Süddeutsche Zeitung

Managerhaftpflicht:Es knirscht zwischen den Chefetagen

Jahrelang haben die Versicherer günstige Policen für die Manager-Haftpflichtversicherung angeboten. Doch jetzt wird es teurer. Das liegt auch an großen Skandale wie bei Wirecard, Greensill oder VW.

Von Herbert Fromme, Friederike Krieger und Anna Schwartze, Köln

Eigentlich soll die Managerhaftpflichtversicherung Vorstände, Aufsichtsräte und Geschäftsführer beruhigen. Die "Directors' and Officers' Liability (D&O)", wie sie nach dem angelsächsischen Original genannt wird, deckt die Manager dagegen ab, dass sie nach Fehlern mit ihrem privaten Vermögen haften müssen. "Das Risiko für Führungskräfte war wohl noch nie so groß wie heute", sagte Stephan Geis vom Spezialversicherer Allianz Global Corporate & Specialty bei einem Fachgespräch.

Doch zurzeit führt die D&O-Versicherung zu erheblicher Unruhe in den Vorstandsetagen der Großunternehmen - und der Versicherer. "Wir sind enttäuscht vom Verhalten der Versicherer ganz allgemein", beschreibt Dirk Wegener die Stimmung, Versicherungschef der Deutschen Bank und Präsident der europäischen Risikomanager-Vereinigung Ferma.

"Wir haben Probleme, die Kapazitäten im Markt zu finden, die wir gerne einkaufen würden", beklagte Wegener. Das heißt, die Versicherungsdeckung ist nicht so hoch, wie sie aus Sicht des Unternehmens sein sollte. Große Konzerne suchen Deckungen von 500 Millionen Euro und mehr. Die müssen sie ohnehin in vielen kleinen Portionen abschließen. Aber selbst dieser gestückelte Einkauf gelingt nicht mehr.

Außerdem werden die Versicherer sehr wählerisch. Branchen, die besonders von der Pandemie getroffen wurden, haben es auch bei der Versicherung schwer. "Tourismus, Handel, Entertainment und Sport, diese Branchen sind rote Tücher", sagte Marcel Roeder, Experte beim Makler Aon. Denn die Versicherer fürchten Insolvenzen -die Insolvenzverwalter sind besonders findig darin, Fehlverhalten bei den früheren Geschäftsführern zu finden und den Versicherern in Rechnung zu stellen.

Swen Grewenig, Versicherungschef beim Chemie- und Pharmariesen Bayer, wirft den Versicherern "reflexhaftes Verhalten" vor. Es sei nicht in Ordnung, Veränderungen durch die Pandemie ungeprüft als Begründung für höhere Preise, niedrigere Kapazitäten und veränderte Bedingungen heranzuziehen. Jahrelang haben die Versicherer D&O-Policen zu immer günstigeren Preisen angeboten und ihre Kapazität ausgeweitet. Doch 2020 hat sich der Trend gedreht. Eine Reihe von Großschäden hatte zu hohen Verlusten geführt. Und die Konzernzentralen der globalen Versicherer ziehen die Zügel an, sie wollen Gewinne sehen.

Das wird nicht leichter durch die aktuellen Großschäden. Der VW-Dieselskandal kostet die Gesellschaften 270 Millionen Euro, im Fall Wirecard verlangt der frühere Chef Markus Braun erfolgreich von Versicherern die Übernahme seiner Abwehrkosten in Millionenhöhe. Auch der Absturz der insolventen Greensill-Bank wird sehr wahrscheinlich teuer werden für die Branche. Bei risikoträchtigen Verträgen gibt es heftige Aufschläge. "In einem Extremfall wurden die Preise um 1000 Prozent angehoben", sagte Makler Roeder. In einem anderen Fall waren es 600 Prozent.

Es herrscht momentan keine gute Stimmung in der Branche

Doch solche Extreme sind nicht die Regel. Bei den meisten Unternehmen belaufen sich die Erhöhungen eher auf 20 Prozent, bestätigte Alexandra Ganz-Cosby, Chefin des Maklers Artus. Doch auch damit haben manche Kunden gerade aus dem Mittelstand ein Problem. Denn sie zahlen seit Jahren brav die Prämie und hatten nie einen Schaden. Jetzt fragen sie sich, ob sie für die Großschäden wie bei VW zur Kasse gebeten werden.

Was die Industrie mehr aufregt als die Preise ist die angeblich mangelnde Kundenorientierung der Anbieter. Anfragen werden spät beantwortet, an die Entscheider, die ja oder nein sagen zu einem Risiko, kommen die Risikomanager gar nicht erst heran. Dennis Froneberg vom Versicherer AIG sieht die Verantwortung aber auch bei den Industriekunden: "Wenn ein Versicherer versucht, möglichst früh anzubieten, gibt es Kunden, die bis zum Ende warten oder im Prinzip taktieren und dann am Ende nachverhandeln wollen."

Es bleibt eine grundlegende Missstimmung. Weil die Konzerne unzufrieden mit den Versicherern sind, suchen sie nach Alternativen. Eine ist die Nutzung von firmeneigenen Versicherern, so genannten Captives. Bisher werden sie selten in der D&O-Versicherung eingesetzt. "Wir haben das rechtlich intensiv begutachtet und sind zu dem Schluss gekommen, dass das eindeutig möglich ist", sagte Patrick Fiedler, der bei BASF für die Versicherungen zuständig ist. Sein Unternehmen sei nicht bereit, um der lieben Deckung willen jeden Preis zu zahlen. "Uns hilft die Captive, Lücken zu schließen." Sein Kollege Grewenig von Bayer gibt ihm recht. "Wir verfolgen sehr intensiv, was hier passiert."

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