Manager: Haftung für Fehler:Bis auf das letzte Hemd

Härtere Maßstäbe, strengere Aufsichtsgremien und empörte Bürger: Warum Top-Manager immer mehr Schadenersatz für Affären aller Art zahlen sollen und daran am Ende sogar pleitegehen könnten.

Klaus Ott

Werner Schmidt, Bankkaufmann im Ruhestand, hat sich in seinem Berufsleben ein kleines Vermögen angespart. Der Schwabe war etliche Jahre lang Chef zweier Landesbanken, erst in Baden-Württemberg und dann in Bayern, und legte in den gut bezahlten Jobs einiges beiseite. Dem 67-jährigen gehört ein Haus im Voralpenland, wo er mit seiner Frau lebt; hinzu kommen mehrere Wohnungen sowie gut gefüllte Bankdepots. So steht es in den Akten der Münchner Staatsanwaltschaft. Einige Millionen Euro kommen da schon zusammen.

Schwierige Aufklaerung des Landesbank-Desasters

Schwierige Aufklärung: Die Übernahme der Hypo Alpe Adria durch die BayernLB geriet zum Milliardenloch. Einige der verantwortlichen Manager sollen sich jetzt deswegen verantworten.

(Foto: dapd)

Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis ein Bote von Bayerns Landesbank bei Schmidt klingelt und ihm eine Schadenersatzforderung in Höhe von 200 Millionen Euro übergibt. So viel will die Staatsbank am alten, achtköpfigen Vorstand für das Desaster bei der österreichischen Hypo Group Alpe Adria (HGAA) eintreiben.

Dort hat die BayernLB 3,7 Milliarden Euro verloren. Einer von Schmidts früheren Kollegen, der einst für das Risikomanagement verantwortliche Gerhard Gribkowsky, wird jetzt bereits auf diesen Betrag verklagt. Die restlichen Vorstandsmitglieder, die beim Kauf der HGAA diverse Risiken ignoriert haben sollen, dürften bald folgen.

Jeder von ihnen wäre also wohl pleite

Von den 200 Millionen Euro würde, im besten Falle für Schmidt und seine Kollegen, eine zugunsten des Managements abgeschlossene Haftpflichtversicherung 105 Millionen Euro übernehmen. Auf diesen Betrag lautet die Police. Blieben 95 Millionen Euro für die acht Ex-Vorstände, von denen offenbar nur Gribkowsky dank seiner vor kurzem aufgeflogenen Einkünfte aus der Formel 1 über ein besonders großes Vermögen verfügt. Jeder von ihnen wäre also wohl pleite, falls die BayernLB auf ihren Forderungen beharrte und vor Gericht Recht bekäme.

200 Millionen Euro Schadenersatzforderung, das ist eine Rekordsumme im Bankgewerbe, seit nach Beginn der Finanzmarktkrise etliche große Kreditinstitute Milliardenbeträge verloren haben und gegen zahlreiche Manager ermittelt wird. Darunter auch gegen den gesamten Ex-Vorstand der BayernLB.

Erst vor Wochenfrist war eine Rekordforderung in der Industrie bekannt geworden. Der frühere MAN-Chef Hakan Samuelsson soll gemeinsam mit fünf ehemaligen Vorstandskollegen 237 Millionen Euro zahlen. So hoch ist angeblich die Schaden in der Korruptionsaffäre bei dem Lastwagen- und Bus-Hersteller. Auch hier könnte die Forderung die betroffenen Manager im für sie schlimmsten Fall ruinieren.

Von Pierer ist noch günstig davon gekommen

Im Vergleich dazu ist der frühere Siemens-Vorstandschef Heinrich von Pierer, den der weit größere Schmiergeldskandal in seinem Konzern fünf Millionen Euro gekostet hat, noch günstig davon gekommen. Mit Siemens hatte die Welle von Schadenersatzforderungen gegen Top-Manager begonnen, aber da ging es nur um kleinere Millionenbeträge.

Management-Versagen ist kein Kavaliersdelikt mehr

Dass die Summen nun explosionsartig nach oben gehen, hat zwei Gründe und eine Ursache. Die Maßstäbe verschieben sich, die Aufsichtsgremien greifen härter durch, und beides geschieht offenbar auch deshalb, weil Wirtschaftsführer stärker denn je im Fokus der Öffentlichkeit stehen.

Dazu haben, neben diversen Korruptions-Skandalen, auch die horrenden Verluste von Großbanken geführt. Kreditinstitute wie die BayernLB, die Hypo Real Estate, die HSH Nordbank oder die SachsenLB hatten sich an den internationalen Finanzmärkten teilweise böse verzockt und mussten anschließend mit dem Geld der Steuerzahler gestützt werden, um einen Kollaps des Banken- und damit des gesamten Wirtschaftssystems zu verhindern.

Härtere Maßstäbe

Viele Bürger wollen nun wissen, wer das zu verantworten hat. Management-Versagen ist kein Kavaliersdelikt mehr, das sogar noch mit hohen Abfindungen belohnt wird, um überforderte oder gar unfähige Vorstände loszuwerden. Die Zeiten haben sich geändert, was zuerst die alte Siemens-Garde zu spüren bekam.

Für Pierer und die meisten seiner Vertrauten war es freilich fast noch schlimmer, aus dem Konzern verbannt zu werden, als Schadenersatz zu zahlen. Aufsichtsratschef Gerhard Cromme hatte die Parole ausgegeben, man solle den alten Vorständen "nicht das letzte Hemd ausziehen". Cromme zählt zu den Top-Leuten in der deutschen Wirtschaft; eine gewisse Rücksichtnahme auf langjährige Kollegen war da noch angesagt.

Die vom Siemens-Aufsichtsrat eingeschalteten Anwälte trugen vor, man müsse die "Leistungsfähigkeit" der betroffenen Manager berücksichtigen; also zugrunde legen, was sie überhaupt zahlen könnten. Auch dürfe das Unternehmen in Ausnahmefällen "ein verdientes Vorstandsmitglied schonen" und die "sozialen Konsequenzen" für die betroffenen Familien bedenken. Ein bisschen klang das nach dem Motto, Gnade vor Recht.

Davon ist heute bei MAN oder den Banken keine Rede mehr. Es gelten neue, viel härtere Maßstäbe. Man müsse die alten Vorstände "maximal angreifen", tönt es aus dem vom VW- und Porsche-Regenten Ferdinand Piëch geleiteten MAN-Aufsichtsrat. Das ist auch bei der SachsenLB der Fall, wo zu den bereits in Rechnung gestellten 60 noch weitere 190 Millionen Euro dazukommen können. 250 Millionen Euro Gesamtforderung, das wäre dann schon wieder der nächste Rekord.

Konkrete Schäden aufgelistet

Dieselbe Anwaltskanzlei, die bei Siemens zugange war, listet nun für die BayernLB die konkreten Schäden beim Erwerb der Hypo Alpe Adria auf und stellt sie in Rechnung: überhöhter Kaufpreis, frühzeitig absehbare Finanzlöcher in der HGAA. Das habe der alte Landesbank-Vorstand zu verantworten, der viele Fehler gemacht habe. Werner Schmidt und seine Ex-Kollegen widersprechen, ebenso wie die alten Vorstände von SachsenLB und MAN.

Fein heraus sind nur die Politiker, die in den Kontrollorganen der Landesbank saßen. Einzig der ehemalige bayerische Finanzminister Kurt Falthauser und Ex-Sparkassenpräsident Siegfried Naser müssen noch zittern: In ihren Fällen prüft die Bank Forderungen.

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