Manager Andreas von Zitzewitz:Zweite Chance für das Stehaufmännchen

Der tief gefallene Ex-Infineon-Vorstand Andreas von Zitzewitz kehrt ins Top-Management zurück. An der Spitze des Solarunternehmens Conergy kämpft er nicht nur um seinen Ruf.

Markus Balser

Schon einmal stand Andreas von Zitzewitz kurz vor dem Sprung an die Spitze. Im Sommer 2005 hatte er nach langem Warten beste Chancen auf einen Topposten im Milliardenkonzern Infineon. Zitzewitz, damals Vorstand des Dax-Unternehmens, galt als bester Kandidat für den Chefposten der Tochter Qimonda. Doch dann kam jener Morgen, der sein Leben auf den Kopf stellte. Zitzewitz wunderte sich noch über einen fremden Audi an seiner Joggingstrecke bei München. Da durchkämmten Polizeibeamte schon sein Reihenhaus.

Infineon-Korruptionsprozess - Ex-Vorstand sagt aus

Andreas von Zitzewitz war mal ganz oben. Da will er auch wieder hin.

(Foto: dpa)

Der blaublütige Führungsmann gestand noch am selben Tag, Schmiergeld von einem Geschäftspartner genommen zu haben. Für den Manager, der bis dahin eine blitzsaubere Karriere hingelegt hatte, der Beginn eines tiefen Falls. In aller Öffentlichkeit vollzog sich der Abstieg von jener Bühne, auf der die Grenzen von Moral und Ordnung verschwammen.

Zitzewitz verlor Geld und Privilegien und trat als Infineon-Vorstand zurück. Nach seiner Verurteilung zu einem Jahr Haft auf Bewährung und der Zahlung von 100.000 Euro Ende 2006, glaubte kaum noch jemand an die Fortsetzung der Karriere. "Ich habe einen großen Fehler gemacht", räumte Zitzewitz ein. Das "Stigma der Bestechlickeit" werde an ihm hängenbleiben, fürchtete er noch vor drei Jahren. Nicht der Verlust von Macht schmerze ihn, sondern dass 20 Jahre harte Arbeit, Erfahrung und Anerkennung einfach nichtig seien.

Der Wille zum Wechsel

Fast genau fünf Jahre nach der Razzia bekommt Zitzewitz, 50, nun eine zweite Chance - wenn alles gut geht. Kaum ein anderer vorbestrafter Vorstand schaffte nach einer Verurteilung bisher den Sprung zurück ins Spitzenmanagement. Der Aufsichtsrat des Solarunternehmens Conergy wird nach Informationen der Süddeutschen Zeitung an diesem Freitag darüber beraten, wann Zitzewitz an die Spitze der Hamburger Firma rücken soll.

Unklar sei nur noch, ob er bereits zum August oder erst im Herbst antreten solle, verlautete aus dem Unternehmen. Der Wille zum Wechsel stehe außer Frage, hieß es weiter. Doch einen entscheidenden Haken hat die Personalie: Noch weiß niemand, ob Conergy die nächsten Wochen übersteht.

Denn die angeschlagene Solarfirma kämpft um ihre Existenz. Ende des Monats werden Kredite über 250 Millionen Euro fällig. Hinter den Kulissen ringt das Management um Noch-Chef Dieter Ammer mit Banken in letzter Minute um eine neue Finanzierung. Insgesamt stand die Firma Ende März mit 341 Millionen Euro bei den Banken in der Kreide.

Und wieder sind Ermittler im Spiel

Es geht um viel - für Zitzewitz und für Conergy. Zitzewitz dürfte das schon im März 2008 beim Wechsel in die Solarbranche klar geworden sein. Denn zu Beginn der neuen Karriere begegnen ihm alte Probleme: Wieder sind Ermittler im Spiel. Die Staatsanwaltschaft Hamburg verdächtigt mehrere Personen, darunter ehemalige Conergy-Vorstände, Bilanzen gefälscht, den Aktienkurs manipuliert und Insiderhandel betrieben zu haben. Doch eins ist anders: Diesmal soll Zitzewitz aufräumen.

Weil der anfangs skeptische Aufsichtsrat nach einigen Monaten von seiner Arbeit überzeugt ist, wird Zitzewitz 2009 in den Vorstand berufen und avanciert zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden. "Kaum jemand hätte gedacht, dass er zurückkommt", sagt ein früherer Weggefährte. Plötzlich findet sich Zitzewitz in einer längst nicht mehr erwarteten Rolle wieder - der des Hoffnungsträgers. Zäh hatte Zitzewitz zuvor an seiner Chance auf ein Comeback gearbeitet.

Zur Untätigkeit in der eigenen Hightech-Branche verdammt, stieg er nach der Korruptionsaffäre und dem Rücktritt bei Infineon als Geschäftsführer beim kleinen Reisemobilhersteller Bavaria Camp in der bayerischen Provinz ein. Landsberg am Lech statt internationale Chipmessen, Rollschubladen statt Reinräume. Umständehalber leistete der Porsche-Fan Kärrnerarbeit mit Campingwagen. Zitzewitz entwickelte eine eigene Serie, die aus Citroën-Transportern fahrbare Haushalte machte. Ihm gelang, was kaum jemand für möglich hielt: Binnen weniger Monate sanierte er den zuvor chronisch unprofitablen Betrieb.

Keine Pleite aber trotzdem verunsichert

Auf ein ähnliches Wunder hofft jetzt auch Conergy. Zitzewitz führe schon vor dem offiziellen Chefwechsel einen Großteil der Geschäfte, heißt es. Er habe eine Menge der Vorstandsarbeit seines Vorgängers Ammer übernommen. Der soll nun noch die Finanzierung unter Dach und Fach bringen. Doch in der entscheidenden Phase der Rettung gefährdet ein Streit unter den Gläubigern die Zukunft des Unternehmens.

Nach dem Ausstieg einzelner Banken sei das Kreditkonsortium tief entzweit über die künftige Kapitalstruktur, heißt es. Zwar verlautete aus Bankenkreisen, dass eine Pleite von Conergy ausgeschlossen sei, da kein Finanzhaus das Unternehmen fallen lassen werde. Doch die Investoren bleiben verunsichert. Der Absturz von Conergy an der Börse war kaum aufzuhalten. Der Aktienkurs fiel binnen drei Jahren von über 20 Euro auf 75 Cent.

Nun will das Management um Zitzewitz und Ammer offenbar mit guten Zahlen überzeugen. Marktkreisen zufolge will der Konzern möglicherweise schon an diesem Freitag vorläufige Zahlen über den Geschäftsverlauf im ersten Halbjahr 2010 vorlegen und so den Druck auf die Banken erhöhen. Conergy schreibe 2010 wieder schwarze Zahlen, verlautet aus dem Unternehmen. "Die zweite Chance", sagt ein Vertrauter von Zitzewitz, "darf einfach nicht platzen."

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