Süddeutsche Zeitung

MAN: Samuelsson geht:Das Ende einer Karriere

Der Rückzug von MAN-Chef Håkan Samuelsson ist das Ende eines zähen Machtkampfes. Der Stärkere hat gewonnen, und der Stärkere heißt wieder einmal Ferdinand Piëch.

Karl-Heinz Büschemann

Der Chef von MAN tritt zurück. Das wirft Fragen auf, zumal Håkan Samuelsson, der seit 2005 an der Spitze des Münchner Nutzfahrzeug- und Maschinenbauers steht, gute Arbeit geleistet hat. Der 58-jährige Schwede hat aus einem verschlafen agierenden deutschen Traditionskonzern ein modernes Unternehmen gemacht. Er hätte noch ein paar Jahre weitermachen können. Es kam anders. Samuelsson begründet sein überraschendes Ausscheiden mit den Worten, es sollte jetzt zum Wohle des Unternehmens einen personellen Neuanfang auf höchster Ebene geben.

Das lässt Raum für Spekulationen. Geht er, weil bei es dem Lkw- und Bushersteller eine Korruptionsaffäre gab, die dem Ansehen des 250 Jahre alten Konzern Schaden zufügte? Hat er andere Gründe? Die Bestechungsaffäre hat Samuelsson extrem zugesetzt. Aber er hat alles getan, um die Sache aufzuklären, hat nicht einmal versucht, die peinliche Affäre zu vertuschen oder zu verkleinern. Die Korruptionsaffäre ist nur ein Teil des Problems von Samuelsson. Deswegen muss er nicht den Hut nehmen. Der Rückzug von Samuelsson ist das Ende eines zähen Machtkampfes. Der Stärkere hat gewonnen. Die Bestechungsaffäre wird jetzt zum Vorwand genommen, sich von ihm zu trennen.

Samuelsson hat seit 2006 einen Gegenspieler: Ferdinand Piëch, den Patriarchen von Volkswagen, der seit 2007 auch den Aufsichtsrat von MAN führt. Die Ideen dieser beiden Männer gehen auseinander. Mit Verspätung zahlt Samuelsson jetzt den Preis für einen großen taktischen Fehler. Im Jahr 2006 wagte Samuelsson für deutsche Verhältnisse Ungewöhnliches. Er plante die feindliche Übernahme des schwedischen Lkw-Herstellers Scania. Den kannte er, weil er vor seiner Zeit bei MAN in führender Funktion bei dem Unternehmen war. Scania würde gut zu MAN passen.

Doch Samuelsson hat etwas übersehen, was einem Spitzenmann in der Deutschland AG besser nicht passieren sollte. Er hatte die Macht von Ferdinand Piëch nicht bedacht. Der hatte VW einige Jahre zuvor an Scania beteiligt, sich dann aber um den nordischen Lkw-Bauer wenig gekümmert. Doch kaum hatte MAN zugepackt, schlug Piëch zurück und verhinderte den MAN-Plan. Statt dessen erhöhte VW die Beteiligung an Scania und stieg zudem bei MAN ein.

Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann sich Samuelsson dem mächtigen Mann bei VW beugen musste, der schon viele Manager aus ihren Ämtern kippte. Das letzte Opfer Piëchs war Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, der eine noch größere Frechheit begangen hatte als Samuelsson. Wiedeking wollte mit Porsche den VW-Konzern übernehmen. Nach dem Ende des Streits mit Porsche konnte Piëch seine nächste Baustelle angehen; das ungelöste Problem MAN. Die Zusammenführung der Unternehmen MAN und Scania ginge ihm nicht schnell genug, stichelte er. Samuelssons Tage waren gezählt.

Dass ein weiterer Top-Mann der Wirtschaft dem übermächtigen VW-Oberchef zum Opfer fällt, ist ein Grund zur Sorge. In Wolfsburg bildete sich in den vergangenen 15 Jahren ein undurchsichtiges Machtgefüge, das kaum zu kontrollieren ist. Im Zentrum steht Europas größter Autokonzern mit 350.000 Mitarbeitern. Daneben handeln noch ein übermächtiger Betriebsrat und das Land Niedersachsen, das an VW eine starke Beteiligung hält. Über allen schwebt Ferdinand Piëch, der Aufsichtsratsvorsitzende. Der ist zwar nur ein Teil der Porsche-Familie, die seit einigen Monaten bei VW das Sagen hat, weil sie der Großaktionär ist. Aber Piëchs Macht wird von niemandem in der Familie in Frage gestellt.

Diese Machtkonzentration kann auf die Dauer nicht gut sein. Dass ein Manager wie der MAN-Chef Samuelsson wegen Meinungsverschiedenheiten seinen Hut nehmen muss, ist dabei kein großes Problem. Der Mann muss sich um seine persönliche Zukunft nicht sorgen. Aber dass ein Mann wie Piëch mal wieder einsam einen Machtkampf entschieden hat, das ist unheimlich.

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SZ vom 24.11.2009/mel
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