Süddeutsche Zeitung

Managerrenten:Lasst den Managern ihr Geld!

Ob jemand sehr viel verdient oder sehr, sehr, sehr viel, ist eigentlich auch egal. Solange das Geld an jemanden geht, der damit einigermaßen ordentlich umgeht.

Kommentar von Max Hägler

Sahra Wagenknecht, linke Vordenkerin mit wachsendem Talent zu flügelübergreifendem Populismus, hat die Kritik am deutlichsten formuliert: "Immer mehr Menschen müssen im Müll nach Pfand suchen, um so, trotz 40 Arbeitsjahren, ihre Rente aufzubessern." Daimler-Chef Zetsche hingegen kassiere 4200 Euro Rente pro Tag. Die Bürger sollten "aufstehen" gegen die "himmelschreiende Ungerechtigkeit" und für eine "soziale Wende" kämpfen.

Seit jemand im Jahresbericht der Daimler AG die absehbaren Rentenzahlungen des dortigen Vorstandschefs heraussuchte, ist daran mal wieder eine Gerechtigkeitsfrage entbrannt. Es gibt tatsächlich gute Gründe, wieso man solche Summen geschmacklos finden kann. Doch gibt es in diesem Fall auch gute Gründe für die Zahlungen. Und letztlich führt die Aufgeregtheit über ein paar Millionen in die Irre: Wer Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft beklagt, sollte anderes und andere in den Blick nehmen. Und zwar jene Auswüchse der Marktwirtschaft und Eigentumsstrukturen, die tatsächlich anderen schaden.

Zuerst die Feststellung: Dieter Zetsche hat, das kann man nach über einem Jahrzehnt sagen, gute Arbeit gemacht. Er hat den Autobauer, der in den Jahren zuvor vor allem durch Pannen-Taxis und globalen Größenwahn in die Schlagzeilen kam, zum Marktführer gemacht. Die Zielgruppe mag die Produkte, an denen knapp 300 000 Menschen arbeiten. Der Job der meisten ist recht sicher, weil das Unternehmen gut wirtschaftet, weil es die technologischen Umbrüche im Blick hat, also diese Zukunft mit den elektrisch fahrenden Roboterautos mitgestaltet.

Die Anteilseigner streichen zuverlässig ihre Rendite ein - wobei Zetsche und seine Kollegen sich manches Mal dem deutlichen Druck nach höheren Ausschüttungen widersetzten. Gute Arbeit, die nicht jeder leisten kann. Viele kennen aus dem eigenen Umfeld das Gegenbeispiel: Führungskräfte, die durch Unfähigkeit, Ideenlosigkeit und Arroganz bestechen.

Aber darf jemand - selbst wenn er hohe Leistung bringt - Millionen verdienen pro Jahr, als Angestellter und später als Rentner? Ein Maßstab wäre der Blick auf die "Manager to Worker Pay Ratio". Dabei wird berechnet, das Wievielfache ein Manager im Vergleich zum einfachen Angestellten oder Arbeiter verdient. 2017 verdiente Anzugträger Zetsche so viel wie 171 Blaumann-Träger. Ein Gremium der Blaumänner könnte da übrigens entscheidend mitreden, wenn es denn so ein Problem wäre: Die Gewerkschaften und Betriebsräte, die auch in den Aufsichtsräten sitzen.

Aber auch sie können nicht sagen, wie viel zu viel ist. Wie schwierig diese Frage zu beantworten ist, zeigt sich, wer nach konkreten Begrenzungen sucht für Gehälter und Renten. Wagenknecht ist fast die Einzige, die sich äußert: Beim 20-Fachen soll die Grenze sein. Vor ein paar Jahren sagte Zetsche übrigens mal zum Gehalt: Eine Million Euro wäre schon auch in Ordnung.

Aufregen lohnt sich nicht

Doch das Sich-selbst-Bescheiden ist nicht einfach. Der ein oder andere Vorstandskollege würde rebellieren, weil aus moralischer Sicht alle mitmachen sollen. Dann kommt schnell die Frage, die jeder Normalverdiener kennt: Bekomme ich woanders mehr. Um das zu ändern, bedürfte es allgemeiner Regeln, eines klaren Kodex. Solange dieser nicht da ist, kann man dem einzelnen Manager schwerlich Gehalt und Rente vorwerfen. In der Sache lohnt die Aufregung sowieso nicht: Ob jemand sehr viel verdient oder das Fünffache von sehr viel ist auch schon egal. Solange es einen Fähigen erreicht, der mit dem Geld einigermaßen ordentlich umgeht. Ein negatives Gegenbeispiel ist der mittlerweile pensionierte Vorstand eines bayerischen Dax-Konzerns. Der erwarb in München-Schwabing ein Mietshaus, wollte es luxussanieren, auf Kosten der ganz normalen Mieter.

Diese und die Stadtverwaltung verhinderten das, zum Glück. Genau hier beginnen dann die Gerechtigkeitsfragen, die eigentlich in den Blick zu nehmen sind: Was geschieht mit so viel Geld? Wird der Nutznießer es auch konstruktiv einsetzen, oder zumindest nur zum privaten Vergnügen - oder im Gegenteil zum Schaden Schwächerer? Für das Wohlergehen der Gesellschaft ist es nicht wirklich relevant, wie viele Millionen eine kleine Elite überwiesen bekommt. Die sozialen Fragen, über die Aufregung lohnt, liegen abseits der Gehälter, sie beginnen oft da, wo nicht mehr durch Arbeit, sondern allein mit Kapitaleinsatz neues Geld verdient wird. Beim Wohneigentum zum Beispiel und den horrenden Mieten, die übrigens nicht nur Dax-Vorstände kassieren. Auch wenn diese Strukturen viel schwieriger zu durchblicken sind als die Rente eines Vorstandschefs.

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Quelle:
SZ vom 30.01.2019/lüü
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