Manager-Vergütung:Wie viel Gehalt ist noch gerecht?

Vorstandsgehälter: Wie viel Geld ist gerecht?

Was viel ist oder wenig, hängt nicht vom absoluten Gehalt ab: Der Vergleich mit den Kollegen ist entscheidend.

(Foto: Oli Scarff/Getty)

Ob VW oder Deutsche Bank: Aktuelle Fälle machen die Debatte um Vorstandsgehälter zum Thema im Wahlkampf. Aber wovon hängt eigentlich ab, ob sich Menschen fair bezahlt fühlen?

Von Jan Willmroth

Auf die alte Frage, ob Geld eigentlich glücklich macht, hatte Richard Easterlin eine überraschende Antwort. Der Ökonom von der University of Southern California belegte im Jahr 1995, dass es einer Bevölkerung nicht unbedingt besser geht, wenn sie wohlhabender wird. Der Befund ging als Easterlin-Paradox in die Geschichte ein: Steigt das Einkommen aller in einer Gesellschaft, werden die Menschen dadurch nicht viel glücklicher - nicht die Höhe des Einkommens ist entscheidend, sondern der Vergleich mit anderen, schlussfolgerte er.

Derzeit gibt es wieder viele Gelegenheiten, sich zu vergleichen, vor allem mit den Top-Verdienern der deutschen Wirtschaft. An der Schwelle zum Bundestagswahlkampf kocht die Diskussion um Vorstandsgehälter wieder hoch, im politischen Berlin streitet man über Anstand und Gier, die SPD will "Maß und Mitte" bei Vorstandsgehältern wieder herstellen. Kaum wurde die VW-Vorstandsfrau Christine Hohmann-Dennhardt vorzeitig mit einer Zahlung von zwölf Millionen Euro verabschiedet, plant der Konzern, die Gehälter seiner Vorstände künftig zu deckeln. Maximal zehn Millionen Euro für den Vorstandschef sollen es sein. Die Deutsche Bank streicht ihren Managern die Boni, Fixgehälter in Millionenhöhe bleiben.

"Mein Wohlergehen hängt immer davon ab, wo ich relativ zu anderen stehe"

Zehn Millionen sind immer noch viel, aber ab wann ist es zu viel? Wie will man gesetzliche Obergrenzen rechtfertigen? Was ist das überhaupt auf solchen Ebenen: eine gerechte Bezahlung, Maß und Mitte? Und wann fühlen sich Menschen gerecht bezahlt?

Was Easterlin für ganze Gesellschaften aufzeigte, gilt für den Einzelnen umso mehr. "Mein Wohlergehen hängt immer davon ab, wo ich relativ zu anderen stehe", sagt Dirk Sliwka, der als Professor an der Universität zu Köln die Zusammenhänge von Gehalt und Zufriedenheit untersucht. "Das ist ein absolut robuster Befund und tief in der menschlichen Natur verankert." Demnach ist es egal, ob man eine Million verdient oder zehn - solange ein Kollege oder ein Manager bei der Konkurrenz nicht deutlich mehr bekommt.

Auch der Wunsch nach Fairness ist in der menschlichen Natur verankert

Im Umkehrschluss werden Menschen nicht automatisch zufrieden, wenn sie viel verdienen. Gehaltserhöhungen machen zwar froh, aber deren Effekt verpufft schnell: Bleibt man im nächsten Jahr auf dem gleichen Level, sinkt die Zufriedenheit relativ wieder. Das Gehalt von gestern sei neben dem Vergleich zu anderen der zweite wichtige Referenzpunkt, sagt Sliwka: Menschen gewöhnen sich schnell an ihre Gehälter; verdienen sie einmal weniger, schadet das sofort ihrer Motivation. Ein Verlust löst immer stärkere Gefühle aus als ein Gewinn. Das gilt für Top-Manager genauso wie für einfache Angestellte.

