Süddeutsche Zeitung

Manipulation bei Derivate-Handel:Angriff auf die Goldgrube

Folgt nach der Libor-Affäre der nächste große Zins-Skandal? Große Banken sollen den Derivate-Referenzwert Isdafix manipuliert haben. Es geht um Geschäfte mit einem Volumen von 450 Billionen US-Dollar. Jetzt untersucht die Bankenaufsicht, ob auch deutsche Banken an den Manipulationen beteiligt sind.

Von Andrea Rexer, Frankfurt

Nach der Libor-Affäre droht den Banken der nächste große Skandal: Die deutsche Bankenaufsicht Bafin prüft nach Informationen der Süddeutschen Zeitung, ob deutsche Banken an den Manipulationen rund um den Derivate-Referenzwert Isdafix beteiligt sind. "Wir gehen den Vorwürfen nach", sagte ein Sprecher der Behörde.

Hinter dem Vorstoß der deutschen Bankenaufsicht stecken Berichte des Nachrichtendienstes Bloomberg, dass die US-Derivate-Aufsicht CFTC Belege für Manipulation an dem wichtigen Referenzwert gefunden haben soll. Demnach sollen die US-Behörden gegen insgesamt 15 Banken ermitteln, darunter auch die Deutsche Bank. Das Geldhaus wollte den Sachverhalt auf Anfrage nicht kommentieren. Nach SZ-Informationen wurde der deutsche Branchenprimus jedoch bislang noch nicht von den Behörden kontaktiert.

Neben der Deutschen Bank dürften weitere Banken ins Visier der Bafin geraten: Nämlich jene, die zu den in Euro denominierten Isdafix-Werten Daten liefern. Dazu gehören die Commerzbank und die HVB. Welche Banken genauer unter die Lupe genommen werden, wollte die Bafin nicht mitteilen, da sie generell zu einzelnen Instituten keine Stellung nimmt.

Der Isdafix-Referenzwert ist für die Festlegung von Preisen bei komplexen Finanzprodukten, vor allem bei Zinsderivaten, von Bedeutung. Er wird in mehreren Währungen - darunter Dollar und Euro - festgesetzt. Zu jeder Währung liefern unterschiedliche Banken Daten zu. Das Volumen der betroffenen Geschäfte könnte Schätzungen zufolge 450 Billionen US-Dollar umfassen. Das ist wesentlich mehr als im ähnlich gelagerten Libor-Skandal, der bereits seit Monaten die Finanzbranche weltweit erschüttert. Aufgrund der Libor-Ermittlungen haben bereits einige internationale Großbanken insgesamt 2,5 Milliarden US-Dollar an die Behörden gezahlt.

In Sachen Isdafix wertet die CFTC den Berichten zufolge derzeit eine Vielzahl von E-Mails und Telefonaten von der britischen Großbank Barclays und der amerikanischen Großbank Citigroup aus. Im Zentrum der Ermittlungen steht jedoch ein Zwischenhändler: Der Broker Icap. Hier laufen die entscheidenden Daten zusammen. Und zwar in einer Abteilung, die intern den Spitznamen "Schatzinsel" bekommen haben soll. Hier wird richtig Geld verdient: Angeblich konnten diese Mitarbeiter jährlich bis zu sieben Millionen Dollar Gehalt einstreichen. Dazu könnten die Manipulationen erheblich beigetragen haben.

Das System soll so funktioniert haben: Händler der verschiedenen Banken sollen bei den Mitarbeitern von Icap angerufen haben, und sie um die Ausführung bestimmter Transaktionen, im Fachjargon Swaps genannt, gebeten haben. Icap ist Anbieter für derartige Geschäfte und stellt die Transaktionszahlen zu einer bestimmten Uhrzeit online. Aus diesen Daten wird der Referenzsatz Isdafix berechnet.

Gezielte Wetten auf bekannte Preise

Indem Händler das gehandelte Volumen manipulieren, können sie den Preis in eine bestimmte Richtung treiben. Und wer vorher den Preis kennt, kann gezielt Wetten darauf eingehen, die an anderer Stelle für dicke Gewinne sorgen. Für die Händler soll der Isdafix so zu einer Goldgrube geworden sein. Und für Icap auch - denn je mehr Geschäft, desto mehr Kommission.

Der Isdafix bezieht sich auf den Preis von Finanzprodukten, die nicht über Börsen gehandelt werden. Das sind beispielsweise Zins-Swaps, in deren einfachster Form variable Zinsen gegen feste Zinsen getauscht werden. Privatkunden können diesen Swaps bei Baufinanzierungen, bei variabel verzinsten Bankanleihen, aber auch bei vielen komplex strukturierten Investmentzertifikaten begegnen. Unternehmen nutzen Zins-Swaps häufig, um sich gegen zu starke Zinsschwankungen abzusichern.

Kennengelernt haben diese Produkte aber auch viele Stadt-Kämmerer, die mit glücklosen Zins-Wetten ihre Kommunen in die Bredouille gebracht haben. Vielleicht können sie sich jetzt Hoffnungen machen: Denn wenn es den Behörden gelingen würde, mehreren Banken nachzuweisen, dass sie bei der Festlegung des Referenzsatzes getrickst haben, könnte das Schadensersatzklagen ermöglichen. Dann könnten all jene, die Zinsderivate benutzt haben, versuchen nachzuweisen, dass sie durch die Manipulationen geschädigt wurden.

Das ist allerdings kein leichtes Unterfangen: Da der Referenzwert sowohl nach oben wie auch nach unten manipuliert worden sein könnte, lässt sich der Schaden auf individueller Basis nur extrem schwer berechnen. Dieses Problem gibt es auch in der Libor-Affäre. Zudem dürfte es nicht ganz leicht sein, den Banken zu beweisen, dass sie die hohen Handelsvolumina nicht aus dem normalen Geschäft heraus getätigt haben, sondern aus betrügerischer Absicht. Es wird also nicht leicht, die "Schatzinsel" zu kapern.

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SZ vom 06.08.2013/dayk
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