Mangelnde Tarifbindung:Mindestlohn im Einzelhandel gescheitert

Gewerkschaften und Arbeitgeber sind sich einig: Im Einzelhandel sollte es einen allgemeinen Mindestlohn für alle Beschäftigten geben. Doch der kommt jetzt nicht zustande, weil zu wenige Mitarbeiter gewerkschaftlich organisiert sind.

Die Einführung eines branchenweiten Mindestlohns im Einzelhandel ist vorerst gescheitert: "Das Projekt kann momentan nicht verwirklicht werden", sagte der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbands HDE, Stefan Genth, der Berliner Zeitung.

Grund ist, dass laut Gesetz mindestens die Hälfte der Beschäftigten in einem tarifgebundenen Unternehmen arbeiten muss, damit ein Mindestlohn auf die ganze Branche ausgedehnt werden darf. Nach Daten des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit (IAB) traf das im vergangenen Jahr jedoch nur auf 44 Prozent der Arbeitnehmer in Westdeutschland zu, in Ostdeutschland waren sogar nur 27 Prozent an den Branchentarifvertrag gebunden.

Der Arbeitgeberverband HDE fordert nun, die gesetzlichen Hürden zu senken. "Die gesetzliche Regelung zur Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen muss reformiert werden", forderte Genth. Schließlich arbeiten im Einzelhandel fast drei Millionen Menschen - und damit jeder zwölfte Arbeitnehmer Deutschlands.

Der niedrige gewerkschaftliche Organisationsgrad in vielen Branchen ist auch ein Grund für die Forderung nach Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns. So fordert etwa der Deutsche Gewerkschaftsbund eine allgemeine Lohnuntergrenze von 8,50 Euro.

Selbst die CDU - lange eher skeptisch - hatte sich vor kurzem auf ein Modell für einen Mindestlohn geeinigt. Eine Kommission aus Gewerkschaftern und Arbeitgebervertretern solle demnach eine allgemeine Lohnuntergrenze festlegen und einmal jährlich überprüfen, allerdings nur für jene Branchen, in denen es keine gültigen Tarifverträge gibt.

Seit mehr als drei Jahren haben die Tarifparteien nun über den Mindestlohn verhandelt, bis zuletzt wurde über dessen Höhe gestritten. Obwohl die Umsätze der deutschen Einzelhändler im April so stark zurückgegangen sind wie seit zwei Jahren nicht mehr, stand die Notwendigkeit einer Lohnuntergrenze zu keiner Zeit infrage. Wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte, sanken die Umsätze um 2,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Preisbereinigt (real) fiel das Minus mit 3,8 Prozent noch größer aus, nachdem es im März noch ein Plus von 3,2 Prozent gegeben hatte.

Allerdings zählte der April diesmal einen Verkaufstag weniger als vor einem Jahr. Besser schneidet der Einzelhandel im kurzfristigen Vergleich ab: Gemessen am Vormonat zogen der Umsatz real um 0,6 Prozent an.

Für dieses Jahr rechnet der Einzelhandelsverband HDE rechnet in diesem Jahr mit einem Umsatzplus von 1,5 Prozent. Von Januar bis April zogen die Einnahmen um 2,7 Prozent an. Die steigende Beschäftigung und spürbare Lohnerhöhungen sollen den Konsum ankurbeln. Das von den GfK-Marktforschern ermittelte Konsumklima blieb zuletzt trotz der eskalierenden Schuldenkrise in Europa stabil.

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