Tief in der menschlichen Natur verankert ist auch der Wunsch nach Fairness. Verhaltensökonomen haben das tausendfach anhand des Ultimatum-Spiels gezeigt: In einem Experiment erhält die Hälfte einer Versuchsgruppe einen bestimmten Geldbetrag, jeder Einzelne entscheidet, wie viel er davon mit einer Person der anderen Hälfte teilt. Die beschenkte Person darf jeweils entscheiden, ob sie den Betrag annimmt. Lehnt sie ab, erhalten beide nichts. Die meisten Menschen in Industrieländern verschenken zwischen 40 und 50 Prozent ihres Geldes. Teilen sie weniger als ein Drittel, lehnt die Gegenseite ab.

Die zweite Variante ist ökonomischer Unsinn, schließlich vernichten die Beschenkten einen Wert und bestrafen jemanden, der mit ihnen teilt. Der Züricher Neuroökonom Ernst Fehr konnte aber zeigen, dass eine solche Bestrafung Menschen befriedigt. "Wir Menschen haben in uns Systeme, die uns sagen, was gerecht ist, das leite ich daraus ab", sagt Christian Elger, Hirnforscher am Universitätsklinikum Bonn. Er hat erforscht, was Geld mit dem menschlichen Gehirn anstellt.

Dirk Sliwka, BWL-Professor

"Es wäre wohl naiv zu glauben, dass es da nicht einen gewissen Drang zur Selbstbereicherung gibt."

Bonus-Zahlungen sind auch für die Firma nicht unbedingt gut

Mit Blick auf millionenhohe Managergehälter und Bonussysteme stimmen seine Befunde bedenklich. Denn Geld, das zeigen Forscher wie Elger, wirkt wie eine Droge. Erzielen Menschen einen Gewinn, wird das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert, eine Ansammlung von Nervenzellen, die ein extremes Wohlgefühl hervorruft.

Kaum etwas motiviert Menschen und Tiere so stark wie Belohnung - und Geld steht mit Rauschmitteln wie Kokain an der Spitze der Dinge, die das System reizen. "Je mehr dieses System aktiviert wird, desto weniger kritisch sind wir", sagt Elger. Schon die Aussicht auf ein Vermögen löst ein neuronales Feuerwerk aus und verleitet dazu, höhere Risiken einzugehen. Deswegen, sagt Elger, seien Bonus-Arrangements, bei denen einem Manager am Ende des Jahres eine hohe Summe winkt, nicht unbedingt gut.

Seit einigen Jahren richten Firmen Bonuszahlungen deshalb stärker am langfristigen Erfolg aus. Vorstände erhalten Aktienoptionen erst nach Jahren, wenn es dem Unternehmen dauerhaft gut geht - oder sie erhalten Boni nur proportional zu allen anderen. Allerdings, sagt Professor Sliwka: "In vielen Unternehmen herrscht große Unsicherheit darüber, was eigentlich ein gutes System variabler Vergütung ist."

Je mächtiger ein Chef, desto eher setzt er auch ein hohes Gehalt durch

Man darf davon ausgehen, dass sich Vorstände und Manager an ihren Gehältern berauschen, und das insbesondere Banker ihr Handeln darauf ausrichten, ihre Sonderzahlung zu erhalten. Noch ungeklärt ist die Frage, warum Vorstandsgehälter oft so exorbitant hoch ausfallen. Zwar ist gut belegt, dass es in fast allen Firmen eine sehr steile Lohnstruktur gibt: Je weiter man in der Hierarchie aufsteigt, desto größer werden die Gehaltssprünge, in der Spitze ist der Abstand am größten.

Konzerne begründen die hohen Gehälter oft mit dem Wettbewerb um die besten Mitarbeiter. Aber erklärt das, warum ein Vorstandschef das 140-fache eines einfachen Angestellten verdient? Sliwka bezweifelt das. "Es ist schwierig, seriös zu bewerten, ob Vorstandsgehälter Marktgehälter sind", sagt er. Dazu gibt es zu wenige empirische Untersuchungen. "Aber es wäre wohl naiv zu glauben, dass es da nicht einen gewissen Drang zu Selbstbereicherung gibt", sagt der Forscher. Je mächtiger ein Vorstand ist, desto eher setzt er auch ein hohes Gehalt durch - und wird vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung kaum bereit sein, auf einmal weniger zu akzeptieren.

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