann-Chef rund 60 Millionen Mark.

Wochenlang hatte er massiv gegen alle Vodafone-Versuche einer feindlichen Übernahme gekämpft. Als er aber keine Abwehrchance mehr sah, sollen er und sein Amtsvorgänger Funk sich mit den Millionenzahlungen getröstet haben. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Sonderzahlungen eine der Bedingungen für Essers Zustimmung zur Fusion war.

Um alle Abläufe und Hintergründe zu erhellen, sind bis Ende Juni vorerst 37 Verhandlungstage angesetzt. Rund 60 Zeugen sind geladen, darunter der frühere Vodafone-Chef Chris Gent und Ex-Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle, damals Mannesmann-Aufsichtsrat.

Sie sollen helfen zu klären, ob es um maßlose Gier oder um strafbares Verhalten geht. Auf Untreue in einem besonders schweren Fall stehen bis zu zehn Jahre Haft.

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